Der 1. FC Köln steht vor einem wichtigen Wochenende. Am Sonntag will die Mannschaft von Steffen Baumgart im Heimspiel gegen Union Berlin nach drei sieglosen Bundesliga-Spielen wieder einen Dreier einfahren. Tags zuvor hofft der Vorstand der Geißböcke auf eine harmonische Mitgliederversammlung, wenngleich mehrere Themen dringender Diskussion bedürfen. Die Zeichen stehen gut für Geschlossenheit statt Schlammschlacht beim FC.
Köln – Der amtierende Vorstand des 1. FC Köln kann sich durchaus glücklich schätzen. Seit ihrer Wahl im Herbst 2019 musste das Trio um Präsident Werner Wolf keine Frontalangriffe oder Machtkämpfe auf Mitgliederversammlungen erleben. Hätte die letztjährige MV wie geplant im Herbst 2020 stattgefunden, wäre das Feedback der Mitglieder aufgrund der katastrophalen sportlichen Lage, der Personalflops und der Kommunikationsdesaster der Vormonate verheerend ausgefallen.
Stattdessen erlebte man die verschobene MV im Juni 2021 nach dem erreichten Klassenerhalt, der Trennung von Sportchef Horst Heldt und der Verpflichtung von Steffen Baumgart ruhig und gestärkt. Und weil eben jener Baumgart den FC tatsächlich auf Kurs gebracht hat und die letzten Monate für Kölner Verhältnisse fast schon euphorisch positiv verliefen, muss der Verstand auch am Samstag auf der nächsten MV nichts befürchten.
Der FC kann also durchatmen: Geschlossenheit statt Schlammschlacht, so wird es sich am Samstag anfühlen, wenn es in der LanxessArena um die Berichte des Vorstands und der Geschäftsführung, des Mitgliederrates und der sportlichen Führung gehen wird, wenn die Mitgliederrats-Wahlen anstehen und über Satzungsänderungen abgestimmt werden wird. Die kritischsten Momente werden sich auf zwei Bereiche konzentrieren: die Finanzlage und der Geißbockheim-Ausbau. Und dann gibt es noch einen Joker.
1. Die Finanzlage
Alexander Wehrle wird am Samstag die jüngsten Zahlen präsentieren. Zwischen März 2020 und Juni 2021 hatte die Corona-Pandemie den Klub rund 66 Mio. Euro an Umsatzverlusten gebracht. Die neue Saison wird weitere rund zehn Mio. Euro an Verlusten einbringen. Der Klub ist inzwischen hoch verschuldet, hat sich nur durch mehrere Kredite und Genussscheine retten können.
Auf Jahre hinweg wird der FC unter dieser Schuldenlast leiden. Auch, weil die Kaderplanung der letzten Jahre inklusive Ablöse- und Gehaltszahlungen auf großen Fuße ausgelegt war und die Geißböcke noch bis 2023 die Quittung für teils horrende Spielerverträge wird zahlen müssen. Der FC-Vorstand hat sich trotzdem deutlich gegen Investoren oder strategische Partner ausgesprochen, wird sogar vorlegen, dass die Mitglieder künftig ab dem ersten Prozent über Anteilsverkäufe entscheiden sollen.
Damit ist Wolf, Sauren und Wettich die Unterstützung der Mehrheit der anwesenden Mitglieder zwar so gut wie sicher. Dennoch könnte die Diskussion hitzig werden, wie es überhaupt zu einer derartigen Schieflage kommen konnte – denn bekanntlich ist nicht nur die Corona-Pandemie daran schuld. Die FC-Bosse werden Antworten liefern müssen, wie sie die Schulden über die nächsten Jahre abbauen und die Fehler der Vergangenheit künftig verhindern wollen. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass diese Debatte ausarten wird. Die Lage ist brenzlig, doch der FC wähnt sich nicht zuletzt dank der vorgelegten Strategie “FC-Matchplan” auf dem richtigen Weg.
2. Der Geißbockheim-Ausbau
Keinesfalls auf dem richtigen Weg kann sich der FC in Sachen Geißbockheim-Ausbau wähnen. Dem FC sind inzwischen die Hände gebunden. Die Kölner Politik hält den Pachtvertrag zurück. Ohne diesen könnte es zwar eine Baugenehmigung geben, aber keinen Bau. Der Vorstand wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, zu lange zu diplomatisch und zu gutgläubig mit dem Stadtrat und Oberbürgermeisterin Henriette Reker umgegangen zu sein. Erste Stimmen innerhalb der Gremien wurden bereits laut, Reker aus dem FC-Beirat zu werfen (mehr dazu hier).
Doch die FC-Bosse wollen offenbar zum Gegenangriff übergehen und den unzufriedenen Mitgliedern gleich den Wind aus den Segeln nehmen. “Ich weiß, dass der Vorstand uns am 6. November näher informieren wird”, sagte Christian Hoheisel, der Co-Vorsitzende des Mitgliederrats, in der vergangenen Woche bezüglich einer Offensive des Vorstands bezüglich des Geißbockheim-Ausbaus. “Wir haben gemeinsam mit dem Vorstand besprochen, dass wir das weitere Herauszögern nicht mehr akzeptieren können.”
Überall wird mit dem FC Werbung gemacht, aber für uns tut man nichts (Wolf)
Das bestätigte Werner Wolf selbst zuletzt im Talk Loss mer schwade. “Ich finde es inakzeptabel, wie mit uns umgegangen wird. Es dauert jetzt schon sechs Jahre und wir haben immer noch keine Baugenehmigung”, schimpfte der FC-Präsident. “Überall wird mit dem FC Werbung gemacht, aber für uns tut man nichts. Ich bin schon enttäuscht von ihrem (Reker) Verhalten. Ich hoffe, dass wir Einigungen finden, ansonsten wird der Verein deutlich lauter werden.”
Wolf, Wettich und Sauren wollen der Kölner Politik also deutlich machen, dass nun eine Entscheidung herbeizuführen sei. Denn klar ist: Verhindert die Politik weiter jegliche Lösung für den FC, wird dies fatale Konsequenzen für die Entwicklung der Geißböcke haben. Und so deutet beim Thema Geißbockheim-Ausbau alles auf eine geschlossene Mitgliederschaft und eine Kampfansage an die Kölner Politik hinaus.
3. Der Joker
Und dann gibt es für den Vorstand natürlich noch einen Joker. Zwar ist nicht zu erwarten, dass die Geißböcke am Samstag bereits den Nachfolger von Horst Heldt als Sport-Geschäftsführer verkünden. Klar ist jedoch auch: Sollte sich der FC tatsächlich Christian Keller vom SSV Jahn Regensburg und nicht Samir Arabi von Arminia Bielefeld ausgeguckt haben und sich mit dem 42-jährigen einig sein, stünde einer Verkündung am Samstag nichts im Wege.
Keller schied zum 1. November, also zum Beginn dieser Woche, als Sportchef beim SSV Jahn aus. Sein Vertrag ist ausgelaufen, Keller hat keine Verpflichtungen mehr gegenüber seinem Ex-Klub. Auch wenn er angekündigt hatte, erst einmal Urlaub machen zu wollen, gäbe es zumindest die theoretische Möglichkeit, den Deal am Samstag zu verkünden – so er denn überhaupt bereits besteht. Keller – oder ein anderer Kandidat für den Posten des Sportchefs – könnte also der Personaljoker sein, um die Mitglieder zufrieden zu stellen. Doch derzeit scheint alles so, als bräuchte es keinen Joker, denn alles spricht für eine friedliche und weitgehend harmonische Veranstaltung.
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