Der 1. FC Köln war zweifellos die negative Überraschung der jüngst beendeten Saison in der Frauen-Bundesliga. Nach dem souveränen Klassenerhalt im Vorjahr legte der Kaderumbruch im vergangenen Sommer den Grundstein für den Absturz. Eine Analyse.
Im Dezember 2021 sah man am Geißbockheim ausschließlich strahlende Gesichter. Nach dem 2:1-Heimerfolg zum Jahresabschluss kurz vor Weihnachten gegen die SGS Essen hatte der 1. FC Köln zur Winterpause 13 Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Der damalige Liganeuling hatte bereits zum Weihnachtsfest Planungssicherheit für die kommende Saison.
Im zweiten Jahr sollte eigentlich der nächste Schritt folgen. Zwar gab der damalige Trainer Sascha Glass weiterhin den Klassenerhalt als offizielles Ziel aus, doch insgeheim hoffte man am Geißbockheim auf den Vorstoß ins gesicherte Mittelfeld.
Kader unzureichend zusammengestellt
Der Grund für die öffentliche Zurückhaltung von Sascha Glass lag derweil im Kaderumbruch begründet. Das erfolgreiche Team der Saison 2021/22 wurde auseinandergerissen, elf Spielerinnen verließen den Verein. Dazu zählten mit Peggy Kuznik, die ihre Karriere beendete, die Kapitänin, mit Rachel Rinast eine Identifikationsfigur des FC und mit Pauline Nelles ein hoffnungsvolles Eigengewächs, das studienbedingt in die USA zog.
Dafür verpflichtete der Verein gleich ein Dutzend neue Spielerinnen. Das Credo lautete: Der Umbruch muss früher oder später ohnehin erfolgen, also machen wir ihn jetzt. Mit jüngeren Spielerinnen sollte der FC zukunftsträchtig aufgestellt werden.
Doch schnell entpuppte sich der neue Kader als unzureichend zusammengestellt. Unter den zwölf Neuen waren mit Lilith Schmidt, Emma Lattus und Sandra Walbeck beispielsweise drei Juniorinnen, an denen der FC in der Zukunft zwar noch große Freude haben könnte, die aufgrund ihres jungen Alters aber noch keine sofortige Verstärkung sein konnten. Selina Cerci fiel zudem aufgrund ihres Kreuzbandrisses noch für viele Monate aus. Damit war ein Drittel der Neuzugänge nur ein Versprechen für die Zukunft.
FC beraubte sich eigenen Stärken
Dem Kader merkte man diesen Aderlass an. Dem Trainer, der zusammen mit der damaligen Sportlichen Leiterin Nicole Bender-Rummler den Kaderumbruch vorangetrieben hatte, fehlte es oftmals an Alternativen auf der Bank, die Mannschaft stellte sich mehr oder minder von allein auf.
Zudem beraubten sich die Kölnerinnen ihrer eigenen Stärken: Sarah Puntigam, ein weiterer namhafter Sommer-Neuzugang, wurde nahezu durchgängig in der Innenverteidigung eingesetzt. Dort offenbarte die österreichische Rekord-Nationalspielerin jedoch mehrfach sichtliche Schwächen, sah bei einigen Gegentoren nicht gut aus. Auf der Sechs wäre Puntigam deutlich besser aufgehoben gewesen und hätte dem Team wesentlich mehr geholfen.
Myrthe Moorrees hingegen, gelernte Innenverteidigerin, kam kaum noch zum Einsatz. Dies war doppelt ärgerlich, ist die Niederländerin doch auch eine Freistoß-Spezialistin und zudem bei eigenen Standards eine gefährliche Kopfballspielerin.
Trennung von Glass kam zu spät
In der Offensive fehlte es dem FC jedoch deutlich an Durchschlagskraft. Die Kölnerinnen blieben zwischenzeitlich 925 (!) Minuten ohne eigenen Treffer. Insbesondere, aber nicht nur in dieser Phase der Saison, präsentierte sich das Team vor dem gegnerischen Tor viel zu zaghaft, harmlos und bisweilen sogar ängstlich. Eine klare Spielidee, wie der Ball gefährlich in des Gegners Strafraum gebracht werden sollte, war viel zu lange nicht zu erkennen.
Die Trennung von Sascha Glass, der angesichts der zwischenzeitlichen Sieglos-Serie zunehmend ratlos wirkte, erfolgte viel zu spät. Allerspätestens nach dem desaströsen 0:4-Auftritt in Essen nach der Winterpause hätte der Verein die Reißleine ziehen müssen. Stattdessen gingen aber noch vier weitere Ligaspiele sowie das Pokalduell gegen Wolfsburg ins Land, ehe Glass fast sieben Wochen später doch freigestellt wurde.
Der Kölner Absturz war unterm Strich das zwangsläufige Resultat einer ganzen Reihe von falschen Entscheidungen bei der Kader-Zusammenstellung, der taktischen Aufstellung und Ausrichtung. Die Fehler wurden aber zwischenzeitlich erkannt, was insbesondere der FC-Geschäftsführer Christian Keller im Saisonverlauf öffentlich zum Ausdruck gebracht hatte. Werden die Baustellen in diesem Sommer geschlossen, könnte der 1. FC Köln in der Saison 2023/24 in ruhiges Fahrwasser vordringen.
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