Mit 17 Punkten geht der 1. FC Köln in die Winterpause. Wer darauf vor acht Tagen gewettet hätte, hätte wohl ein ordentliches Sümmchen einstreichen können. Doch der Effzeh hat sich zusammengerissen. Plötzlich besann sich die Mannschaft von Markus Gisdol auf die ursprünglichsten Eigenschaften im Fußball. Gegen Bremen zollten die Spieler dafür am Ende Tribut, brachten die perfekte Englischen Woche dennoch erfolgreich zum Abschluss.
Aus Müngersdorf berichten Sonja Eich und Marc L. Merten
Geschichte des Spiels: Es war ein Abnutzungskampf, den die 50.000 Zuschauer am Samstag in Müngersdorf zu sehen bekamen. Die verunsicherten, nach Stabilität und Konter suchenden Bremer wollten nach zwei derben Klatschen (1:6 und 0:5) dem FC die Stirn bieten. Der mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattete FC dagegen wollte die Chance auf einen dritten Sieg in Serie ergreifen, dabei die Eigenschaften der vorangegangen zwei Spiele aber nicht vermissen lassen. Ismail Jakobs zeigte bereits nach sechs Minuten mit einer beherzten Grätsche gegen Goller, wie es laufen würde. Es wurde kein unfaires, aber ein sehr intensives Spiel. Zweikämpfe von hoher Intensität, geführt mit mehr Verve vom FC in Person von Spielern wie Jakobs, Cordoba, Bornauw oder Czichos. Mehrere Verletzte und damit verbundene Auswechslungen hüben wie drüben. Ein tiefer Boden, der am Ende von Narben und Löchern überzogen war. Die Trikots, dreckig und nass. Und eine Aktion mit dem Schlusspfiff, die für das gesamte Spiel stand: Nach sechs Minuten Nachspielzeit flog der Ball im Mittelfeld in Richtung Birger Verstraete. Einen Gegenspieler im Rücken, hob der Belgier ab und knallte das Leder per Fallrückzieher in Richtung der Bremer Eckfahne und damit weit weg von der Kölner Spielhälfte. Nach dem Schlusspfiff, noch immer am Boden liegend, reckte Verstraete die Fäuste in den Himmel und hieb anschließend auf den Rasen ein. Energie, Wille, Aufopferung: So hatte der FC die Bremer am Ende bezwungen.
Das Ergebnis: Der 1:0 (1:0)-Sieg entstand aus einem genialen Moment von Rafael Czichos und Dominick Drexler. Ein langer Ball, ein perfektes Abtropfen auf Jhon Cordoba, das Tor war leer, der FC führte. Anders hätte das Tor kaum fallen können. Denn bei allem Ballbesitz und gepflegtem Kurzpassspiel der Kölner in Hälfte eins fiel den Geissböcken offensiv nicht viel ein. In der Anfangsviertelstunde standen fast 90 (!) Prozent Ballbesitz auf der FC-Uhr. Die einzige Torchance aber resultierte aus einem langen Ball von Czichos auf Jakobs. Wirklich zwingend wurde es danach auch nicht. Bis zum nächsten langen Ball und dem Führungstor. Nach der Pause war gefragt, was den Kölner über Monate so sehr gefehlt hatte: Wille und Überzeugung. Die Kräfte ließen nach den zwei intensiven Spielen gegen Leverkusen und Frankfurt sichtlich nach. Doch im Gegensatz zur Eintracht am Mittwoch brach der FC am Samstag gegen Bremen nicht ein. Die Köpfe der Kölner funktionierten, die Beine wussten, was sie zu tun hatten. Und so blieb der FC zum dritten Mal in dieser Saison (Paderborn, Leverkusen, Bremen) ohne Gegentor.
Szene des Spiels: Sechs Minuten Nachspielzeit können lang sein. Vor allem, wenn man nur mit einem Tor führt und die Beine drohen nachzugeben. Da hilft es, als letzten Mann einen Torhüter zu haben, der noch einmal einen Ball von der Torlinie kratzt. Timo Horn schien einige Monate lang kein solcher Torhüter mehr zu sein. In der vergangenen Woche jedoch war er es. Gegen Leverkusen kaum gefordert, aber hellwach in den entscheidenden Momenten. Gegen Frankfurt mit der Glanztat gegen Kamada beim Stand von 2:2. Am Samstag war es die 93. Minute, als Niklas Moisander nach einem Eckball zum Schuss kam, Horn den Ball aber mit einer sehenswerten Flugeinlage über die Latte lenkte und so das 1:0 festhielt. Nach der anhaltenden und berechtigten Kritik am 26-Jährigen hat sich Horn wieder gefangen. Dass der Torhüter nun auch wieder Punkte sichert, hat den Geissböcken lange gefehlt. Die Neun-Punkte-Woche war auch Horns Verdienst.
Torjäger des Spiels: Jhon Cordoba war schon vor den letzten Spielen einer der Publikumslieblinge der FC-Fans. Doch nun hat der Kolumbianer schon vier Heimspiele in Folge getroffen. Niemand fragt sich mehr, ob der 26-Jährige ein Stürmer von Bundesliga-Format ist. Cordobas Knoten ist beim FC wohl endgültig geplatzt. Nach seinen 20 Zweitliga-Toren knipst der bullige Angreifer nun auch in der Bundesliga für die Geissböcke. Auch in dieser Saison brauchte Cordoba wieder einen längeren Anlauf. Doch sollten es die Kölner schaffen, ihren Stoßstürmer weiter gut in Szene zu setzen, bringt Cordoba das nötige Selbstverständnis und Selbstvertrauen mit, um den FC zum Klassenerhalt zu schießen.
Pfiff des Spiels: Es lief die 84. Spielminute. Der FC ließ sich hinten reindrängen, Werder war am Drücker, hatte gerade erst durch Rashica die Latte getroffen. Da flog erneut eine Flanke in den Kölner Strafraum. Pizarro und Czichos gingen in den Zweikampf, vom Ex-Kölner gelangte der Ball zu Osako. Der zweite Ex-Kölner an diesem Tag grätschte in den Ball und überwand Timo Horn. Doch Schiedsrichter Daniel Schlager entschied auf Abseits durch Pizarro. Dieser Pfiff hielt der Überprüfung durch den Videoassistenten um wenige Zentimeter Stand – und so war auch das Spielglück am Samstag auf Seiten der Geissböcke.
Zitat des Spiels: Rafael Czichos kennt Dominick Drexler noch aus Kieler Zeiten. Das half offenbar Czichos vor dem 1:0 seinen Mitspieler zu verstehen. “Wenn ich Dominick Drexler da schon so halb gebückt rumlaufen sehe, weiß ich schon, was er möchte”, sagte der Innenverteidiger. “Schön, dass der lange Ball dann auch angekommen ist.”
Statistik des Spiels: Keine Statistik erfreute die Kölner an diesem Tag mehr als der Blick auf die Tabelle. Zur Erinnerung: Nach 14 Spieltagen lag der FC mit acht Punkten auf Rang 18 und hielt die Rote Laterne in Händen. Der Rückstand auf Rang 15 betrug vier Punkte, Mannschaften wie Mainz 05 waren bereits sieben Zähler oder mehr weg. Am Samstag sah dies plötzlich ganz anders aus: Nicht nur hat der FC inzwischen 17 Punkte auf dem Konto, steht auf Rang 15 und damit drei Zähler vor den Abstiegsrängen. Mainz und Frankfurt sind nur noch einen Punkt weg, Hertha zwei, Union drei. Damit haben die Kölner nicht nur den Sprung zurück ins Leben geschafft, sondern auch den Anschluss an die Konkurrenz wieder hergestellt. Es geht damit in der Rückrunde nicht mehr nur darum, ein oder zwei Teams in Reichweite zu behalten. Der FC nimmt wieder aktiv an der Bundesliga teil – und das mit sieben anderen Mannschaften im Abstiegskampf, die gehofft hatten, sich vom FC schon weit genug abgesetzt zu haben. Aber nichts da, der 1. FC Köln lebt noch.
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