Die U19 des 1. FC Köln kämpft um den Pokal-Sieg und um die Deutsche Meisterschaft. Im Interview erklärt Stefan Ruthenbeck, was ihm wichtiger wäre als der historische Gewinn des Doubles.
Das Interview führten Sonja Eich, Josef Diller und Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Ruthenbeck, aufgrund der Länderspielpause fehlen Ihnen aktuell einige Spieler. Wie läuft die Vorbereitung auf das Halbfinale im DFB-Pokal und die Finalrunde um die Deutsche Meisterschaft?
STEFAN RUTHENBECK: „Wir hätten die Jungs natürlich am liebsten alle bei uns. So muss es aber im Jugendfußball sein – du hast Jungs, die Nationalspieler sind. Steffen Baumgart und sein Team nutzen die Länderspielpause auch, um die jungen Spieler kennenzulernen und die Entwicklung zu beobachten. Das ist normal, da beschweren wir uns nicht.“
Die Plätze 6 und 7 gleichen aktuell einer Baustelle. Ein Trainingsbetrieb ist dort nicht möglich. Welchen Einfluss hat das auf die Vorbereitung?
„Wir trainieren auf Kunstrasen, das ist für uns aber nichts Neues. Wir sind froh, dass die Plätze endlich neu gebaut werden. In den Osterferien können wir auch vormittags trainieren, da gehen wir auf Trainingsplatz 2. Vielleicht ist auch das Franz-Kremer-Stadion mal eine Option. Wir hatten in den letzten vier Monaten selten einen kompletten Platz zur Verfügung, haben oft auf Kunstrasen trainiert. Dass wir trotzdem dort stehen, wo wir jetzt stehen, ist deshalb eine Sensation.“
Es stehen spannende Wochen bevor. Liegt Ihr Fokus komplett auf dem Spiel gegen Hertha, oder haben Sie Mainz auch schon im Blick?
„Sie werden jetzt sagen: Der Ruthenbeck redet doch Schwachsinn. Aber der Fokus liegt darauf, die Jungs besser zu machen. Natürlich wollen wir so gut wie möglich abschneiden. Wenn aber ein Damion Downs oder Justin Diehl bei den Profis spielen kann, hat das immer Priorität. Dann haben wir schon viel erreicht. Es darf nicht sein, dass der Fokus voll auf den kommenden Spielen liegt und Steffen deshalb keine Spieler zu sich holen kann. Wenn Damion bei uns dabei ist, ist das super. Wenn nicht, muss es ein anderer richten. Egal, wer spielt: Das sind super Spiele. Aber sie sind dafür da, um die Spieler besser zu machen.“
Trotzdem kann der FC neben der Weiterentwicklung der Spieler auch zwei Titel holen.
„Das wird mir zu hoch gehängt. Klar, es wäre schön, das Double zu holen. Aber wenn aus der Mannschaft später mal keiner in der Bundesliga spielt, wäre das alles für mich wertlos. Für den Verein wären Titel toll. Aber es geht darum, die Jungs in den Profibereich zu bekommen und somit eine hohe Identität mit dem FC zu schaffen. Das hat Priorität. Dafür helfen uns die Spiele. Für die Jungs ist das natürlich etwas ganz Besonderes, aber schlussendlich geht es darum, ihnen aufzuzeigen, dass sie vielleicht in den Profibereich kommen können.“
Dann muss es sowieso das Ziel sein, in die Finals zu kommen, oder? Denn da herrscht nochmal eine ganz andere Drucksituation.
„Das ist genau der richtige Ansatz. Es geht nicht um den Pokal, sondern um den Druck in einem Finale – um die Situation ‘Heute können wir was verlieren’. Niemand möchte in einem Endspiel den zweiten Platz erreichen. Für mich als Trainer ist wichtig, wie die Spieler damit umgehen. Da merkt man, dass es um die Wurst geht. Wenn dann ein Spieler die richtige Mentalität zeigt, ist das auch ein Faktor im Hinblick auf seine Chancen bei den Profis. Ich bin heiß auf die Spiele, um zu sehen, wie die Jungs mit der Situation umgehen.“
Sehen die Spieler das denn auch so?
„Nein, natürlich nicht. Für viele von ihnen ist es die letzte Chance, einen Titel im Jugendbereich zu holen. Das nehme ich ihnen nicht. Sie wollen am liebsten beide Titel gewinnen. Ob es am Ende dafür reicht, sehen wir dann. Als wir gemerkt haben, dass wir Deutscher Meister werden können, haben wir ganz klar gesagt, dass das unser Ziel ist. Ich bin überhaupt nicht enttäuscht, wenn das in die Hose geht. Aber ich habe dann eine Grundlage, um zu bewerten, wie die Jungs sich entwickelt haben.“
Können Sie ein Beispiel aus früheren Jahren nennen?
„Ich hatte einen Spieler, der mittlerweile sehr hoch im Ausland spielt. Wir hatten das letzte Spiel um den Einzug ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft gegen Leverkusen verloren. Er ist leicht angeschlagen ins Spiel gegangen und war der schlechteste Mann auf dem Platz. Wir haben vorher gesagt, er soll selbst entscheiden, ob er spielt. Er hat sich falsch entschieden. Noch heute ist das ein Thema, wenn wir miteinander sprechen. Das macht er nie mehr, denn er hatte seinen Einfluss darauf, dass wir es nicht geschafft haben. Da hätte er Größe beweisen müssen. Heute weiß er, er muss sich immer entsprechend vorbereiten.“
Was braucht es, um Profi zu werden, Herr Ruthenbeck?
Sie haben gerade in der Offensive auffällige Einzelspieler. Was aber zeichnet die Mannschaft aus?
„Das sehe ich gar nicht so. Klar, der ein oder andere hat sich herauskristallisiert. Aber: Das letzte Spiel gegen den Tabellenletzten Hilden (5:0-Sieg, Anm. d. Red.) ist das beste Beispiel. Wir haben mehr Fouls als der Gegner gezogen. Die Mentalität, die diese Gruppe hat, ist in ihrer DNA. Da sind schon ein paar richtige Männer dabei. Die wissen, wie man so ein Spiel zu spielen hat, um es zu gewinnen. Das ist der Unterschied zum vorherigen Jahrgang, der war verspielter. Da waren ganz viele hochtalentierte Jungs dabei. Die haben wir jetzt auch, aber die werden von den anderen eingefangen. Das ist schon eine sehr starke Gruppe. Im Training fallen auch mal Worte, die da nicht hingehören. Die Mannschaft ist nicht einfach zu führen, muss immer wieder ermahnt und diszipliniert werden. Aber so spielen sie auch Fußball.“
Auf wen wird es in den kommenden Spielen ankommen?
„Zu 100 Prozent auf die Gruppe. Natürlich kann eine individuelle Aktion der Dosenöffner in einem Spiel sein. Bei Hertha oder Mainz gibt es keine Schwachstelle, keinen Spieler, der nicht gut ist. Wir haben gegen Dortmund 1:1 gespielt, da waren Jungs dabei, die schon Bundesliga und Dritte Liga gespielt haben. Da kann man nicht einfach sagen: ‚Die machen wir weg!‘ Es geht darum, die Situationen als Gruppe zu lösen, mit und gegen den Ball. Ein Justin Diehl kann nur so gut sein, weil ein anderer für ihn defensiv aufpasst.“
Kann Damion Downs, der jetzt lange raus war, Ihr Ass im Ärmel werden?
„Na klar! Er kann den Unterschied machen. Damion kommt aber auch erst jetzt wieder und braucht eine Bindung zur Mannschaft. Da müssen alle ihren Beitrag leisten, damit er uns helfen kann. Er wird nicht in der Lage sein, direkt nur richtige Entscheidungen zu treffen. Das muss die Mannschaft auffangen.“
Wie hat sich Downs in Ihren Augen entwickelt? In der letzten Saison hatte man das Gefühl, er ist nicht richtig ins Spiel eingebunden.
„Das sehe ich komplett anders. Bei Damion hat es gedauert, bis er verstanden hat, wie unser Spiel funktioniert. In Ingolstadt war das Spiel anders auf ihn ausgelegt. Damion hat aber auch eine Verletzungshistorie, weshalb er nie so viel Spielzeit hatte. Seine Körperlichkeit, Technik und Abschlussqualität sind etwas Feines. Mir war immer klar, dass er Fußballprofi wird. Er hat die Voraussetzungen. Wie hoch er am Ende spielen wird, liegt an ihm.“
Was braucht es, um es zu schaffen?
„Es gibt immer Spieler, die in der U19 nicht so auffällig waren und dann in der Ersten oder Zweiten Liga funktionieren. Es gibt auch Spieler, die sich im Profifußball leichter tun als in der U19. Aber es ist nicht gegeben, dass ein herausragender U19-Spieler Profifußballer wird. Nur, weil ein Spieler 25 Tore in der U19 schießt, muss er nicht direkt hoch in den Profibereich. Da muss man genauer hinschauen. Dann sieht man vielleicht, dass ein Spieler, der in der U19 etwas unauffälliger ist, aber das Potenzial hat – wie Mathias Olesen – doch eher oben ankommen kann.“
Die gute Arbeit, die der Verein im Jugendbereich leistet, wird gesehen. Gibt es da auch mal Anfragen anderer Vereine für die Nachwuchstrainer?
„Ich kann nur für mich sprechen: Natürlich kommen Anfragen, auch von großen Vereinen. Aber ich bin sehr glücklich in Köln, genieße hier enorme Wertschätzung. So geht es nicht nur mir. Aktuell stellt sich die Frage für mich nicht, woanders zu arbeiten. Mir ist eins wichtig: Die U19 wird oft mit mir in Verbindung gebracht. Es sind aber so viele Trainer daran beteiligt, wenn man etwas gewinnt. Wir haben wirklich gute Leute und viele Spezialisten für die einzelnen Altersgruppen.“
Wie ist das Verhältnis innerhalb des NLZ?
„Sehr familiär. Wir sind alle befreundet. Das läuft wie aus einem Guss. Ich habe bei anderen Stationen schon viel erlebt: Es gibt Neider, der eine Trainer meckert über den anderen. So läuft leider das Business. Das ist beim 1. FC Köln definitiv nicht so. Wir gehen auch mal was essen oder ein Bier trinken. Wir machen uns jeden Tag zusammen Gedanken, diskutieren über die verschiedenen Bereiche. Das ist nicht selbstverständlich.“
Wie planen Sie für die kommende Spielzeit hinsichtlich des Personals?
„Wir werden, wie letztes Jahr, nicht viele Spieler von extern dazu holen. Wir verpflichten keine Spieler von Ajax Amsterdam oder PSG – wir holen die Jungs aus Unterrath oder von Eintracht Trier und in der Regel nicht mehr als zwei bis vier. Wir sind abhängig davon, was meine Trainerkollegen in den unteren Mannschaften machen. Und die machen richtig gute Arbeit.“
Mit Blick auf die kommenden Gegner: Sind Hertha und Mainz aktuell die besten U19-Mannschaften in Deutschland?
„Dortmund ist noch ein bisschen reifer, aber Mainz hat mit Benjamin Hoffmann einen Trainer, der schon mal Deutscher Meister wurde. Das ist kein Zufall. Für Jugendfußball ist das schon sehr gut, was sie machen. Dortmund wirkt körperlich stark und sehr schnell, Mainz hat fußballerisch nochmal ganz andere Lösungen drauf.“
Wenn Sie im Finale um die Meisterschaft auf Dortmund treffen würden, wären Sie sogar erneut in der Youth League vertreten, oder?
„Ja, das wäre toll. Es war damals eine sensationelle Erfahrung – auch für die Spieler.“
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