Ist die Coronavirus-Krise in wenigen Wochen überstanden, ohne dass das Fußballbusiness großen Schaden nimmt? Oder wird die Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ganze Branchen und gesellschaftliche Bereiche nachhaltig verändern, so auch den Fußball? Abzusehen ist dies in vielen Bereichen bislang noch nicht. Klar ist aber: Der Fußball muss sich, wie viele andere Wirtschaftszweige auch, einige grundsätzliche Fragen stellen.
Köln – Beim 1. FC Köln ist es fast ein Sakrileg, öffentlich über das I-Wort zu sprechen: Investor. Der Verein gehört den Mitgliedern. Das ist eines der Gebote, das unumstößlich in der Satzung verankert ist. Doch was, wenn der Worst Case eintreten sollte? Was, wenn der 1. FC Köln in den kommenden Wochen und Monaten derart von der Krise getroffen würde, dass eine finanziell existenzbedrohende Situation eintreten sollte? Die FC-Bosse müssen sich mit dieser Frage gerade befassen. Die Deutsche Fußball Liga hat jedem Klub diesen Auftrag erteilt. Es müssen die “Extremst-Situationen” durchexerziert werden. Was wäre, wenn?
Ernsthaft wollen sich viele Fans der Geissböcke diese Frage natürlich nicht stellen. Doch viele Klubs, nicht nur in der Bundesliga, müssen sich der harten Realität stellen, dass vielerorts die Geschäftsjahre auf Kante genäht sind. Der FC beispielsweise ging bewusst in die neue Spielzeit mit dem Wissen, einen zweistelligen Millionenbetrag im Minus abzuschließen. Der FC Schalke 04 hat gerade davon gesprochen, dass man ein “kalkuliertes Minus” von über 20 Millionen Euro hingenommen habe in der abgelaufenen Spielzeit. Andere Klubs wie der HSV sind im zweiten Zweitliga-Jahr noch einmal erheblich ins Risiko gegangen, um den Aufstieg zu realisieren. Andere Vereine mussten den Abstieg verkraften und damit hohe Einnahmebußen. Auch die Geissböcke hatten das Vorjahr nur deshalb positiv abgeschlossen, weil man den Verkauf von Serhou Guirassy noch ins alte Geschäftsjahr bilanziert hatte, nicht mehr in die Erstliga-Saison. Allerorten im Profi-Fußball wird getrickst, werden Zahlungen verschoben, Transfervereinbaren über Jahre gestreckt, um die Liquidität aufrecht zu erhalten. Legale und legitime Bilanzspielereien, jedoch nicht bei allen Klubs ohne Risiko.
Und so spürt nun der eine oder andere Verein, dass die unvorhersehbare Coronavirus-Krise für ebenso unvorhersehbare Folgen sorgen könnte. Wann wird wieder gespielt? Wann fließen wieder Zuschauereinnahmen? Wird die letzte TV-Gelder-Tranche vollständig ausgezahlt? Wird überhaupt in dieser Saison noch mal gespielt? Welche einschneidenden Maßnahmen wären durchsetzbar, um die Kosten zu senken? Welche liquiden Mittel sind noch da, welche könnte man sich kurzfristig über welche Wege organisieren? DFL-Boss Christian Seifert hat angekündigt auf diese Fragen von den Vereinen Antworten zu erwarten, womöglich schon zum 30. März, wenn sich der Ligaverband mit seinen Vereinsvertretern wieder treffen und neu beraten will. Worüber jedoch auch dann wohl noch niemand wird sprechen wollen, sind die möglichen Szenarien, die sich aus der Krise ergeben könnten.
Drei mögliche Szenarien in der Krise
Szenario 1 – Alles bleibt beim Alten: Das wäre allen Beteiligten am liebsten. Die Krise würde überstanden, im April würde der Ball wieder rollen, zunächst ohne Zuschauer, später wieder mit Zuschauern. Die TV-Gelder würden fließen. Freilich gäbe es finanzielle Schäden, aber keine, die nicht aufzufangen wären. Einige Klubs müssten größere Einbußen hinnehmen als andere, aber insgesamt würde der Fußball so weitermachen wie bisher.
Szenario 2 – Einige Klubs sind nicht zu retten: Nicht nur in der Bundesliga, sondern vor allem auch in anderen Ländern Europas müssen einige Vereine um ihr Überleben bangen. Das allgemeine Verständnis lautet: In Deutschland ist man auch aufgrund der eigenen, verhältnismäßig strengen Auflagen in der Lizenzierung besser gerüstet für Krisen als in anderen Ländern. Zwar sind in anderen Ländern die Besitzverhältnisse der Klubs offen für Investoren. Dennoch erwarten einige Experten bereits, dass es so manchen Klub, auch so manchen Erstligisten, in dieser Krise so hart treffen könnte, dass eine Insolvenz nicht abzuwenden wäre. Sollte es so kommen, würde eine besondere Situation eintreten. Zahlreiche Spieler, auch Topspieler, würden plötzlich auf den internationalen Transfermarkt kommen, verfügbar und womöglich gar ablösefrei. Sollte es zu dieser “Flut” an Spielern kommen, hätte dies die Kraft den Transfermarkt verändern. Ein Spielerberater sagte dem GEISSBLOG.KOELN: “Je nach dem, wie viele Spieler plötzlich arbeitslos werden und wie viele Vereine in finanzielle Probleme geraten, könnte das die Gehaltsstrukturen grundlegend verändern.” Der Gedanke dahinter: Je mehr Spieler auf einem gewissen Niveau verfügbar wären, desto mehr Verhandlungsspielraum hätten die finanziell gebeutelten Klubs. Zu einer Gehaltsrevolution würde es wohl nicht kommen, jedoch wohl zu einer Korrektur der Bezüge nach unten – zumindest vorübergehend.
Szenario 3 – Ist 50+1 in Deutschland noch haltbar? Die Frage stellen sich bekanntlich viele Fans und Klubs seit Jahren. Aufgeweicht bis ins Absurde ist die Regelung ohnehin schon. FC-Sportchef Heldt äußerte dazu bereits seine Gedanken: “Ich werde mich hier ganz sicher nicht hinstellen und sagen, dass ich für die Öffnung von 50+1 bin. Krisen führen aber immer automatisch dazu, dass man das ganze System hinterfragen muss, ob man wirklich krisensicher aufgestellt ist”, sagte der 50-Jährige, machte jedoch deutlich: “Ich bleibe Fußballromantiker und lasse mir das nicht nehmen. Wir sind in Deutschland auf der Augenhöhe mit Fans, wir haben ausverkaufte Stadien und Atmosphäre.” Und dennoch: Das I-Wort könnte in Deutschland im Worst Case plötzlich eine neue Bedeutung erlangen. Nämlich dann, sollte ein Klub ohne Verkauf von Anteilen nicht überlebensfähig sein.
FC-Satzung sieht Notfallplan vor
Beim 1. FC Köln ist dies klar geregelt: Bis 24,9 Prozent der Anteile am FC könnte der Vorstand ohne Zustimmung der Mitglieder verkaufen. Ab 25,0 bis 49,9 Prozent der Anteile bräuchte es eine einfache Mehrheit in der Mitgliederversammlung. Über 50 Prozent der Anteile wären nur veräußerbar, wenn eine Drei-Viertel-Mehrheit vorläge. Doch Achtung, die Satzung sieht auch vor: “Die Zustimmung der Mitgliederversammlung ist in der Regel vor einer entsprechenden Maßnahme einzuholen. Eine nachträgliche Genehmigung ist lediglich in Fällen ausreichend, in denen ein umgehendes Handeln des Vorstands erforderlich war, um einen drohenden schweren Schaden vom Verein und/oder seinen Beteiligungsgesellschaften abzuwenden.” Der Vorstand hätte per Satzung also die Möglichkeit, mehr als die 24,9 Prozent der Anteile zu verkaufen, läge eine finanzielle Notsituation vor.
Von alledem will man am Geißbockheim natürlich nichts wissen. Der amtierende Vorstand hat sich vor seiner Wahl unzweideutig geäußert, dass der Verein in der Hand der Mitglieder bleibe. Jetzt allerdings blieb dem Team um Dr. Werner Wolf keine andere Wahl als einzugestehen: “Die wirtschaftlichen Folgen dieses Stillstands sind noch nicht absehbar. Das gilt auch für den 1. FC Köln”, schrieben Vorstand und Geschäftsführung in einem offenen Brief. “Wie wir mit den Folgen umgehen, wird aktuell für die unterschiedlichen Szenarien erarbeitet und intensiv von Geschäftsführung und Vorstand und mit den weiteren Gremien diskutiert.” Erst, wenn absehbar ist, wie sich die Pandemie entwickelt und wann sich das gesellschaftliche Leben in Deutschland wieder normalisiert, werden echte Prognosen möglich sein. Klar ist: Niemand konnte vorhersehen, dass erstmals in der Geschichte der Bundesliga erst ein Spiel als Geisterspiel stattfinden und dann gar eine ganze Saison von der Absage bedroht sein würde. Das Coronavirus stellt die Verantwortlichen aller Klubs vor bisher nie dagewesene Herausforderungen. Und so diskutieren auch schon die Fans vieler Klubs, was ihnen lieber wäre: ihr Verein am finanziellen Abgrund oder die bittere Pille eines Investors, der den Spielbetrieb aufrecht erhalten würde. Auch deswegen hoffen nicht nur die Verantwortlichen, sondern auch die Fans auf Szenario 1.
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