Peter Stöger, Markus Anfang, Achim Beierlorzer, Markus Gisdol. (Fotos: Ligafoto / Bucco / Bopp)

Drei Fehl-Experimente: Der FC braucht einen Charakter-Trainer

Jetzt ist die Ära Markus Gisdol beim 1. FC Köln also endgültig zu Ende. In der Vereinsdoku “24/7 FC” brachte der Klub in dieser Woche noch einmal einen emotionalen Beitrag über den ehemaligen Cheftrainer und ließ den 51-jährigen am Ende sogar als Kölner im Herzen erscheinen. Das war ein feiner Zug der Verantwortlichen, geht an der Realität aber weit vorbei. Gisdol hat nie wirklich zum FC gepasst und war damit der dritte Trainer hintereinander, der auch gerade daran scheiterte.

Ein Kommentar von Marc L. Merten

In der neuesten Folge der FC-Doku wird gezeigt, wie Markus Gisdol sich von der Mannschaft verabschiedet. Nach seiner Rede sind noch einmal einige Jubel-Bilder des 51-jährigen zu sehen. Verdientermaßen, immerhin hatte Gisdol zwischenzeitlich den Erfolg ans Geißbockheim zurückgebracht und die Klasse gehalten. Doch zweimal sind auch Bilder des Schwaben am Rosenmontagszug zu sehen. Gisdol, der kölsche Jung. Gisdol, der Kölner im Herzen.

Gisdol hat Köln nie wirklich verstanden

Nein, diese Bilder täuschen. Markus Gisdol hat die Stadt und den 1. FC Köln nie wirklich verstanden. Das war eines seiner größten Probleme in seiner Zeit bei den Geißböcken. Der 51-jährige strahlte zwar eine Ruhe aus, die für den FC außergewöhnlich und zwischenzeitlich wohltuend war. Doch mit der Stadt, mit dem “Jeföhl”, den Eigenarten Kölns konnte er sich allen Beteuerungen zum Trotz nie glaubhaft anfreunden. Er selbst entlarvte es in seiner Abschiedsrede, als er von “brutalen” Verhältnissen in Köln sprach, die die Spieler aushalten müssten. Das war typisch für Gisdol.

Wenn es ihm recht war, waren die Fans der Faustpfand, die Energie von den Rängen, die pure Begeisterung, die in Corona-Zeiten fehlte. Wenn er es aber brauchte, waren sie die Last, die als Erklärung für die Probleme herhalten mussten. Die drückende Erwartungshaltung, das ewige Schwarz-Weiß-Denken. Und natürlich die Kölner Medien, mit denen Gisdol nicht einmal versuchte warm zu werden. Beide Phänomene hatte man schon während seiner Zeit beim Hamburger SV beobachten können, und man darf sich wundern, warum Gisdol sich ausgerechnet solche Großstädte und Klubs aussuchte, obwohl er einem größeren, lauteren Umfeld eigentlich nur wenig abgewinnen kann.

Gisdol, Beierlorzer, Anfang – drei Fehlschläge

Die wichtigsten Fragen lauten nun: Wer wird der nächste FC-Trainer, wenn Friedhelm Funkel im Sommer abtritt? Und auch: Werden die Verantwortlichen aus den Fehlern der letzten Jahre lernen? Zur Erinnerung: Vor Gisdol scheiterten Achim Beierlorzer und Markus Anfang, weil auch sie mit ihrer Art in Köln und innerhalb der Mannschaft nicht ankamen. Beierlorzer glaubte, als Fußballlehrer seine Schüler zu neuen Höhenflügen animieren zu können, vergaß dabei aber, dass Fußballer keine Kinder sind, die man mit leeren Sprüchen beeindrucken kann. Anfang glaubte, den Fußball neu erfinden zu können, vergaß dabei aber, dass alle Taktik nichts wert ist, wenn ein Trainer seine Kabine verliert. Da half es ihm auch nichts, dass er in öffentlichen Auftritten immer wieder darauf hinwies, dass er gebürtiger Kölner sei. Abgenommen hat man ihm die kölsche Tour trotzdem nicht.

Was der 1. FC Köln nun braucht, ist einen Charakter-Trainer, der den FC und die Stadt versteht und so nimmt, wie sie sind. Einen Menschenfänger nach innen und außen, einen Typen, der glaubwürdig, ehrlich und offen auf Spieler, Fans und Kölner zugeht. Er muss den Fußball nicht neu erfinden, um Erfolg zu haben. Das hat schon Peter Stöger bewiesen. Der Österreicher war vier Jahre lang erfolgreich, weil er einerseits eine Mannschaft formte, die ihm folgte und geil darauf war, seine Vorgaben umzusetzen, und es andererseits verstand, in die Kölner Kultur einzutauchen und die Menschen in der Stadt zu umarmen. Man nahm dem heute 55-jährigen jederzeit ab, dass es für ihn nichts Schöneres gab, als in Köln zu leben, zu arbeiten und zu feiern.

Es braucht einen gewissenhaften Auswahlprozess

Dass diese Qualitäten nicht auf ewig Erfolg versprechen, haben schon andere, größere Trainer erfahren müssen. Der 1. FC Köln wollte bei Gisdol unbedingt auf Kontinuität setzen, vergaß dabei aber, dass Kontinuität der Kontinuität wegen nicht funktionieren kann. Kontinuität funktioniert nur dann, wenn die Basis stimmt – und die hat bei Gisdol nie gepasst. Die FC-Bosse sind nun in der Verantwortung, es besser zu machen als in den letzten Jahren. Nicht die erstbeste Lösung darf es sein, wie Armin Veh sie zweimal präsentierte. Auch nicht der letzte Ausweg, den man mit Gisdol 2019 nehmen musste. Es braucht eine kreative, gut durchdachte und in einem gewissenhaften Auswahlprozess entwickelte Idee. 2014 stieß man so auf Stöger, mit dem kaum ein Experte gerechnet hätte. Sieben Jahre später bedarf es erneut eines solchen Händchens. Ohne den Markt gründlich zu prüfen und sofort wieder nach Stöger zu greifen, nur weil er schon einmal funktioniert hat, wäre erneut der Weg des geringsten Widerstands. Der FC muss sich Mühe geben, nach dem Mann der Zukunft fahnden, der diesen Klub bereit ist zu leben und zu akzeptieren, wie er ist. Denn Fehlschläge gab es in den letzten Jahren genug.

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