Seit dem 1. Juni ist Thomas Kessler Sportlicher Leiter der Lizenzspielerabteilung des 1. FC Köln. In dieser Funktion agiert der ehemalige Torhüter als Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainerteam und Geschäftsführung. Im ersten Teil des großen GBK-Interviews spricht der 35-jährige über seine neue Rolle und die größte Baustelle des Vereins. Teil 2 erscheint am Freitag.
Das Interview führten Sonja Eich und Marc L. Merten
GBK: Herr Kessler, Sie sind zum ersten Mal als Verantwortlicher und nicht mehr als Spieler in einem Trainingslager. Juckt es Sie da nicht manchmal in den Fingern?
THOMAS KESSLER: „Überhaupt nicht. Ich habe seit meinem Karriereende nicht einmal Torwarthandschuhe angehabt und nicht ein einziges Mal gekickt. Für mich war es die richtige Entscheidung aufzuhören.“
War es denn eigentlich Ihre eigene Entscheidung aufzuhören?
Am Ende schon, ja. Es war logischerweise nicht meine Entscheidung, beim 1. FC Köln keinen neuen Vertrag mehr zu bekommen. Dass ich meine Karriere beende, war natürlich meine Entscheidung. Ich hätte nochmal woanders spielen wollen, wenn es mich total gereizt hätte. Mitten in der Covid-Situation war es für mich aber ausgeschlossen, mit der Familie ins Ausland zu ziehen. Die Angebote, die es in Deutschland gab, waren für mich kein Anreiz weiterzuspielen.
Dann haben Sie direkt im Anschluss das Traineeprogramm beim FC begonnen.
Genau, vier Wochen nach meinem Karriereende ging es los. Man konnte ja ohnehin nicht in den Urlaub fahren. Und meine Wunschvorstellung, wenn ich mal aufhöre, eine Weltreise zu machen, zu essen, was ich will oder mich drei Wochen an den Strand zu legen, hat sich aufgrund von Corona nicht verwirklichen lassen. Irgendwann hole ich das nach.
Nach einem Jahr als Trainee sind Sie jetzt offiziell Sportlicher Leiter der Lizenzspielerabteilung. Vom Titel her sind Sie also der direkte Nachfolger von Frank Aehlig.
Nicht ganz. Er war Leiter der Lizenzspielerabteilung. Das war im Prinzip der Job, den Lukas Berg und ich jetzt gemeinsam ausfüllen. In Aufteilung und Umsetzung ist es aber nicht ganz vergleichbar. Das, was Lukas und ich jetzt machen, könnte man alleine nicht leisten.
Das wäre nicht zu bewerkstelligen
Bedeutet das, dass in der Zeit, in der Frank Aehlig hier war, einige Dinge liegen geblieben sind?
Nein, ganz und gar nicht. Das Stellenprofil zuvor war ein anderes. Mein Aufgabenfeld besteht darin, bei der Mannschaft zu sein und als Bindeglied zwischen Trainerteam, Staff, Geschäftsführung und natürlich auch den Spielern zu fungieren. Wenn man das in Personalunion macht und sich auch noch um alle administrativen Angelegenheiten kümmert, ist das nicht zu bewerkstelligen.
Können Sie das Dreieck zwischen Ihnen, Lukas Berg und Jörg Jakobs genauer beschreiben?
Jörg Jakobs ist interimsmäßig der Nachfolger von Horst Heldt. Das heißt, er ist hauptverantwortlich für alle sportlichen Geschicke. Lukas und ich sind beide Leiter des Lizenzbereiches. Lukas erklärt das immer so schön: Er hält den Laden auf der administrativen Seite am Laufen und alle sportlichen Fragenstellungen und Themen landen auf meinem Schreibtisch. Dabei sind wir beide immer auf dem gleichen Wissensstand und ergänzen uns so sehr gut.
Kaderplaner sind Sie aber noch nicht.
Ich bin in die Kaderplanung involviert, telefoniere täglich mit Beratern und Verantwortlichen, agiere aber nicht wie ein klassischer Kaderplaner oder Sportdirektor.
Mein Telefonbuch ist schon gut bestückt
Die Gespräche mit Beratern und Verantwortlichen bedürfen eines großen Netzwerkes. Wie tief sind Sie da schon drin?
Ich war 14 Jahre Profi. Das heißt, mein Telefonbuch ist schon gut bestückt. Es wird aber auch von Tag zu Tag größer. Der Vorteil meiner Position ist, dass sich viele Menschen bei mir melden und vorstellen. So wächst mein Netzwerk täglich.
Aus Ihrer Sicht als Ex-Profi, der den FC in- und auswendig kennt: Was sind die größten Baustellen und Probleme des Vereins?
Auf jeden Fall die Infrastruktur. Das ist eine Thematik, die hier seit Jahren vorangetrieben wird. Aber von Seiten der Politik wird uns immer wieder ein Stock zwischen die Beine geworfen. Ich bin in Köln geboren und verstehe die Zusammenhänge in dieser Stadt sehr gut. Wir haben den Dom, unseren geliebten Karneval und der FC ist unser Verein. Da kann ich es nicht verstehen, dass dem 1. FC Köln das Leben so schwer gemacht wird, sich zukunftsfähig aufzustellen. Es geht bei diesem Thema nicht um Luxus oder goldene Wasserhähne für unsere Spieler, sondern darum den Verein konkurrenzfähig zu halten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand in Köln Interesse daran hat, dass unser FC auf Dauer von der Konkurrenz abgehängt wird. Wir dürfen hier keine Zeit mehr verlieren.
Kommen wir zum Sportlichen. Sie kennen noch zahlreiche Spieler aus ihrer aktiven Zeit. Nach der erfolgreichen Ära unter Peter Stöger ist einiges innerhalb der Mannschaft zerbröckelt. Wie sehen Sie das heute?
Der sportliche Erfolg ist damals ausgeblieben. Dann wurden Personen und Positionen ausgetauscht. Man hat nie die Garantie dafür, dass es dann wieder erfolgreich wird. Wir müssen davon wegkommen, dass wir immer wieder Gefahr laufen, alles neu aufreißen zu müssen und von vorne beginnen zu müssen. Es würde dem Verein gut zu Gesicht stehen, dafür den Rahmen zu schaffen. Da geht es um eine Identität, die der Klub vorgibt. Wir wollen dahin kommen, dass wir das Personal langfristig entsprechend unserer Identität aussuchen. Das hat in den letzten Jahren so nicht stattgefunden.
Hier lest ihr Teil 2 des großen GBK-Interviews mit Thomas Kessler.
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