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Neue Zielsetzung? Der FC selbst hat mit Europa angefangen

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Jonas Hector und Markus Gisdol pflegen einen engen Austausch. (Foto: Mika Volkmann / Koepsel / Witters / Pool)

Der 1. FC Köln hat womöglich selbst die Antwort auf die Frage gegeben, ob man das Saisonziel Klassenerhalt nach oben korrigieren sollte. Die Leistung gegen Fortuna Düsseldorf ließ über 88 Minuten den Schluss zu, dass die Geissböcke froh sein können, zehn Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz zu haben. Andererseits war es der FC selbst, der den Begriff “Europa League” erstmals in dieser Saison in den Mund nahm – und in breiter Öffentlichkeit als mögliches Saisonziel in Erwägung zog.

Köln – Wir schreiben die erste Januar-Woche 2020. Der 1. FC Köln befindet sich im Trainingslager in Benidorm. Unter der Sonne Spaniens arbeitet die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol an der Fortsetzung der Erfolgswoche vor Weihnachten. Drei unerwartete Siege gegen Leverkusen, Frankfurt und Bremen haben den FC in letzter Sekunde der Hinrunde noch über den Strich gehoben, mit 17 Punkten aus 17 Spielen auf Rang 15. Durchatmen ist angesagt, aber auch knallhartes Schuften – schließlich will der FC das zarte Pflänzchen Hoffnung auf den Klassenerhalt in der Rückrunde zu einem stabilen Gebilde wachsen lassen.

Und so lässt der neue Sportchef Horst Heldt nichts unversucht und seinen Schwager in Benidorm einfliegen: Prof. Dr. Wolfgang Jenewein, BWL-Ordinarius an der Elite-Universität St. Gallen, sein Forschungsschwerpunkt ist Führungsmanagement. Jenewein sieht beim Training der FC-Profis zu und hält im Teamhotel einen Vortrag vor der Mannschaft. Cheftrainer Markus Gisdol kündigt das Gespräch mit dem Professor mit den Worten an, es gehe darum, dass jeder einzelne Spieler über seine persönliche Motivation nachdenke, warum er Fußball spiele. Und Jenewein liefert. Er spricht davon, dass jeder Spieler seinen eigenen Weg finden muss, sich in einem Spiel zu pushen. Was er dabei auch sagt, sind folgende Worte: Eine mögliche Motivation könne sein, “die erste Mannschaft zu sein, die auf dem letzten Tabellenplatz steht und am Ende in der Europa League endet. In 26 Jahren war der FC nur zweimal einstellig. Stellt euch vor, Ihr schafft es von Platz 18 auf Platz sechs zu gehen. Dann hättet Ihr Geschichte geschrieben.”

Fakt ist: Der FC war nah an Europa dran

Woher weiß man den genauen Wortlaut? Weil der FC ihn selbst veröffentlichte – in seiner Saison-Dokumentation 24/7. Nun, im Mai 2020, versucht sich der FC in der Verbreitung der Mär, es wäre mal wieder die Erwartungshaltung der Stadt, der Medien, der Fans, die nach Europa schreien würden. Dabei war es der FC selbst, der das Wort “Europa” das erste Mal zu einem Zeitpunkt in den Mund nahm, als niemand – nicht einmal die größten Optimisten unter den Journalisten oder Anhängern – davon zu träumen wagte, der 1. FC Köln könne am 26. Spieltag beim Stand von 2:0 gegen den 1. FSV Mainz 05 in der Live-Tabelle nur noch zwei Punkte hinter Rang sieben und vier Punkte hinter Rang sechs liegen. Und an Spieltag 27, dem zweiten Heimspiel der Geissböcke in Folge gegen einen Abstiegskandidaten, hätte es mit einem Sieg bedeutet, nur noch einen Punkt hinter Rang sieben und zwei hinter Rang sechs zu liegen.

Die Fakten waren vor diesen beiden Spielen – und vor allem während der Partie gegen Mainz beim Stand von 2:0 – eindeutig: Der 1. FC Köln lag auf Kurs Europa, ob es dem Klub gefiel oder nicht. Hätte die Mannschaft die sich ihr bietende Chance in einem der beiden Spiele zum Sieg genutzt, so wäre nicht nur das Thema Abstiegskampf längst erledigt gewesen. Die Verantwortlichen wären auch nicht mehr drum herum gekommen, das Thema Europa ernsthaft zu kommentieren. Nun hat die Leistung gegen Fortuna Düsseldorf freilich für Ernüchterung einerseits und für Durchatmen andererseits gesorgt. Das Gezeigte dürfte die meisten Optimisten auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben, sodass man kaum davon ausgehen darf, dass der 1. FC Köln mit einer solchen Leistung ein Kandidat für Europa sein könnte. Die zehn Punkte Vorsprung auf Rang 16 andererseits blieben bestehen, sodass auch das Thema Abstiegskampf weiterhin nur aus der Ferne diskutiert werden muss.

Am Montag kamen Mannschaft, Trainerteam und Sportchef Horst Heldt zusammen und arbeiteten das 2:2 gegen Düsseldorf auf. Heldt bestätigte, dass die Spieler aktuell Probleme hätten. Die Geisterspiel-Atmosphäre macht diversen Profis zu schaffen. “Das ist Psychologie”, sagte der 50-Jährige. Also auch jenes Fachgebiet, dem sich sein Schwager nahe fühlt. Doch eines wollten am Montag dem Vernehmen nach weder Heldt noch Trainer oder Spieler: ein neues Saisonziel ausgeben, um einen neuen Impuls zu setzen, eine neue Motivation zu finden. “Die Gedankengänge, sich neue Ziele zu setzen, gibt es schon länger”, sagte Heldt zwar. Doch dann machte er klar: “Wir sind als Zehnter im Niemandsland der Tabelle. Der Umstand, dass wir noch nicht gerettet sind, bleibt aber wichtig. Das sieht auch die Mannschaft so. Wir werden die Saison nicht ad acta legen, jetzt aber auch nicht die Ziele nach oben korrigieren.”

Dabei sind die Fragen nach einem möglichen Ziel Europa League nicht böse gemeint. Sie sind viel mehr ein Lob an Spieler und Trainer. Schließlich hat sich der 1. FC Köln spektakulär aus einer tiefen Krise gekämpft und derart nach oben katapultiert, dass man es den Geissböcken vor den Partien gegen Mainz und Düsseldorf sehr wohl zugetraut hätte. Dass diese beiden Heimspiele dazu geführt haben, wieder etwas weniger optimistisch auf den FC zu schauen, könnte womöglich sogar helfen. Heldt betonte, es gehe nur darum Spiele zu gewinnen. Kein Fan wird da widersprechen. Widersprechen muss man jedoch dem Versuch des Klubs, andere für das Thema Europa verantwortlich zu machen. Die Idee kam aus dem FC selbst.

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