Der 1. FC Köln muss in diesem Winter die Abgänge von gleich drei großen Talenten aus dem Nachwuchs verkraften. Florian Wirtz ist freilich der prominenteste Abgang. Daneben gingen Sebastian Müller und Darko Churlinov. Nicht die einzigen Talente, die den FC in dieser Saison verließen. Was hat es mit den Abgängen auf sich? Wen will der FC unbedingt halten?
Köln – Präsident Werner Wolf hatte es in seiner Antrittsrede auf der Mitgliederversammlung im September angekündigt. Der FC wolle und müsse künftig vermehrt auf Talente aus dem eigenen Stall setzen. Mindestens ein Nachwuchsspieler pro Jahr soll es dauerhaft in den Profikader schaffen. “Wenn wir Talente fördern, schaffen wir Identifikation und Werte und müssen uns nicht für viel Geld die Spieler von anderen Klubs kaufen”, sagte der FC-Boss.
Die Zwischenbilanz der laufenden Saison sieht gemischt aus. Einerseits ist das Ziel erreicht, eigentlich sogar übererfüllt. Mit Noah Katterbach, Ismail Jakobs und Jan Thielmann schafften es gleich drei Eigengewächse in die Profi-Mannschaft und sorgten bislang mit teils starken Leistungen für Furore. Andererseits hat gerade der Abgang von Florian Wirtz den Blick getrübt. Sein Wechsel zu Bayer Leverkusen ist ein herber Rückschlag, weil auch andere Talente aus dem Kölner Nachwuchsleistungszentrum nun ans Grübeln kommen könnten, warum der FC seine größte Hoffnung nicht hatte halten können.
Sechs Talente verloren – drei Abgänge tun weh
Über Wirtz wurde zuletzt viel diskutiert, aber auch der Abgang von Sebastian Müller traf den Effzeh ins Mark. Der U19-Stürmer (13 Tore in der A-Junioren-Hinrunde) wechselte Anfang Januar zu Arminia Bielefeld. Der Tabellenführer der Zweiten Liga war sich, ähnlich wie Leverkusen mit Wirtz, schon frühzeitig mit dem Stürmer über einen ablösefreien Wechsel im Sommer einig gewesen. Der FC hätte gerne verlängert, den Angreifer noch näher an die Profis herangeführt, nachdem der 19-Jährige bereits mehrfach mit der ersten Mannschaft hatte trainieren dürfen. Doch Bielefeld schnappte sich das Talent, wohl auch mit dem Versprechen auf schnellere Einsätze bei den Profis. Köln schaute in die Röhre, die U19 hat nun ein Sturmproblem.
Wirtz und Müller, mit beiden Spielern hätte der FC gerne verlängert, beide Spieler entschieden sich für einen Wechsel. Gleiches geschah bereits im Sommer mit Can Bozdogan (ging zum FC Schalke 04) und Dominik Becker (zu Werder Bremen). Vor allem Bozdogan, seit der U8 beim FC, hätte man am Geißbockheim sehr gerne langfristig gebunden. Zumindest eine Ablösezahlung in Höhe von rund 400.000 Euro machten den Wechsel für Köln hinnehmbar. Dennoch hatte man auch dem Mittelfeldspieler Bozdogan und dem Verteidiger Becker Perspektiven beim FC von der U19 über die U21 bis hin zu den Profis aufgezeigt. Bekanntlich galt die Perspektive zu den Profis im vergangenen Sommer aber noch als unwahrscheinlich.
Thielmann-Effekt setzte zu spät ein
Dass darüber hinaus mit Darko Churlinov und Nikolas Nartey zwei Spieler an den VfB Stuttgart abgegeben wurden, die man ebenfalls gerne zu Profis geformt hätte, ist eine andere Geschichte. Churlinov hatte sich in den Vertragsverhandlungen verzockt und respektlos gegenüber der U21 geäußert. Charakterliche Zweifel überwogen, und so weint man beim FC dem Nord-Mazedonier kaum eine Träne nach. Während bei Churlinov die Persönlichkeit den Ausschlag gab, war es bei Nartey die Verletzungsanfälligkeit es Dänen, was sich jüngst auch wieder bei seinem aktuellen Leihklub Hansa Rostock bestätigte. Zwar hatte man auch ihm eine Vertragsverlängerung angeboten. Der Mittelfeldspieler hatte aber nach der für ihn enttäuschenden Zweitliga-Saison mit nur sechs Sekunden Einsatzzeit genug vom FC.
Unter dem Strich verlor der FC also sechs Talente, von denen man drei (Wirtz, Müller, Bozdogan) gerne langfristig gebunden hätte, die man aber verloren hatte, noch ehe der “Thielmann-Effekt” einsetzen konnte. Die anderen drei (Becker, Churlinov, Nartey) wären lediglich interessante Optionen gewesen, die man über die U21 hätte aufbauen wollen.
Sieben deutsche U-Nationalspieler und mehr
Derweil wächst im FC-Nachwuchs eine neue Generation potentieller Profi-Fußballer heran, auf die man bei den Geissböcken setzen will und bei denen die Beförderungen von Katterbach, Jakobs und Thielmann eindrücklich nachwirken sollen. Im Trainingslager in Benidorm durften einige von ihnen bereits Profi-Luft schnuppern. Am Dienstag im internen Testspiel mit der Mannschaft von Markus Gisdol waren weitere dabei. Für sie alle soll die Zeit bald kommen.
Wer sich im NLZ umhört, erfährt vor allem, dass es schon lange nicht mehr so viele deutsche U-Nationalspieler zwischen der U16 bis zur U19 gegeben hat. Der 1. FC Köln stellt aktuell sieben Junioren-Nationalspieler an den Deutschen Fußball-Bund ab: Justin Diehl (U16), Jonas Urbig und Jens Castrop (U17), Daniel Adamczyk und Tim Lemperle (U18) sowie Erkan Akalp und Robert Voloder (U19). Darüber hinaus gehören sieben weitere Talente zum erweiterten Kreis dieser DFB-Auswahlteams, darunter U17-Meister Marvin Obuz und der aktuell an Roda Kerkrade ausgeliehene Yann-Aurel Bisseck. Zudem gehört Salih Özcan der deutschen U21 an, ist aktuell an Holstein Kiel ausgeliehen. Aufgrund einer Kaufoption ist seine Rückkehr zum FC aber nicht gesichert.
Der FC kann mit frischen Erfolgen um Talente werben
Freilich wird sich auch Jan Thielmann auf eine baldige Einladung des DFB freuen können. Für welche Mannschaft, ist noch unklar. Auch an Sava Cestic, der bislang für die serbische U18 auflief, aber in Offenbach auf die Welt kam, soll der DFB interessiert sein und ähnlich wie bei Voloder (vormals Bosnien) einen Wechsel in Erwägung ziehen. Darüber hinaus hat der FC in den letzten Monaten bekanntlich mehrere ausländische Top-Talente verpflichtet. Philipp Wydra (Österreich) und Vladimir Fratea (Moldawien) sorgen in der U17 für Furore. Mathias Olesen (Luxembourg) wurde bereits von der U19 in die U21 befördert und mit einem neuen Vertrag ausgestattet. Jae-hwan Hwang aus Südkorea gehört seit vier Wochen der U19 an und soll sich in der Rückrunde an Deutschland und den FC gewöhnen.
Dank des U17-Meistertitels konnte der FC in den letzten Monaten auf dem Nachwuchs-Transfermarkt anders auftreten als in den Jahren zuvor. Nach dieser Saison sollen die erneuten Erfolge der U17 und U19, die stabile Saison der U21 und natürlich die Beförderungen Katterbachs, Jakobs’ und Thielmanns das Werben um Talente weiter erleichtern. Der Wirtz-Abgang war da der Schlag ins Kontor. Doch die Basis im FC-NLZ stimmt. Horst Heldt und Markus Gisdol wollen diese nun zusammen mit Matthias Heidrich (NLZ) und den Nachwuchs-Trainern mit Leben und Profi-Nähe füllen. Zahlreiche Talente sind vorhanden – auch wenn das wohl größte Talent künftig für Bayer Leverkusen auflaufen wird.
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