Uwe Gospodarek hat Andreas Menger als Torwarttrainer beim 1. FC Köln abgelöst. Der einstige Bayern-Torwart und -Torwarttrainer soll Timo Horn zu neuen Topleistungen formen, Marvin Schwäbe als ernsthaften Konkurrenten aufbauen und Jonas Urbig zur nächsten Nummer eins formen. Der GEISSBLOG.KOELN hat den 47-jährigen getroffen.
Das Interview führten Sonja Eich und Marc L. Merten
GBK: Herr Gospodarek, wer entscheidet in einer Fußballmannschaft eigentlich, wer die Nummer 1 im Tor ist?
UWE GOSPODAREK: „Wer das entscheidet? Wir haben in Timo Horn ja eine Nummer 1. Und nach meinen ersten Eindrücken gehe ich davon aus, dass die Konstellation so bestehen bleibt, wie sie ist.“
Die Trainer sind neu, die Nummer 1 bleibt aber ohne Diskussion. Ist das vom Verein so vorgegeben?
Timo Horn ist seit acht Jahren die Nummer 1 und hat gewiss seine Höhen und Tiefen erlebt. Aber er hat sich in der letzten Saison wieder richtig gut gefangen. Ich habe lange mit ihm gesprochen: Er ist gewillt, unseren Weg mitzugehen, und ich habe gesagt, dass ich ihm dabei helfen werde und versuchen will, ihn besser zu machen. Dafür brauche ich natürlich ihn. Ich kann hier viel erzählen: Wenn er nicht mitmacht, habe ich ein Problem. Ich sehe einen gewissen Rhythmus bei ihm, der anders ist als meine Vorstellung. Jetzt lernt er etwas Neues. Diese Entwicklung wollen wir sehen.
Timo kann mitspielen, es wurde aber nicht verlangt
Was fordert Steffen Baumgart von seinen Torhütern?
Dass sie kicken können. Dass sie mitspielen. Ich sehe bei Timo: Er kann das definitiv, aber es wurde in den letzten Jahren weniger verlangt. Er stand hinten drin, hatte den Ball – und niemand wollte den Ball haben. Steffens Philosophie sieht vor, dass es Anspielstationen geben wird. Wenn es mal brennt, muss es auch mal der lange Ball richten, aber als Torwart tut man sich grundsätzlich weniger schwer, wenn es eine Anspielstation gibt.
Kann man den Umgang mit dem Ball am Fuß mit 28 Jahren noch lernen?
Auf jeden Fall, allerdings nicht im Torwarttraining selbst, sondern in Spielformen als Wandspieler. Dann kann man Passschärfe fördern, Freilaufverhalten – das Schauen in die Breite, nicht nur dorthin, wo der Ball ist. Das schärft die Sinne. Unser Ziel ist es, neue Automatismen zu entwickeln. Gerade in Stress-Situationen fällt man leicht in Muster zurück. Daran müssen wir arbeiten, dafür bin ich ja da.
Wie trainiert man Timing?
Ich sage meinen Jungs immer: Das Wichtigste ist, dass ihr steht, wenn der Schuss abgegeben wird. Denn wenn ihr dann noch in der Bewegung seid, habt ihr keine Chance. Es ist zwar grundsätzlich wichtig für einen Torwart richtig zu stehen, von der Position und vom Winkel her. Aber entscheidend ist, im Gleichgewicht zu stehen, fertig zu sein mit der Bewegung. Ich sehe viele Torhüter, die stürzen und stürzen, aber keine Chance haben, weil der Schuss längst abgegeben ist und sie dann nicht mehr reagieren können. Das geht in der Videoanalyse oder auch ganz einfach im Training, indem man hinter dem Tor steht und immer wieder sagt: „Steh, steh, steh!“
Ihr werdet von mir immer die Wahrheit hören
Weil die Stürmer in der Bundesliga so stark sind, dass sie einen Torhüter immer verladen können?
Ein Torhüter muss erreichen, dass der Schütze nicht weiß, was er tun soll. Wenn der Torhüter etwas anbietet, lupft der Angreifer drüber oder sucht sich eine Ecke aus. Deshalb ist es wichtig, reagieren zu können. Auch im Eins-gegen-Eins: Wenn ich da als Torhüter einfach stehen bleibe, erschrickt der Stürmer. Meistens wird man dann angeschossen.
Wie greift ein Torwarttrainer ein, wenn der Torhüter in ein Tief gerät?
Man versucht, die Sicherheit zurückzugeben. Das größte Problem für einen Torhüter ist das Nachdenken. Ein Torwart muss komplett abschalten können während des Spiels, es hilft nicht, über Situationen nachzudenken, die schon passiert sind.
Wenn es aber doch nicht läuft?
Ich habe den Torhütern hier gesagt: Ihr werdet von mir immer die Wahrheit hören. Ich will, dass sich die Jungs weiterentwickeln, da nützt es nichts, wenn ich ihnen Honig ums Mal schmiere, während sie einen Ball nach dem anderen durch die Hosenträger kassieren. Es gibt immer gute und schlechte Tage. Ich will einfach, dass sie immer Gas geben, immer weitermachen. Irgendwann kippt es dann wieder in die andere Richtung.
Kannten Sie Marvin Schwäbe bereits, ehe er jetzt zum FC wechselte?
Lustigerweise war er auch ein Thema in Stuttgart, als Gregor Kobel noch nicht unterschrieben hatte. Wenn man in Dänemark spielt, dort Pokalsieger und Meister wird, hat das etwas mit Qualität zu tun. Da oben im Norden geht es vor allem körperlich ganz schön zur Sache.
Über den DFB-Pokal müssen wir noch reden
Schwäbe hat gesagt, man habe ihm hier eine faire Chance versprochen. Dennoch geht Timo Horn als klare Nummer eins in die Saison.
Marvin hat aber auch gesagt, dass er weiß, dass Timo hier neun Jahre die Nummer eins war. Den Satz darf man dabei nicht vergessen. Als Profifußballer willst du immer spielen. Es wäre ja schlimm, wenn die Nummer zwei sagen würde, sie will nicht spielen. Dann hätte man den Beruf verfehlt. Trotzdem weiß er um seine Aufgabe.
Was macht man denn, wenn die beiden gleich gut sind?
Wenn die Nummer eins keine Fehler macht, kann ich sie ja schlecht auf die Bank setzen. Wenn beide gleich gut sind und die Nummer eins gut hält, spielt die Nummer eins. Das ist das Geschäft. Einen Torhüter wechselst du nicht von Spiel zu Spiel.
Außer im Pokal?
Darüber müssen wir noch mal im Trainerteam reden. Das ist noch nicht entschieden.
Sie haben mit Jonas Urbig auch einen Nachwuchstorwart dabei, den Jörg Jakobs schon als „Kronprinzen“ bezeichnet hat. Wie sehen Sie ihn bislang?
Er ist ein sehr talentierter Junge, aber klar ist auch: Bisher war das Jugendfußball, jetzt gehen wir in den Erwachsenenbereich. Wir müssen die körperliche Entwicklung abwarten. Der entscheidende Unterschied ist die Geschwindigkeit. Als ich beim FC Bayern noch als A-Jugendlicher mein erstes Bundesliga-Spiel machen durfte, stand ich zwar schon bei den Profis im Training. Als dann aber der Schiedsrichter das Spiel anpfiff, dachte ich, ich sei in einer anderen Welt. So schnell war das. Das Spieltempo ist noch einmal ganz anders als das Trainingstempo, selbst wenn man die Intensität im Training hoch hält. Jonas ist erst 17. Es wäre schade, wenn er schon fertig wäre. Dann hätte ich ja nichts mehr zu tun. (lacht)
Ich muss als Trainer auch ein Vorbild sein
Sie selbst scheinen einigen Wert auf Ihre Fitness zu legen, auch nach der Karriere…
Als Spieler war ich eine lauffaule Sau, sagen wir es, wie es ist. (lacht) Ich bin auch heute noch der Meinung, dass ein Torhüter kein Marathonläufer sein muss, sondern explosiv. Ich war nie der größte Torhüter, und man sagt ja: Länge kannst du nicht trainieren. Daher musste ich im Training springen, springen, springen. Erst nach der Karriere habe ich begonnen zu laufen – und mittlerweile fühle ich mich nicht mehr wohl, wenn ich nicht laufen gehen.
Aber Sie sehen nicht so aus, als ob Sie nur laufen gehen würden.
Klar macht man auch noch ein paar andere Übungen, aber ich finde, dass ich das auch muss. Ich muss als Trainer auch ein Vorbild für meine Spieler sein.
Sie haben 371 Pflichtspiele in Ihrer Karriere gemacht.
Viel zu wenige Bundesliga-Spiele. Das werfe ich mir vor. Aus dem, was ich konnte, habe ich zu wenig gemacht. Ich war zu brav.
Torwart zu sein, tut weh
Inwiefern?
Ich bin damals von den Bayern weg, weil Oliver Kahn kam und klar war, dass ich nicht spielen würde. Dann war ich in Bochum und hatte dort super Jahre. Leider habe ich mich dann verletzt, mein Ersatz hat es gut gemacht und ich habe nicht mehr gespielt. Das habe ich hingenommen, obwohl ich vorher die Nummer eins war. Dann kam das Angebot von Kaiserslautern als neue Nummer eins, und Otto Rehhagel hat mir gesagt: Herr Gospodarek – er hat ja alle Spieler gesiezt – ich setze Sie aufs Pferd, reiten müssen Sie selbst. Das Problem war, dass ich mir im zweiten Testspiel die Schulter gebrochen habe. Als ich wieder fit war, hatte ich noch kein Spiel gemacht, aber noch zweieinhalb Jahre Vertrag. In dieser Zeit habe ich nur noch sieben Spiele gemacht, mich aber mit meiner Situation stillschweigend abgefunden, dass ich auf der Bank gesessen habe. Das würde ich heute nicht wieder so machen.
Torhüter sind spezielle Charaktere.
Natürlich, du musst schon besonders sein, wenn du dir jeden Tag die Bälle vor den Latz knallen lässt. Hinfallen, aufstehen, hinfallen, aufstehen – das war immer mein Job. Für mich gab es nichts Schöneres als Bälle zu halten. Und das tut halt weh. Torwart zu sein, tut weh.
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