[nextpage title=”Die Ursprünge und Anfänge des Absturzes”]
Als der 1. FC Köln am 20. Mai 2017 erstmals seit 25 Jahren wieder in einen europäischen Wettbewerb einzieht, kann noch niemand ahnen, dass sich dieses Ereignis als Segen und Fluch zugleich erweisen wird. In den kommenden sieben Monaten erlebt der Effzeh einen nie da gewesenen Absturz. Die Chronik eines Niedergangs.
Die Sommerpause
Noch am Tag des größten Erfolgs seit 25 Jahren geht etwas kaputt. Wirklich erkennbar wird dies aber erst Monate später. Peter Stöger ist kräftemäßig am Ende. Aber auch die Mannschaft, die eigentlich feiern will, muss zu einer China-Reise aufbrechen, auf die niemand Lust hat. Die folgenden Wochen werden statt von Freude über den Erfolg überschattet von einem unsäglichen Transfertheater um Anthony Modeste. Zu allem Überfluss lassen es sich einige FC-Profis im Urlaub zu gut gehen. Statt sich professionell auf die neue Saison vorzubereiten, lassen sie es schleifen. Das soll weitreichende Folgen haben.
Die Vorbereitung
Die Vorbereitung beginnt mit dem nicht enden wollenden Theater um Modeste, ehe der Franzose während des ersten Trainingslagers tatsächlich nach China wechselt. In dieser Phase arbeiten die FC-Profis an ihrer Fitness für die Dreifachbelastung. Doch Stöger ahnt, dass einige Spieler körperlich den Anforderungen hinterher hinken. Zu allem Überfluss reißt im Stillen das Tischtuch zwischen dem FC-Coach und Sportchef Jörg Schmadtke. Die getätigten Transfers werden zu Streitpunkten, obwohl ein halbes Jahr später klar werden wird, dass zumindest Jannes Horn und Jorge Meré gute Investitionen sind. Entscheidend aber ist: Jhon Cordoba ist ursprünglich lediglich als Ergänzung zu Modeste im Sturm eingeplant. Der eigentliche Ersatz aber kommt nie. Andere Spieler ebenfalls nicht – die Spieler, die gebraucht werden: ein weiterer Mittelstürmer, ein torgefährlicher Flügelspieler und ein Sechser. Die Optionen, die sich Schmadtke überlegt hat, platzen. Stattdessen kommt mit Tim Handwerker nur noch ein Jugendspieler. Nachwuchs und Talent statt Bundesliga-Erfahrung und Stärke auch in der Breite – Stöger ist unzufrieden, behält dies aber für sich, Schmadtke hingegen setzt nicht um, was möglich gewesen wäre. Fehler, die sich rächen werden und sich bereits in der Vorbereitung andeuten. Nur ein Sieg in den Testspielen, selbst gegen Regionalligisten ist der FC nicht in der Lage Tore zu erzielen. Das Drama beginnt.
Pleitenserie zum Saisonstart
Nach dem Pflichtsieg im DFB-Pokal gegen Lehe kassiert Köln direkt die ersten Pleiten in der Liga. Ein 0:1 im Derby in Gladbach, obwohl die Chancen vor dem gegnerischen Tor da sind. Ein 1:3 gegen den HSV, obwohl Hamburg in der ersten Hälfte nur zweimal aufs Tor schießt, aber doppelt trifft. Der FC dagegen versagt in der Offensive. Noch schlimmer aber beim 0:3 in Augsburg: Jhon Cordoba und Yuya Osako liefern die erste symptomatische Szene der Saison, zu zweit vor dem gegnerischen Torwart schaffen sie es nicht zu treffen. Im direkten Gegenzug fällt das 0:2. So wird der Europa-Auftakt beim FC Arsenal zwar zu einem Fan-Fest, doch neben dem 1:3 bei den Gunners verletzt sich Jonas Hector schwer und fällt den Rest des Jahres aus. Dem Verletzungsschock folgt der erste Tiefpunkt: ein 0:5 bei Borussia Dortmund, blamabel und erstmals auch mit selbst geäußerten Zweifeln an der psychologischen Krisenfestigkeit der Mannschaft.
[nextpage title=”Die Herbstdepression mit dem Schmadtke-Beben”]
Herbstdepression und der Abschied von Rolf Herings
Die Serie der Rückschläge geht weiter. Und wie! Das 0:1 zuhause gegen Eintracht Frankfurt ist die fünfte Pleite im fünften Bundesliga-Spiel. Der Videobeweis gerät ins Visier der Kölner, weil VAR Wolfgang Stark offenbar an diesem Tag anderes vor hatte. Im nächsten Spiel holen die Kölner zwar den ersten Punkt mit einem 0:0 in Hannover. Doch weil Yuya Osako eine Riesenchance vergibt und Marcel Risse am nächsten Tag erneut am Knie operiert werden muss, sinkt die Stimmung auf den Nullpunkt. Das bekommt das Präsidium bei der Mitgliederversammlung zu spüren, insbesondere Werner Spinner gerät in die Kritik der größten Versammlung in der Vereinsgeschichte. Der verbale Schlagabtausch um die Initiative “100% FC” spaltet den Klub. Es folgen die nächsten Tiefschläge. Der FC erlebt im ersten Europa-Heimspiel seit 25 Jahren gegen Belgrad ein 0:1. In der folgenden Nacht verstirbt Torwartlegende Rolf Herings. Am nächsten Tag muss der FC das Karriereende von Artjoms Rudnevs verkünden, stellt gleichzeitig aber Claudio Pizarro als Hoffnungsträger vor. Dieser wird zwei Tage später gegen RB Leipzig eingewechselt, weil sich Jhon Cordoba verletzt und länger ausfällt.
Jörg Schmadtke verlässt den FC
In der Länderspielpause steigen die Spannungen im Klub, der Misserfolg fordert seinen Tribut. Die Probleme zwischen Stöger und Schmadtke sind inzwischen offensichtlich, auch die Mannschaft steht nicht mehr so zusammen, wie sie es in den Vorjahren demonstriert hatte. Der nächste Tiefschlag folgt unmittelbar. Beim VfB Stuttgart verliert Köln mit 1:2, nachdem den Geissböcken in der Schlussminute ein Elfmeter per Videoentscheid verwehrt wird und in der Nachspielzeit der zweite Gegentreffer fällt. Davon erholt sich die Mannschaft zunächst nicht, liefert in Borisov einen Offenbarungseid ab, der erstmals bei den Fans zu Schmadtke-raus-Rufen führt. Dieser wird am Morgen vor dem Spiel im intensiven Austausch mit Präsident Werner Spinner beobachtet. Viele deuten dieses Gespräche als Vorbote dessen, was vier Tage später kommen wird. Am folgenden Sonntag soll Claudio Pizarro gegen Bremen den FC zum ersten Bundesliga-Sieg schießen. Doch er verletzt sich vor Spielbeginn. Für ihn stürmt Sehrou Guirassy und vergibt die Riesenchance aus drei Metern vor dem leeren Tor. Das Spiel endet 0:0. Es wird das letzte von Jörg Schmadtke, der am nächsten Tag beim 1. FC Köln aufhört. Dass es kein Rücktritt ist, zeigt die Abfindung, die Schmadtke erhält. Ein Zwist mit dem Präsidium, wohl um die Personalie Peter Stöger, führt zum Zerwürfnis und Abschied des Managers. Der FC ist sportlich plötzlich führungslos, Stöger der starke Mann, der allerdings auch schon wackelt. Da hilft der 3:1-Sieg im DFB-Pokal bei Hertha BSC kaum, denn nur drei Tage später verliert Köln das zweite Derby der Saison, diesmal mit 1:2 in Leverkusen. Einen Tag zuvor wird bekannt, dass der FC die Verträge mit Matthias Lehmann und Konstantin Rausch verlängert hat – diese Personalien aber ursprünglich nicht kommunizieren wollte. Warum, bleibt offen.
Eine Länderspielpause lähmt den FC
Vor der nächsten Länderspielpause kassiert der Effzeh eine empfindliche Niederlage. Das 0:3 gegen Hoffenheim lähmt den FC und seine Anhänger, Lethargie und Resignation machen sich breit. Intern wird über die Personalie Peter Stöger diskutiert, doch man kann sich mangels Alternativen nicht zu einer Trennung durchringen. Der in diesem Moment in sportlichen Fragen führungsschwache FC verpasst so den richtigen Zeitpunkt für eine Trennung, um doch noch einmal einen Impuls zu setzen. Ausgerechnet in diese Zeit fällt der Tod der größten FC-Legende Hans Schäfer, der viele FC-Fans, Mitarbeiter und Spieler tief bewegt. Zu allem Überfluss wird in der gleichen Woche bekannt, dass der vor dem Comeback stehende Marcel Risse doch bis Weihnachten ausfällt, dazu Dominique Heintz und Marco Höger lange fehlen werden. Karneval soll ins Wasser fallen, die Spieler entscheiden sich nicht zu feiern. Zumindest offiziell. Inoffiziell ziehen doch einige Profis verkleidet in die Stadt – ein Verhalten, das Peter Stöger wenig später als eines der Indizien anführen wird, dass einige Spieler die Ernsthaftigkeit der Situation nicht verstanden haben.
[nextpage title=”Der Winter naht mit dem Ende der Stöger-Ära”]
Der Arsenal-Sieg, zwei Pleiten und vier Verletzungen
Auf die Länderspielpause folgen die entscheidenden Wochen am Ende der Stöger-Ära. In Mainz verliert der FC trotz Videobeweises wegen eines Schwalben-Elfmeters mit 0:1. Passend dazu verletzt sich Simon Zoller und fällt bis zum Jahresende aus. Es gesellen sich nur vier Tage später Jhon Cordoba, Dominic Maroh und Joao Queiros dazu, die sich ebenfalls schwerer verletzen und lange fehlen werden. Cordoba und Maroh erleiden ihre Verletzungen im letzten großen Spiel unter Stöger, dem 1:0-Sieg über den FC Arsenal. Ein besonderer Sieg für den FC, ein außergewöhnlicher für den Österreicher, der als Arsene Wenger in die Kölner Geschichte eingehen sollte. Doch nach der Partie brechen die letzten neun Tage für ihn am Geißbockheim an. Denn am Wochenende kassiert Köln gegen Hertha BSC in einem besonders schwachen Spiel die entscheidende 0:2-Niederlage.
Die Heldt-Posse und das Stöger-Aus!
Die letzte Woche unter Peter Stöger beginnt mit einer Manager-Posse. Horst Heldt soll der neue Sportchef werden, geht damit selbst an die Öffentlichkeit. Das – und der Auftritt von Toni Schumacher bei Sky – erweisen sich als Bumerang. Hannover 96 bleibt hart, wirft dem FC schlechten Stil vor und Heldt muss kleinlaut bleiben. Derweil räumt Stöger auf. Benny Kugel wird als Athletik-Trainer aus Gründen mangelnder Loyalität entsorgt. Auf einer bemerkenswerten Pressekonferenz richtet Stöger deutliche Worte an das Präsidium, fordert Klarheit und wirft dem Vorstand und den Spielern vor, einige Werte der letzten Jahre über Bord geworfen zu haben. Einen Tag später, noch vor dem Spiel auf Schalke, einigen sich der Verein und Stöger darauf, getrennte Wege zu gehen. Zum Abschied schenkt die Mannschaft ihrem Trainer ein emotionales 2:2 auf Schalke. Der Abschied vor der Fankurve wird zu einem emotionalen Höhepunkt für Stöger und seinen Assistenten Manfred Schmid. Sie gehen als Sieger, während Werner Spinner und Alexander Wehrle am nächsten Tag auf einer merkwürdigen Pressekonferenz ein schlechtes Bild abgeben. Stefan Ruthenbeck übernimmt – doch das war schon vorher bekannt. Denn inzwischen dringen in beängstigender Regelmäßigkeit Interna an die Öffentlichkeit.
Ruthenbeck-Beginn mit Veh-Vorstellung
Für Ruthenbeck ist es der schlechteste Zeitpunkt für eine Übernahme. In 17 Tagen muss er fünf Spiele in drei Wettbewerben mit seiner Mannschaft bestreiten, von der nur noch die Grundmauern stehen, weil ein Dutzend Spieler verletzt ist. Auf dem Weg zu seinem Debüt bei Roter Stern Belgrad verkündet der Effzeh, dass Armin Veh die Nachfolge Schmadtkes übernehmen wird. In Belgrad selbst scheidet der FC nach einer schwachen Vorstellung aus der Europa League aus, an der sich am Ende niemand mehr erfreuen kann – schon gar nicht, nachdem Ultras im FC-Fanblock für einen Skandal sorgen und Feuerwerkskörper und Böller aufs Spielfeld und in andere Zuschauerblöcke schießen. Es folgt ein Spiel im Schnee, in dem Köln gegen den SC Freiburg eine 3:0-Führung verspielt und nicht nur 3:4 verliert, sondern auch die große Chance liegen lässt, im Abstiegskampf noch einmal heranzukommen. Es folgen der offizielle Amtsantritt Vehs, eine unglückliche Niederlage in München und die Installation von Frank Aehlig als neuer Leiter der Lizenzspielerabteilung. Am 17. Spieltag, sieben Monate nach dem letzten Sieg in der Bundesliga am 20. Mai, gewinnt die Ruthenbeck-Elf doch noch ein Bundesligaspiel. Das 1:0 über Wolfsburg soll Hoffnung machen für den DFB-Pokal gegen Schalke. Allerdings verlieren die Geissböcke und scheiden aus. Mit neun Punkten Rückstand in der Liga auf den Relegationsplatz und in allen anderen Wettbewerben ausgeschieden, geht der 1. FC Köln in die Winterpause. Der tiefe Fall in sieben Monaten von Platz fünf auf Platz 18 als zwischenzeitlich schlechtes Mannschaft der Bundesliga-Geschichte wird wohl als eines der dunkelsten Kapitel in die Vereinsgeschichte eingehen.
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