Der Vorstand des 1. FC Köln sieht den Club auf einem guten Weg. Viele Fans schütteln dagegen nur noch den Kopf. Die FC-Führung sollte sich endlich eingestehen, dass sie ein massives Vertrauensproblem hat. Dieses kann nur noch auf einem Weg gelöst werden – wenn überhaupt.
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Als am Mittwochabend die Postfächer der Mitglieder des 1. FC Köln mit dem neuesten Newsletter des Vorstands befüllt wurden, wusste so mancher FC-Fan nicht, was er damit anfangen sollte. In den Sozialen Netzwerken gab es von den erwarteten Verrissen bis zu der erwarteten Rückendeckung alles. Am meisten schien aber ein Gefühl zu überwiegen: Skepsis.
Es waren Sätze wie “Auf einmal schien alles in Frage zu stehen” oder “Wir haben […] hinterfragt, ob der FC sportlich noch auf dem richtigen Weg ist”. Ganz so, als habe es keine Misstrauensvotum auf der Mitgliederversammlung gegeben. Ganz so, als habe beim FC in den letzten Monaten nichts in Frage gestanden. Ganz so, als befinde der FC sich sportlich eigentlich längst wieder auf einem steilen Weg nach oben.
Absurde Freude über “professionelles Scouting”
Stattdessen freute sich der Vorstand beispielsweise darüber, dass viele eigene Talente in der Männer-Mannschaft eine Rolle spielen. Ganz so, als stünde dies nicht in direktem Zusammenhang mit den jahrelangen Fehlern auf dem Transfermarkt. Diesbezüglich hob der Vorstand sogar stolz hervor, dass der FC endlich über ein “professionelles Scouting” verfüge – man beachte dabei: nach über fünf Jahren im Amt und im Jahre des Fußballherrn 2024. Was der FC vorher so getrieben haben muss, nun ja, man hat es mitbekommen.
Dabei darf sich der FC tatsächlich für so manches rühmen – für die finanzielle Sanierung (ja, auf Kosten der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit, aber immerhin ist der Club auf dem Weg zur Schuldenfreiheit), für die dringend benötigten Renovierungen am Geißbockheim, für die Fortschritte in den Verhandlungen mit der Stadt, für die großen Sprünge in der Vermarktung. Es wäre aber zu begrüßen, wenn der 1. Fußball-Club Köln endlich wieder auf das schauen würde, was den Kern des Geschäfts ausmacht: den Fußball.
Der Absturz unter Christian Keller
Denn wenn es in diesem Newsletter heißt, “der FC steht kurz davor, dass die Maßnahmen greifen”, reibt sich so manches Mitglied die Augen. Anders ausgedrückt: Die FC-Fans sind nicht mehr bereit, solche Äußerungen ohne jeden sichtbaren Beleg auf dem Rasen einfach so hinzunehmen. Sie haben längst eine grundsätzliche und gut begründete Skepsis gegenüber praktisch allem entwickelt, was dieser Vorstand vorantreibt. Ein Problem, welches sich der Vorstand – zusammen mit dem Mann, an dem sich große Teile dieser Skepsis festmachen: Christian Keller – selbst zuzuschreiben hat.
Zur Erinnerung: Keller kam als vom Vorstand gepriesener “10 von 10”-Sportchef am Ende der Saison 2021/22. Er übernahm die FC-Männer auf Platz 7 in der Bundesliga und führte sie aus der Conference League in die 2. Liga. Inzwischen ist der dritte Trainer am Werk. Parallel übernahm Keller die FC-Frauen nach deren bester Saison der Vereinsgeschichte und blickt nun auf einen Trümmerhaufen, der den Namen Bundesliga-Mannschaft nicht mehr verdient. Hier wird der dritte Trainer inzwischen händeringend gesucht.
Gleichzeitig macht der Vorstand aus dem Vertrag von Keller ein Staatsgeheimnis, zieht sich auf juristische Begründungen zurück und verweigert genau das, was er den Mitgliedern versprochen hatte: Transparenz. Während andere Clubs bei Verlängerungen mit den Sportchefs sogar extra Pressekonferenzen einberufen, schweigt man beim FC und hält das für professionell.
In den vergangenen Monaten hatten Vorstand und Geschäftsführung vieles versucht, um das Vertrauen der Mitglieder in die handelnden Person wieder aufzubauen. Die Krise rund um Darmstadt und Paderborn hat jedoch gezeigt, was es genutzt hat. Die drei jüngsten Siege halfen zwar zur Beruhigung, nicht jedoch zur Beseitigung der Skepsis.
Vorstand baut für nächste Krise vor
Die Frage lautet nun: Kann diese Skepsis überhaupt noch einmal vertrieben werden? Wenn überhaupt, so könnte dies nur durch sportlichen Erfolg gelingen – und damit ausschließlich mit dem sofortigen Wiederaufstieg der Männer in die Bundesliga. Keller müsste im Januar beachtliche Transfers tätigen, der Vorstand würde daraufhin mit diesem verlängern und hoffen, dass am Ende alles gut geht.
Doch daran glaubt offenbar selbst der Vorstand nicht. Hieß es doch abschließend in dem Newsletter: “…auch wenn wir alle wissen, dass es im Laufe der Saison wieder sportliche Durststrecken geben wird”. Wer nach einer gerade überstandenen Krise bereits für die nächste vorbaut, muss sich nicht wundern, wenn kein Vertrauen entsteht.
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