Horst Heldt und der 1. FC Köln: Nach seiner aktiven Karriere bei den Geissböcken will der 49-Jährige nun als Geschäftsführer Sport den Effzeh wieder auf Erfolgskurs führen. Im ersten Teil des großen GBK-Interviews sprach der neue Sportchef über die Skepsis gegenüber seiner Person. Im zweiten Teil erklärte Heldt, warum er an die Mannschaft glaubt und warum im Fußball einiges im Argen liegt.
Das Interview führten Sonja Eich und Marc L. Merten
GBK: Herr Heldt, Sie sagen, Sie haben als Spieler selbst erlebt, wie eine Mannschaft nicht funktioniert. Es gibt diverse Hinweise, die darauf hindeuten, dass etwas im aktuellen FC-Team nicht stimmt. Sie selbst sagen aber, die Mannschaft sei intakt. Was sehen Sie, was man von außen nicht sieht?
Horst Heldt: “Die Mannschaft ist unter Berücksichtigung der Umstände, in der sie sich befindet, intakt. Sie ziehen an einem Strang und wollen gemeinsam da wieder rauskommen. Das ist für mich erkennbar. Die müssen nicht mit 27 Mann gemeinsam Weihnachten verbringen, aber sie gehen ordentlich miteinander um. Darüber hinaus müssen wir als Verantwortliche alles tun, um das in so einer Situation wackelige Gebilde zu schützen.”
Welche Führungsqualitäten sehen Sie denn in der Mannschaft, die helfen können, um da unten rauszukommen?
Meine Definition von Führungsspieler ist nicht, dass Spieler wild gestikulierend über den Platz laufen oder in der Kabine wie ein HB-Männchen in die Luft gehen, nur damit die Leute merken, dass sich da einer wehrt. Führung bedeutet für mich, dass jeder Spieler bei sich anfängt, als Vorbild vorangeht und an den eigenen Defiziten arbeitet, um sich zu verbessern und so jedem anderen Spieler zu zeigen, dass jeder dazu beitragen kann, gemeinsam besser zu werden.
Geben Sie uns ein Beispiel?
Nehmen wir mal an, ein Spieler hätte Probleme mit dem Passspiel. Dann hat er nach dem Mannschaftstraining am Vormittag die Wahl, entweder in ein Café zu fahren oder am Nachmittag noch eine individuelle Einheit zu absolvieren, um an seinem Passspiel zu arbeiten. Wenn jemand mit seinen Eckbällen hadert, dann kann er auf den Platz gehen und hundert Eckbälle schlagen. Damit zeigt der Spieler: Ich übernehme Verantwortung. Für meine Leistung und damit für die Leistung der ganzen Mannschaft.
Sie haben in den ersten Tagen hier beim FC den Mannschaftsrat gelobt. Einige Spieler fühlen sich aber nicht mehr so vom Mannschaftsrat vertreten. Wie gehen Sie damit um?
Der Mannschaftsrat wurde von unseren Spielern gewählt. Das sind die Regeln der Spieler und damit sind die Spieler selbst in der Verantwortung.
Einige glauben, die lokale Basis nicht mehr zu brauchen
Aber vielleicht hat sich nach der Wahl ja etwas verändert.
Sollte jemand der Meinung sein, dass er sich nicht mehr vertreten fühlt, dann muss er es intern, offen ansprechen. Das ist Führung für mich. Aber natürlich kenne ich das auch selbst noch aus meiner aktiven Zeit. Ich habe selbst gemeckert, über andere Spieler, über den Trainer. In sieben von zehn Fällen hatte ich auch nicht den Arsch in der Hose, offen zu sagen, was ich denke. Zwanzig Jahre später weiß ich, wie man es besser machen müsste.
Sie haben auf Ihrer Antritts-Pressekonferenz einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Im Fußball liegt einiges im Argen.“ Was meinen Sie damit?
Einerseits bin ich ein Fußball-Romantiker, der die Traditionen bewahren will. Andererseits glaube ich, dass sich Fußballklubs moderner aufstellen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der Fußball hat sich in den letzten Jahren doch sehr von der Basis entfremdet. Weil einige glauben, die lokale Basis gar nicht mehr zu brauchen.
Können Sie Beispiele nennen?
Natürlich, und zwar ein Beispiel, zu dem ich leider selbst beigetragen habe. Ich war einer der 36 Manager, die für Montagsspiele gestimmt haben. Es ging um die Frage, wie man für Europa an einem Donnerstag und der Liga am Samstag eine Lösung finden konnte. Rein isoliert betrachtet, fanden wir den Montag dafür total attraktiv. Das Problem war, dass ich mich in dem Moment nicht gefragt habe, was das für die Fans bedeutet. Also haben wir es beschlossen und waren überrascht, als sich die Leute dagegen gesträubt haben. Jetzt wird es zum Glück zurückgedreht.
Wir können zum Mond fliegen, aber das kriegt man nicht hin?
Droht etwas Ähnliches mit der Superliga?
Natürlich. Bei aller Romantik: Es wird nie mehr der Fußball von früher sein. Dafür ist der Fußball zu groß geworden, zu international. Aber eine Superliga? Da sage ich: Na klar, macht es, wenn Ihr wollt. Aber ich glaube, eine Superliga würde grandios scheitern. Das Fußballerherz hängt doch im Kern weiterhin an der nationalen Liga. Wir haben ja schon jetzt eine recht hohe No-Show-Rate, also dass Menschen Tickets kaufen, aber nicht hingehen. Merkt denn niemand, dass sich der Fußball immer stärker von der Basis entfremdet? Schauen wir auf die Nationalmannschaft! Es hat doch Gründe, dass viele Fans die Länderspiele nicht mehr sehen wollen. Oder ein ganz anderes Beispiel: Seit Jahren kriegt es der DFB nicht hin, dass die vier Meister in den Regionalligen auch alle aufsteigen. Wir können zum Mond fliegen, aber das kriegt man nicht hin? Das ist doch verrückt.
An dieser Stelle eine vielleicht etwas ketzerische Frage: Wenn man den Zuschauerschwund erkennt, warum denkt der FC dann über ein 75.000 großes Stadion nach?
Ja, ja, das ist jetzt eine Fangfrage. Nicht schlecht. (lacht) Aber ich kann nach zehn Tagen beim FC noch keine Antwort geben, weil ich mich mit der Materie noch nicht auseinandergesetzt habe. Das Einzige, was ich jetzt schon sagen kann, ist: Ich finde es richtig, dass offen über Weiterentwicklungen diskutiert wird. Nehmen wir das Geißbockheim: Das ist unsere Tradition, unsere Heimat, das muss in der DNA ganz Kölns so verankert sein wie der Rosenmontagszug. Aber es ist doch verantwortungsvoll, wenn man klar und deutlich über einen Stadionausbau nachdenkt, die Möglichkeiten abwägt, die Machbarkeit prüft. Es wäre fatal, nicht darüber nachzudenken. Ob es dann am Ende sinnvoll ist oder nicht, wird man gemeinsam entscheiden.
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