Steffen Baumgart, Thomas Kessler und Christian Keller. (Foto: Bucco)

Steffen Baumgart, Thomas Kessler und Christian Keller. (Foto: Bucco)

Kader lässt Fragen offen: Hält der FC die Power-Wochen durch?

Der 1. FC Köln hat nach einer eigentlich vielversprechenden Transferperiode einige Fragen offen gelassen. Ob der Kader den hohen Anforderungen und Belastungen in Bundesliga und Europa gerecht werden kann, wird sich schon bald zeigen. In jedem Fall bekommen zahlreiche Talente nicht die Zeit, die ihnen eigentlich versprochen wurde. Sie müssen nun praktisch sofort funktionieren. Eine kommentierende Analyse.

Nach dem 4:2 beim VfL Wolfsburg herrscht beim 1. FC Köln Hochstimmung. Die europäischen Wochen können mit Vollgas beginnen. Nizza macht den Anfang. Doch eine Frage bleibt vor den nun anstehenden Herbstwochen: Hält der FC die zehn Bundesliga- und sechs Conference-League-Spiele bei insgesamt sieben Englischen Wochen bis Mitte November durch?

Für so ein Programm braucht ein Klub eigentlich einen breiten Kader. Wie hart ein solches Programm sein kann, hat der FC alleine schon in den zwei Englischen Wochen mit den Playoffs gegen Fehérvár FC erlebt. Die Geißböcke waren danach körperlich derart erschöpft, dass man gegen Stuttgart bereits am 4. Spieltag aus dem letzten Loch pfiff. Dann kamen auch noch die Verletzungen hinzu. Nicht nur Mark Uth fehlt bis Oktober, sondern auch Benno Schmitz – Jeff Chabot und Mathias Olesen fehlen noch länger.

Soldo keine Sofort-Hilfe, Schindler kein Rechtsverteidiger

Trotzdem verzichtete der FC in der vergangenen Woche auf weitere Transfers. Stattdessen gab Köln drei weitere Spieler ab (Ehizibue, Arrey-Mbi, Hauptmann) und holte mit Nikola Soldo lediglich einen Bundesliga-unerfahrenen Nachwuchsverteidiger. Soldo mag zwar perspektivisch ein hochspannende Verpflichtung sein. Eine Sofort-Hilfe ist er aber nicht. Das hat Sportchef Christian Keller selbst angedeutet. Dafür fehlen dem Spieler noch das für Steffen Baumgart so wichtige körperliche Spiel sowie die Erfahrung mit der hohen Intensität auf Bundesliga-Niveau.

Darüber hinaus lässt der derzeit verfügbare Kader (ohne die aktuell Verletzten) die Position des Rechtsverteidigers fast völlig offen. Das mag nach dem guten Auftritt von Kingsley Schindler gegen Wolfsburg hart klingen. Doch Fakt ist: Schindler hat diese Position noch nie auch nur zwei Bundesliga-Spiele hintereinander gespielt, insgesamt beim FC in über drei Jahren nur sieben Mal (davon vier Mal als Joker) und ist in seiner Profi-Karriere fast ausschließlich offensiv zuhause gewesen. Nur in den Anfängen seiner Laufbahn spielte er hinten rechts, dies aber in der Regionalliga. Der Durchbruch gelang ihm erst als offensiver Rechtsaußen.

Alternativen zu Schindler im Check

Nun sind Positionswechsel in den Karrieren vieler Fußballer normal. Und Baumgart sagte nach dem Wolfsburg-Spiel: „King hat bewiesen, dass er das kann.” Doch der FC muss sich diese Saison nicht nur jedes Wochenende in der Bundesliga beweisen, sondern unter der Woche auch noch auf der europäischen Bühne. Daher überrascht es, dass Sportchef Christian Keller erklärte: “Wir haben rechts überhaupt keine Notwendigkeit [für einen Transfer] gesehen.”

Das Vertrauen in Schindler mag Baumgarts und Kellers Umgang mit den Spielern passen. Die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr von Benno Schmitz mag gerechtfertigt sein. Fragwürdig sind allerdings die Aussagen der FC-Verantwortlichen zu den weiteren Alternativen, falls Schindler keine fünf Spiele in 15 Tagen absolvieren kann: Georg Strauch wurde bereits in der Vorbereitung aussortiert. Denis Huseinbasic feierte erst in Wolfsburg sein Profi-Debüt und wäre hinten rechts völlig positionsfremd. Selbst Keller sagte: “Denis kann das spielen, auch wenn er es noch nicht gemacht hat.” Und Dejan Ljubicic wird ohnehin schon von einer Position auf die nächste geschoben, weil er durch die zahlreichen Ausfälle im Mittelfeld überall gebraucht wird. Zudem ist das letzte (und bislang einzige) Mal, dass Ljubicic hinten rechts ran musste (bei Union Berlin), noch in keiner allzu guten Erinnerung.

Ehizibue-Transfer bleibt nachvollziehbar

Dagegen steht außer Frage, dass der Verkauf von Kingsley Ehizibue nachvollziehbar war. Der FC kassierte über eine Million Ablöse und spart ca. eine Million Gehalt ein. Selbst wenn man die Soldo-Verpflichtung (Ablöse plus ein Jahresgehalt) gegen rechnet, bleibt für den FC noch immer ein satter Gewinn. Zudem sagte Keller: „Wenn ich etwas zugesagt habe, habe ich es zugesagt. Mit dem Klub war alles vereinbart, er war am Sonntag schon auf den Weg nach Udinese. Es wäre unprofessionell gewesen, einen Rückzieher zu machen.”

Dennoch bleibt die Frage: Warum hat der FC hinten rechts nicht einmal nach einem Leihspieler gesucht, um die Qualität kurzfristig zu heben und die Lücke zu schließen? Auch auf weiteren Positionen setzt der FC darauf, dass unerfahrene Spieler sofort funktionieren. Soldo könnte sofort gefragt sein, um Kilian und Hübers zu entlasten, obwohl einem 21-jährigen aus der kroatischen Liga im Normalfall eine Eingewöhnungszeit von mindestens einem halben Jahr zugestanden würde. Dasselbe gilt für Eric Martel, Denis Huseinbasic, den nun verletzten Mathias Olesen sowie für Florian Dietz und Steffen Tigges.

Talente bekommen keine Zeit

Vor wenigen Wochen noch hatte Baumgart erklärt, dass Dietz und Tigges nicht sofort helfen müssten, sondern erst in einigen Monaten und auf Jahre hinweg wichtig für den FC werden könnten. Nun müssen sie sofort für die Tore sorgen, weil kein anderer Angreifer mehr da ist. Dies kann freilich, genauso wie das Experiment mit Schindler hinten rechts, gut gehen. Und doch ist schon jetzt klar: Eigentlich wollte der FC jungen Spielern wie Tigges, Dietz, Olesen, Martel, Huseinbasic und Soldo die Zeit geben, um sich in Köln, in der Bundesliga und auch in Europa zurecht zu finden. Stattdessen müssen sie nun aus dem Nichts die Rolle von Hoffnungsträgern erfüllen.

Es wäre ihnen und dem FC zu wünschen, wenn sie dieser Bürde sofort gewachsen wären und die Anforderungen und Belastungen wegstecken können. Das Risiko jedoch bleibt – insbesondere in den so harten Wochen bis November, in denen die Spieler körperlich und mental an ihre Grenzen geführt werden dürften.

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