Die Mitgliederversammlung. (Foto: GBK)

Testlauf entscheidet: Keine virtuelle Mitgliederversammlung?

Selbst im Trainingslager in Donaueschingen sind die vereinsinternen Querelen am fernen Geißbockheim zu spüren. Im Zentrum so mancher Diskussion am Trainingsplatz des SV Aasen steht nicht das Sportliche, sondern die Mitgliederversammlung. Die Corona-Pandemie lässt es womöglich nicht zu, dass eine gewöhnliche Präsenzveranstaltung in der LanxessArena durchgeführt werden kann. Doch der Mitgliederrat sträubt sich gegen eine hybride Lösung aus Vor-Ort- und virtueller Teilnahme. Ein Testlauf soll nun zumindest die technischen Bedenken ausräumen.

Köln/Donaueschingen – Am Mittwochmittag sickerte durch, was man bereits erwartet hatte: Tobias Kaufmann klagt gegen seine Kündigung als Mediendirektor der Geißböcke. Der 44-jährige hat eine Kündigungsschutzklage am Arbeitsgericht eingereicht, nachdem ihm nach seiner Freistellung inzwischen auch eine Kündigung durch den 1. FC Köln zugegangen ist. Vordergründig gehe es Kaufmann um Wiedereinstellung, heißt es. Eine gängige Formulierung dafür, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer keineswegs einvernehmlich getrennt haben. In der Regel haben solche Klagen aber keine Wiederanstellungen, sondern außergerichtliche Einigungen über Abfindungen zur Folge.

Dass dieser Konflikt nun in der medialen Öffentlichkeit ausgetragen wird, ist wohl auch ein Hinweis darauf, warum es letztlich zur Trennung gekommen ist. Die sich anbahnende Schlammschlacht wirft damit auch bereits die Schatten auf eine andere Veranstaltung voraus, an der Kaufmann eigentlich hätte federführend beteiligt sein müssen: Die Mitgliederversammlung sorgt intern für Reibungen auf der Geschäftsstelle und in den einzelnen Gremien. Der Grund ist die Corona-Pandemie. Noch immer hat der FC keinen Termine für die Veranstaltung festgelegt. Satzungsgemäß könnte das Event bis in den Frühsommer 2021 hinausgezögert werden. Keiner weiß jedoch, wie es dann um das Coronavirus und Einschränkungen für Großveranstaltungen bestellt sein wird. Aktuell wäre eine Indoor-Veranstaltung mit mehreren tausend Teilnehmenden undenkbar.

FC lässt technische Fragen prüfen

Für einen solchen Fall sieht die Satzung eigentlich die Möglichkeit einer rein virtuellen oder einer hybriden Veranstaltung vor, also einer Kombination als Präsenz- und Online-Versammlung. Der Vorstand kann satzungsgemäß eine solche Variante vorschlagen, der Mitgliederrat muss dem zustimmen. In den vergangenen Monaten wurde deshalb mit der Prüfung der technischen und sicherheitsrelevanten Fragen begonnen. Nach GBK-Informationen arbeiten die Verantwortlichen am Geißbockheim mit zwei Firmen zusammen und prüft deren Lösungen. Das Problem: Keine der Firmen hat bislang eine solche Veranstaltung mit potentiell 20.000 Teilnehmenden durchgeführt. Die offenen Fragen diesbezüglich umfassen diverse Bereiche. Dazu gehören: Wie stabil ist das System bei einem derart hohen, zeitgleichen Zugriff? Über welche Lösungen (wie Postident-Verfahren) kann garantiert werden, dass jedes Mitglied nur seine eigene Stimme abgibt? Welche Backup-Lösungen gibt es im Falle eines Systemabsturzes? Ist es möglich, in der technisch schlecht ausgerüsteten LanxessArena die Stimmen aus Vor-Ort-Abgabe und Online-Voting zusammenzuführen? Oder sollte sich der FC besser nach einem anderen Ort für die Veranstaltung umsehen, beispielsweise das RheinEnergieStadion?

Dass der Konflikt um eine hybride Mitgliederversammlung tiefer geht als oberflächlich um technische und sicherheitsrelevante Fragen, gestand Stefan Müller-Römer zuletzt im Express ein: “So eine Versammlung ist ein Stück gelebte Demokratie des Vereins. Hier treffen sich die Mitglieder, um Dinge zu diskutieren. Das ist im Netz so nicht möglich”, sagte der Mitgliederrats-Chef. “Stimmungen und Reaktionen gehen bei einer Online-Versammlung völlig verloren, weswegen das nicht demokratischer ist, sondern das genaue Gegenteil davon.”

Viele Mitglieder jedoch fordern schon seit Jahren eine hybride Veranstaltung, nicht erst seit der Coronavirus-Pandemie. Sie sagen: Stimmberechtigt darf nicht nur derjenige sein, der einmal im Jahr zur Mitgliederversammlung kommt, sondern jedes Mitglied – unabhängig der aktiven Beteiligung am Vereinsleben vor Ort. Andernfalls schaffe man eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Verein. Die Diskussionen rund um den FC würden zudem ohnehin das ganze Jahr über geführt – in Fanklubs, im Stadion, an Stammtischen mit den Vereinsbossen, in den Medien und Foren. Und wenn es schon seit Jahren möglich sei, dass ganze Länder ihre Regierungen online wählen könnten, müsse dies auch im Mikrokosmos eines Fußballvereins möglich sein.

Was ist wirklich demokratisch?

Entsprechend ist hinter den Kulissen am Geißbockheim ein Streit um die Neuausrichtung der Mitgliederversammlung entbrannt und um die Frage: Was ist wirklich demokratisch? Die technischen und sicherheitsrelevanten Herausforderungen soll nach GBK-Informationen ein Testlauf mit einer fiktiven fünfstelligen Teilnehmerzahl simulieren. Die satzungsrelevanten Fragen jedoch, zumindest für die nächste Mitgliederversammlung, muss der FC intern selbst klären – und dabei möglichst nicht die nächste Schlammschlacht auslösen.

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