Seine aktive Zeit am Geißbockheim liegt schon über drei Jahrzehnte zurück. Damals, in den 1980ern, war der 1. FC Köln noch ein sportlich erfolgreicher Verein. 1989 verabschiedete sich Jürgen Kohler als Vizemeister aus der Domstadt in Richtung München. Aus dem Fokus geriet der FC beim Weltmeister und Champions-League-Sieger jedoch nie. Im Interview mit dem GEISSBLOG.KOELN spricht der 55-jährige über seine Sicht auf den FC und über die Perspektive für die Zukunft.
Das Interview führte Daniel Mertens
GBK: Herr Kohler, vier Jahre ist es jetzt her, dass sich der FC für den Europapokal qualifizierte. Hätten Sie damals eine derartige Berg- und Talfahrt in den folgenden Jahren für möglich gehalten?
JÜRGEN KOHLER: “Man darf nicht nur auf die Euro-League-Qualifikation schauen. Auch davor war der Verein in ähnlichen Situationen wie zuletzt in den beiden vergangenen beiden Jahren. Durch das Ausscheiden von Jörg Schmadtke sind dem FC einige Faktoren verloren gegangen. In der Vergangenheit war der 1. FC Köln immer dann erfolgreich, wenn man Spieler aus dem Juniorenbereich nach oben gezogen hat. Der FC steht für eine sehr gute Ausbildung und hat in dem Bereich auch sehr gute Mitarbeiter. Man muss sich aber dann auch mit einer Strategie auseinandersetzen und braucht mal zwei, drei, vier Jahre, um den nächsten Schritt gehen zu können. Ich weiß, dass das getrieben von Ergebnissen im Fußball fast unmöglich ist, aber Freiburg hat es zum Beispiel auch geschafft. Warum soll Köln es also nicht auch schaffen?“
Was müsste dafür geschehen?
Man braucht eine gewisse Kontinuität und Ruhe, ein gutes Miteinander der Vereinsführung und der Gremien. Manchmal hat man von außen den Eindruck, dass es zwischen den Gremien wilder zugeht als auf dem Fußballplatz. Den 1. FC Köln hat es immer ausgezeichnet, wenn man die gleiche Sprache spricht und den gleichen Weg geht. Als ich beim 1. FC Köln war, hatten wir acht oder neun Spieler, die aus Köln und der näheren Umgebung kamen. Damit schaffst du eine große Identität für die Menschen.
Diesen Weg will der FC jetzt wieder gehen, hat mit Steffen Baumgart einen Trainer geholt, der für Emotionen steht, aber auch für die Förderung von Talenten. Was trauen Sie dem FC unter ihm zu?
Mit Steffen haben sie einen Trainer gefunden, den es nicht interessiert, ob ein Spieler jung oder alt ist, sondern ob er die notwendigen Fähigkeiten hat oder nicht. Die Trainerwahl war gut. Steffen passt gut zum FC. Man muss ihm aber den Rücken freihalten, damit er sich bei so einem großen Klub zurechtfindet. Ich habe gelesen, dass man nichts mit dem Abstieg zu tun haben will. Ich finde die Formulierung nicht gut, denn sie impliziert umgekehrt, dass du eigentlich doch gegen den Abstieg spielst. Ich denke, dass der FC eine Mannschaft hat, die locker zwischen Platz 8 und 12 einlaufen kann.
Das ist sehr ambitioniert, wenn man die großen Probleme des Klubs sieht.
Eine gute Kaderplanung ist natürlich sehr wichtig. Aktuell hat der FC weit über 30 Spieler, das ist viel zu viel. Nun habe ich gelesen, dass Wolfsburg Sebastiaan Bornauw verpflichten will. Der Nachfolger wurde mit Timo Hübers aber bereits geholt. Damit gebe ich das Signal an Wolfsburg, dass ich eigentlich verkaufen muss. So bringe ich mich in eine ungünstige Verhandlungssituation. Ich hätte das anders gelöst.
Der FC hat viele Grabenkämpfe in der Führungsetage hinter sich. Horst Heldt wurde entlassen, der Vorstand sah sich großer Kritik ausgesetzt. Wie bewerten Sie die aktuelle Führung des FC?
Erst einmal wäre es gut, wenn man schnell eine dauerhafte Lösung nach dem Abgang von Horst Heldt präsentiert. Mit Jörg Jakobs und Erich Rutemöller ist Kompetenz vorhanden. Ob das jedoch ein dauerhaftes Modell sein kann, sehe ich skeptisch. Steffen Baumgart braucht jemanden, der ihm den Rücken freihalten und mit dem er sich über fußballerische Dinge auf Augenhöhe unterhalten kann. Das muss jemand sein, der nicht nur weiß, wie Fußball geschrieben wird, sondern im Idealfall auch selbst Fußballer war. Ich will damit nicht suggerieren, dass alle guten Fußballer automatisch gute Trainer oder Manager werden. Es ist aber auffällig ist, dass es in vielen Vereinen Quereinsteiger gibt, die nie selbst höherklassig gespielt haben und die nie selbst irgendwann mal im Fußballbereich tätig waren. So eine Expertise braucht es aber.
Glauben Sie, dass es dem FC gelingen wird das Fahrstuhlimage abzulegen? Der Vorstand hat immerhin zum Ziel ausgegeben, den Klub wieder unter den Top Ten der Bundesliga zu etablieren.
Es wäre schön, wenn der Verein an die erfolgreichen Zeiten aus den 1970ern und 1980ern anknüpfen könnte – und das ist möglich! Man muss ein nachhaltiges Konzept verfolgen. Nehmen Sie als Beispiele von damals Heinz Flohe, Toni Schumacher, Harald Konopka oder Gerd Strack – sie kamen alle aus Köln und der Umgebung. Sie haben die DNA und das FC-Gefühl mit sich getragen. Das wäre der richtige Weg. Dabei kann es auch Rückschläge geben, mittelfristig würde sich der Verein aber nach vorne entwickeln. Vielleicht ist der Wunsch da auch Vater des Gedankens, ich denke aber, dass der FC das schaffen kann. Man muss die Weichen stellen, mutig und konfliktfähig sein und eine gewisse Sturheit an den Tag legen. Der Verein muss den Takt vorgeben, nicht die Medien oder die Spielerberater. Im Moment kann man zwar keine großen Schritte machen, aber viele kleine führen auch zum Erfolg.
Eine persönliche Frage zum Abschluss: Sie waren zuletzt bis zum Sommer 2020 U19-Trainer beim FC Viktoria Köln. Was machen Sie seither?
Ich habe einige Sichtungen gemacht, die während der Pandemiezeit möglich waren. Ich habe mir Spiele der Regional- und Dritten Liga, aber auch im Nachwuchsbereich angesehen, um zu wissen, was in diesen Bereichen passiert. Zudem bin ich noch Unternehmer. Wenn interessante Angebote kommen, bewerte ich diese. Dies muss nicht zwingend ein Trainerjob sein, da ich in all den Jahren eine breite Palette an Funktionen im Fußball ausgeübt habe.
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