Muss der 1. FC Köln für den Transfer von Anthony Modeste nach China aus dem Jahr 2017 nachträglich ein Beraterhonorar in Millionenhöhe an Giacomo Petralito zahlen? Um diese Frage ging es am Dienstag wieder am Landgericht Köln. Im Mittelpunkt der nächsten Runde des Rechtsstreits stand der Auftritt des einstigen Weltfußballers Fabio Cannavaro.
Köln – Um 11.15 Uhr betrat Fabio Cannavaro den Gerichtssaal 237 im Landgericht Köln. Giacomo Petralito als Kläger war erschienen, Alexander Wehrle vertrat den 1. FC Köln als Beklagten. Cannavaro sollte als Zeuge Petralitos aussagen und bestätigen, dass der Spielerberater in entscheidendem Maße Einfluss auf den Modeste-Transfer zu Tianjin Quanjian genommen hatte.
Das Verfahren, das unter dem Aktenzeichen AZ 21 O 205/18 im November 2018 aufgenommen wurde, hatte im Januar begonnen. Petralito verlangt für seine Beteiligung an dem 28-Millionen-Euro-Transfer ein Honorar in Höhe von zwei Millionen Euro. Außergerichtlich hatte der FC vor dem Verfahren eine Zahlung in Höhe von 500.000 Euro angeboten. Petralito hatte aber abgelehnt. Einen späteren Vorschlag des Gerichts für einen Vergleich in Höhe von 750.000 Euro lehnte wiederum Köln ab. Die Geissböcke sind überzeugt, dass Petralitos Forderung nicht gerechtfertigt ist. Der Sizilianer wiederum erklärte im Januar vor Gericht: Er habe den damaligen Tianjin-Trainer Fabio Cannavaro entscheidend beraten, um den Modeste-Deal über die Bühne zu bringen. Zudem sagte Petralito damals, dass Cannavaro in seiner Funktion nicht nur Trainer, sondern auch Manager gewesen sei und ohne den Weltfußballer von 2006 der Deal nicht zustande gekommen wäre.
Als Budget hatte ich keine Obergrenze
Laut Petralito kam Cannavaro im Zuge des Transfers also eine Schlüsselrolle zu, weshalb das Gericht den Italiener vorlud. Nachdem die Anhörung im Frühsommer verschoben worden war, erschien der 46-Jährige am Dienstag auf der Luxemburger Straße im Landgericht. Cannavaros Aussagen waren widersprüchlich. Zunächst bestätigte der Italiener seine tragende Rolle im FC Tianjin. “Ich hatte in Tianjin mehr die Aufgabe eines Managers als die eines Trainers”, sagte Cannavaro. Es habe neben dem Klubchef zwar auch noch einen Sportdirektor gegeben. Doch die Zusammenstellung der Mannschaft habe er als Trainer übernommen. “Der Klubchef hat mir die Möglichkeit gegeben, die besten Spieler auszusuchen, die es in Europa gab, um die Mannschaft zu verstärken. Als Budget hatte ich keine Obergrenze.” Nachdem Cannavaro mit seiner Mannschaft 2016 den Aufstieg in die Super League geschafft hatte, habe er begonnen, im Winter 2016/17 nach geeigneten Spielern für die im März 2017 beginnende Erstliga-Saison in China zu suchen. Zunächst habe er Alex Witsel und Pato verpflichtet, doch es habe ein Mittelstürmer gefehlt.
An dieser Stelle, so Cannavaro, sei Petralito als Berater ins Spiel gekommen. “Ich habe mit ihm gesprochen und er hat mir Mandzukic, Aubameyang und Modeste vorgeschlagen.” Petralito habe gehört, dass insbesondere Aubameyang und Modeste bereit seien nach China zu wechseln. Genauso seien die Klubs bereit, die Spieler ziehen zu lassen. Dass Modeste in Tianjin bereits ein halbes Jahr zuvor dem Sportdirektor des Klubs vorgeschlagen worden war, woraufhin eine chinesische Delegation bereits im Herbst 2016 den FC-Stürmer in Müngersdorf beobachtet hatte, wusste Cannavaro nicht. Den Weltmeister von 2006 habe dies aber auch nicht interessiert. “Dem Klubchef gefiel es zwar, Spieler selbst zu verpflichten. Deswegen hatte ich mir in meinen Vertrag aber eine Klausel schreiben lassen, wonach ich derjenige war, der über eine Spielerverpflichtung entscheiden konnte. Hätte mein Boss einen Spieler ohne meine Zustimmung verpflichtet, hätte er sich einen neuen Trainer suchen müssen.”
Offen blieb vor Gericht zunächst, in welcher Funktion Petralito beratend tätig geworden sei. Cannavaro äußerte sich unklar darüber, wer wen als erstes kontaktiert habe und inwieweit sich der ehemalige italienische Nationalspieler sportlich oder nur vertraglich bei der Stürmersuche habe beraten lassen. Dann aber sagte Cannavaro: “Wenn Petralito mir nicht zu Modeste geraten hätte, hätte ich mich anderweitig umgesehen. Ich habe auf Petralito gehört, weil er mir versichert hat, den Deal abschließen zu können.” Passend dazu habe er eine entsprechende Erklärung unterschrieben, “weil ich glaube, dass Petralito einen wichtigen Beitrag zum Transfer geleistet hat”. Es war genau diese Aussage, die Petralitos Anwalt hatte von Cannavaro hören wollen und weshalb die Klägerseite den italienischen Coach als Zeugen hatte anhören wollen.
Widersprüche durch Cannavaro-Anwalt Minghetti
Einerseits hatte Cannavaro also erklärt, dass er selbst und niemand sonst für Transfers in Tianjin in letzter Instanz verantwortlich gewesen wäre, dabei aber von Petralito beraten worden war. Andererseits erklärte er auch, dass er an den entscheidenden Verhandlungen zu keiner Zeit direkt beteiligt gewesen sei. Genau an dieser Stelle kam ein zweiter Zeuges des Tages ins Spiel: Claudio Minghetti, ein italienischer Anwalt aus Bologna, zu dessen Klienten seit Jahren Cannavaro gehört. Minghetti hatte selbst keine Beraterprovision am Modeste-Transfer kassiert. Doch auch er war, wenn auch nur kurz, involviert gewesen.
Weil der Modeste-Transfer aufgrund der in China eingeführten Luxussteuer auf ausländische Transfers ins Wanken geraten war, hatte Cannavaro Minghetti damit beauftragt, sich mit Petralito und dem FC in Verbindung zu setzen, um eine Lösung zu erarbeiten. Am Dienstag sprach so auch Minghetti vor dem Richter am Landgericht Köln. Was der 70-Jährige sagte, ließ Cannavaros Aussagen in einem anderen Licht erscheinen. Minghetti bestätigte, dass Cannavaro (und nicht Petralito) den Anwalt angerufen hätte, um ihn in den Transfer einzuschalten. “Ich habe einen Anruf von Fabio Cannavaro erhalten und mich daraufhin an Alexander Wehrle gewandt und dieser hat mich auf den laufenden Stand der Situation gebracht”, sagte Minghetti.
Nicht umgesetzter Vertragsvorschlag
All dies passierte Ende Juni 2017 zu einem Zeitpunkt, da der Transfer in der Luft hing, da kurz zuvor die Luxussteuer eingeführt worden war. Der FC hatte sich mit Dr. Stefan Seitz einen erfahrenen Anwalt an die Seite geholt, der nun mit Minghetti Kontakt hatte. Erst da habe Minghetti mündlich erklärt, er sei nicht von Cannavaro, sondern von Petralito beauftragt worden. Dies hatte Cannavaro aber zuvor anders erklärt. In jedem Fall erklärte der Anwalt, dass innerhalb eines Tages der Kontakt hergestellt worden sei und dass Minghetti dem FC einen Lösungsvorschlag mit einem entsprechenden Vertragskonstrukt für den Transfer vorgelegt habe, um die Luxussteuer zu umgehen. Dieses sei aber vom FC nach Rücksprache mit Seitz noch am selben Tag abgelehnt worden, weil es den FIFA-Regularien wohl widersprochen hätte. Danach, so Minghetti, habe es keine weiteren Verhandlungen mehr gegeben. Am tatsächlichen Abschluss sei der Italiener nicht mehr beteiligt gewesen. “Ich weiß nicht, wie das finale Konstrukt ausgesehen hat”, bestätigte der 70-Jährige.
Eigentlich hätte Minghettis Auftritt für Klarheit sorgen sollen. Tatsächlich aber ließ er Cannavaros und Petralitos Aussage als mindestens in Teilen nicht korrekt erscheinen. Gesichert scheint, dass Petralito als Berater für Cannavaro in einem möglichen Modeste-Transfer aufgetreten war. Entscheidend scheint aber nun zu sein, wie das Gericht die Rolle Minghettis bewertet. Am Dienstag erklärte der Anwalt, er habe gemeinsam mit Petralito einen Vertragsvorschlag gemacht, der dann aber in dieser Form nicht zustande gekommen sei. Der FC betonte bereits in der Vergangenheit, dass Petralito nicht entscheidend an dem Deal beteiligt gewesen sei, wohl darauf beziehend, dass der Sizilianer offensichtlich involviert gewesen war, aber aus Vereinssicht nicht an der finalen Vertragslösung beteiligt. Das Gericht wird nun entscheiden müssen, ob Giacomo Petralito in der Tat eine wichtige Rolle in dem Modeste-Transfer zukam oder nicht. Für beide Seiten geht es um ein Honorar in Höhe von zwei Millionen Euro. Und Minghetti betonte, dass er bislang ebenfalls nicht für seine Leistungen gezahlt worden sei. Dies würde Petralito zu gegebener Zeit tun – nach Abschluss der Verhandlungen am Kölner Landgericht.
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