[nextpage title=”Das Problem der unvorhersehbar langen Pause”]
Markus Daun hat es geschafft, die U17 des 1. FC Köln als amtierender Deutscher Meister trotz eines personellen Umbruchs sofort wieder an die Spitze der B-Junioren-Bundesliga zu führen. Die Coronavirus-Pandemie hat die Jagd nach der Titelverteidigung jedoch jäh unterbrochen. Was die Situation für die FC-Talente bedeutet, wie Daun die Entwicklung seiner Spieler einschätzt und wie er sich darauf einstellen musste, eine Meister-Mannschaft zu übernehmen – der GEISSBLOG.KOELN sprach telefonisch mit dem Ex-Profi.
Das Interview führte Marc L. Merten
GBK: Herr Daun, wie gehen Sie im Nachwuchs des 1. FC Köln mit dem Coronavirus um und welche Vorschriften haben Sie Ihren B-Junioren machen können?
MARKUS DAUN: „Als wir noch trainiert haben, gab es erste Verbote wie den Handschlag oder Vorschriften in Sachen Hygiene. Nachdem sie nach Hause geschickt wurden und die Schulen zugemacht haben, haben wir ihnen gesagt: Sie sollen, so lange erlaubt, ihre Läufe absolvieren, um ihren Fitnesszustand zu erhalten – aber alleine. Sie sollen sich nicht auf dem Bolzplatz treffen und gemeinsam oder mit Individualtrainern arbeiten. Davon haben wir ihnen dringend abgeraten. Die Jungs müssen konsequent und sich bewusst sein, dass sie dazu beitragen können, dass die Zahl der Neuinfektionen zurückgeht.“
Was ist, wenn es im Familienkreis bei einem Spieler zu einem positiven Fall kommt?
Zunächst greifen da ja die behördlichen Vorschriften. Darüber hinaus hat unser Physiotherapeut einen Fragenkatalog erstellt, mit dem die Jungs ihre eigene Gesundheit täglich selbst überprüfen sollen. Sobald sie eine der Fragen mit „Ja“ beantworten müssen, ist eine sofortige Kontaktaufnahme mit uns vereinbart, damit wir die notwendigen Maßnahmen einleiten können. Aber bislang gibt es da zum Glück keine Anzeichen.
Jetzt ist ihr Fitnesszustand nahezu am Limit
Sie haben die individuellen Fitnesspläne schon angesprochen. Wir sprechen ja inzwischen über eine unvorhersehbar lange Unterbrechung. Wie schnell stößt ein solcher Plan an seine Grenzen?
Wir haben die Pläne auf Basis unserer Erkenntnisse aus den Sommer-Vorbereitungen erstellt. Im Nachwuchs ist es so, dass wir die Spieler während der Vorbereitung immer noch einmal in eine mehrwöchige Unterbrechung schicken. Der Unterschied zu jetzt ist, dass sie im Sommer einen Trainingsplan bekommen, der einen progressiven Aufbau der Grundlagenausdauer vorsieht. Jetzt ist ihr Fitnesszustand aber nahezu am Limit, wir sind fast auf dem Höhepunkt der Saison. Deswegen geht es jetzt um erhaltende Maßnahmen. Wir kontrollieren ihre Arbeit über die Uhren, die sie beim Training tragen. Die Ergebnisse können wir Trainer zuhause auswerten, weil uns die Daten automatisch übermittelt werden.
Halten sich alle Spieler an die Pläne?
Ja, aber so kenne ich meine Spieler auch. Das Problem ist die Zeit. In den ersten ein, zwei Wochen kann man das Niveau halten. Aber was ist, wenn wir über die Wochen vier, fünf oder sechs reden? Erstens wird das Training irgendwann monoton und örtlich eingeschränkt. Zweitens müssen wir die Spieler bei Laune halten. Aktuell helfen uns noch die Challenges, die man ja im Netz verfolgen kann. Da müssen auch wir Trainer mal mit der Klorolle ran. Ich hoffe nur nicht, dass wir uns irgendwann in Woche zehn überlegen müssen, was wir noch machen können.
Wir hätten gegen Gladbach unser erstes kleines Finale bekommen
Die abgesagten Spiele gegen Arminia Bielefeld und Borussia Mönchengladbach waren ihre ersten, die wegen Corona ausgefallen sind. Wie enttäuscht war die Mannschaft vom Zeitpunkt der Unterbrechung?
Es war schon sehr schade. Die Situation hätten wir uns nicht schöner malen können. Wir haben zehn Punkte Vorsprung bei noch fünf ausstehenden Spielen. Wir brauchen dank unseres guten Torverhältnisses noch fünf Punkte, um uns für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft zu qualifizieren. Mit einem Sieg in Bielefeld hätten wir uns also unser erstes kleines Finale der Saison erarbeiten können, und dann auch noch gegen Gladbach. Das hätten wir gerne gespielt. Jetzt müssen wir warten und geduldig sein.
Es hätte sogar schon gegen Bielefeld klappen können, wenn man in der Woche zuvor gegen den BVB nicht kurz vor Schluss eine 3:1-Führung hergegeben hätte.
Dortmund ist so ein Thema in dieser Saison. Im Hinspiel haben wir in der sechsten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich kassiert. Jetzt das 3:3. Andererseits konnten wir so die Mannschaft danach dafür sensibilisieren, wie wichtig es im Fußball ist, bis zur letzten Minute zu verteidigen, taktisch diszipliniert zu bleiben, klug in den Zweikämpfen. Wir haben zu große Lücken entstehen lassen, sind im Eins gegen Eins zu früh runtergegangen, haben uns nicht mehr gegenseitig abgesichert. Das wird gegen ein Top-Team wie Dortmund bestraft.
Wir haben Dortmund beherrscht
Dabei hatte der FC die Dortmunder zweimal am Rande einer Niederlage.
Das ist für uns der entscheidende Punkt. Wir waren in beiden Spielen besser. Wie wir gerade im Rückspiel Dortmund mit seinen sechs aktuellen Nationalspielern über 70 Minuten beherrscht haben, taktisch und spielerisch, ist viel wertvoller als das Ergebnis an sich. Das ist unser Maßstab, den wir konstant auf den Platz bekommen wollen. Dahin wollen wir die Spieler entwickeln. Deswegen war die Leistung beeindruckend.
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Jeder soll sagen, dass diese Mannschaft eines Deutsches Meisters würdig ist
Sie sprechen die Spielerentwicklung an. Wie schwierig war es für Sie als Trainerteam vor der Saison, die richtige Zielsetzung zu finden? Perspektivisch steht die Ausbildung im Mittelpunkt, der FC war aber immerhin amtierender Deutscher Meister.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, was ich dachte, als feststand, dass ich die U17 übernehmen würde. Ich war im Sommerurlaub und habe am Pool auf meinem Handy das Finale geschaut.
Es stand schon vor dem Finale fest, dass Sie die U17 übernehmen würden?
Ja. Es war klar, dass Martin Heck seine Ausbildung zum Fußballlehrer absolvieren würde. Nach dem Finale habe ich mir also viele Gedanken gemacht, wie meine erste Ansprache aussehen könnte. Letztlich habe ich die Spieler erst einmal gefragt, was sie selbst erreichen wollen.
Lassen Sie mich raten: Sie wollten den Titel verteidigen.
Ja und nein. Klar haben einige selbstbewusst gesagt: Deutscher Meister werden. Andere haben gesagt: Ich will erst einmal in die U17 reinkommen. Und andere wissen natürlich, was der Trainer in so einem Moment hören will, weshalb sie gesagt haben: persönlich weiterentwickeln, den Konkurrenzkampf annehmen. Sowas eben.
Was haben Sie den Spielern geantwortet?
Dass ich in Bezug auf die Meister-Mannschaft nur einen Anspruch habe: Sie müssen sich als Meister auch meisterlich verhalten. Vor allem in Sachen Disziplin und beim Auftreten neben dem Platz. Wir müssen den Verein 1. FC Köln als Titelverteidiger würdig vertreten. Nicht nur sportlich, sondern auch charakterlich. Jeder soll sagen, dass diese Mannschaft eines Deutsches Meisters würdig ist.
Wir haben überdurchschnittlich viele fußballintelligente Spieler
Was zählt für Sie dazu?
Das sind einfache Dinge. Wie verlasse ich eine Kabine nach einem Auswärtsspiel? Wie gehe ich mit einer Niederlage um? Benehmen wir uns daneben? Treten wir um uns? Oder können wir mit Rückschlägen umgehen?
Hat es geklappt, die Spieler dafür zu sensibilisieren?
Alle haben das angenommen und trotzdem bleiben sie 16-jährige Jungs. Es gibt immer noch Situationen, in denen ich in die Kabine komme und einen kurzen Hinweis geben muss. Dann merken aber alle sofort, was Sache ist.
Auch fußballerisch wird die Mannschaft ihrem Favoritenstatus gerecht.
Es kommt nicht von ungefähr, dass wir nach dem ersten Spieltag bis heute kein Spiel mehr verloren haben. Wir haben ein bisschen gebraucht, um in die Saison zu kommen. Aber wir haben schnell gemerkt, wie schnell unsere Spieler umsetzen, was man ihnen vorgibt.
Woran liegt das?
Wir haben überdurchschnittlich viele fußballintelligente Spieler in unseren Reihen. Natürlich wussten wir von vorne herein, dass Spieler wie Wydra oder Castrop das können. Aber dann kamen andere Jungs, die das genauso gezeigt haben. Davon profitieren wir heute, weil wir im Training von Anfang an sehr viel verlangen konnten.
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