Jörg Jakobs hält beim 1. FC Köln noch bis zum 1. April 2022 die Zügel der sportlichen Leitung in den Händen. Der GEISSBLOG traf den Interims-Sportchef vor Weihnachten zum Interview über die Situation der Geißböcke. Wie bewertet Jakobs die Hinrunde? Was plant der FC mit Steffen Baumgart? Welche Transfers werden getätigt? Und wer ist eigentlich Christian Keller? Der zweite Teil des Interviews.
Das Interview führte Marc L. Merten
Inwieweit wirkt sich der Erfolg unter Steffen Baumgart auf die Gespräche mit potentiellen Neuzugängen aus?
Wir merken schon, dass wir mit Steffen Baumgart einen Wettbewerbsvorteil haben. Den Wettbewerbsvorteil haben wir aber auch als FC. Der Klub hat trotz aller Aufs und Abs eine enorme Strahlkraft, das finde ich faszinierend.
Und diese Strahlkraft wird jetzt verstärkt durch Baumgart.
Die Strahlkraft des Trainers und des Klubs müssen wir zusammenwerfen. Wir haben einen Trainer, der Spieler entwickeln kann, die weiterkommen wollen. Die Spieler müssen noch kein Bundesliga-Niveau nachgewiesen haben. Spieler, die kurz vor diesem Niveau sind, sind deshalb interessant für uns. Für diese Spieler sind wir sehr attraktiv, allerdings zählt natürlich auch da die wirtschaftliche Komponente.
Welche beim FC nicht stark ist.
Das ist aufgrund von Corona aktuell so, weshalb sich in den letzten Monaten auch die eine oder andere Tür natürlich wieder geschlossen hat.
Wird sich im Winter etwas tun?
Geplant ist das nicht, wir gehen aber offen mit unseren Spielern um. Wenn jemand einen Wechselgedanken hat, werden wir versuchen eine Lösung zu finden. Wir sehen es nicht als Misstrauen an, wenn ein Spieler eine andere Idee für seine Zukunft hat.
Kam schon ein Spieler mit dem Wunsch, sich verändern zu wollen?
Nein, es hat noch kein Spieler signalisiert, dass er den Verein verlassen möchte.
Und was ist mit den Spielern, deren Verträge im Sommer auslaufen?
Der Zeitpunkt für Entscheidungen ist noch zu früh. Wir wollen die sportliche Entwicklung abwarten. Das ist ein fortlaufender Prozess mit Gesprächen zwischen dem Verein, den Spielern und deren Beratern.
Wen will der Verein denn halten?
Das hat bei uns am Ende auch mit wirtschaftlichen Faktoren zu tun. Wir würden gerne mit dem einen oder anderen Spieler verlängern – auch bei Spielern, die noch über die Saison hinaus gültige Verträge haben. Aber Verlängerungen gültiger Verträge sind in der Regel mit Gehaltserhöhungen verbunden. Das ist aktuell schwer machbar. Wir haben wieder neue Einschränkungen durch die Geisterspiele. Deshalb müssen wir abwarten, wie groß unser Spielraum sein wird.
Über die Spieler, die sich positiv entwickelt haben, haben wir ja schon geredet. Es gibt aber auch Spieler, die nicht zufrieden sein können. Jorge Meré oder Noah Katterbach zum Beispiel…
Wenn ich mal mit Jorge beginne: Der Trainer ist mit ihm nicht unzufrieden, aber bei der Art und Weise, wie Steffen Baumgart spielen lassen möchte, sind aktuell Rafa, Timo und Luca ein Tick vorn. Und Noah hat sicher eine Leistungsdelle. Wir haben viel mit ihm gesprochen. Er hat den Fokus auf das Training und die Spiele in der Regionalliga angenommen, und wir sind überzeugt, dass er sich da wieder herausarbeiten wird.
Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass beide noch ein weiteres halbes Jahr diese Rolle akzeptieren werden.
Bei Noah muss man sicherlich darüber nachdenken, ob eine Leihe Sinn machen könnte. Es ist nicht Noahs Anspruch, Regionalliga zu spielen. Und auch bei Jorge gehe ich davon aus, dass er mit uns über seine Situation sprechen möchte.
Der FC will immer stärker auf den Nachwuchs setzen. Können Sie schon absehen, wer die nächsten Talente sein werden, die den Sprung schaffen können?
Nein, weil das von vielen Faktoren abhängt, nicht nur von den persönlichen Entwicklungen oder Verletzungen. Es geht auch darum: Auf welchen Positionen gehen bei den Profis Türen auf? Nehmen wir Mathias Olesen, der plötzlich im Kader stand, weil Ellyes Skhiri ausfiel. Bei Tim Lemperle und Marvin Obuz sind wir zuversichtlich, dass sie bei uns oben stattfinden werden, aber aktuell haben wir viel Qualität in unserer Offensive, sodass die Tür noch nicht aufgegangen ist. Das heißt nicht, dass wir nicht an die Jungs glauben. Wir müssen aber Geduld haben. Wir wollen unsere eigenen Talente bestmöglich – und langfristig aufbauen. Wir dürfen die Jungs auf dem Weg dahin nicht verlieren.
Wer hat denn den größten Sprung gemacht?
Jonas Urbig habe ich schon angesprochen. Marvin Obuz hat eine starke Entwicklung genommen. An ihm sieht man, wie viel es jungen Spielern bringen kann, viele Spiele in der Regionalliga zu machen. Darüber hinaus ist in der zweiten Mannschaft viel Potential vorhanden, wenn ich nur an Joshua Schwirten, Mathias Olesen oder Jens Castrop denke.
Merkt man, dass die Ungeduld größer wird bei den Talenten?
Definitiv. Die Spieler unterscheiden sich natürlich, aber Geduld ist nicht so weit verbreitet, wie es nötig wäre. Die Frage lautet häufig: Wann ist der erste Einsatz? Das ist aber die falsche Frage. Die richtige Frage lautet: Wie viele Einsätze werden es irgendwann? Das Alter des ersten Einsatzes sagt nichts darüber aus, wie die Karriere verlaufen wird.
Christian Keller hat bereits angekündigt, dass er den Weg mit dem Nachwuchs gehen will. Was für einen Typ Sportchef bekommt der 1. FC Köln ab dem 1. April 2022?
Was Christian Keller in Regensburg ausgezeichnet hat, war seine analytische Herangehensweise. Er hat eine sehr akribische Kaderplanung betrieben, hat sich sehr intensiv mit Spielern befasst, musste sehr kreativ sein, weil nicht viel Geld vorhanden war. Er hat sehr viel nach Potential und nicht nur auf das aktuelle Niveau geschaut. So hat er dem Jahn eine übergeordnete Idee gegeben, wo man herkommt und wo man hinkommen will.
Lässt sich das auf den FC übertragen?
Das wird die Herausforderung sein. Der FC ist eine Marke. Du kannst praktisch überall in der Welt Spieler und Berater ansprechen und sie kennen den 1. FC Köln und die Bundesliga. Das war, bei allem Respekt, in Regensburg sicher anders. Aber Christian Keller denkt sehr viel in Potentialen, und das wird dem FC zugutekommen.
Was soll Christian Keller anders machen als seine Vorgänger?
Unabhängig davon, was seine Vorgänger gemacht haben, muss er nachhaltig arbeiten. Nachhaltig arbeiten heißt, dass du mit den eingesetzten finanziellen Mitteln dauerhaften Erfolg haben musst. Hier wurde in den letzten Jahren teilweise sehr kurzfristig gedacht, in zu kurzen Zyklen. Unter den Zielsetzungen wurden Entscheidungen getroffen, die ungesund waren für den Klub, die zwar geholfen haben, die Ziele zu erreichen, nicht aber, um eine dauerhafte Entwicklung voranzutreiben. Christian Keller wird einen anderen Ansatz haben.
Wie werden Sie die Übergabe an Christian Keller begleiten?
Es ist so besprochen, dass ich bis zum Saisonende mit dabei bleiben werde und sich daraus entwickeln wird, wo ich mich auch über die Saison hinaus weiter einbringen kann und soll.
Das heißt, Sie werden über die Saison hinaus im operativen Bereich bleiben?
Stand heute gehe ich davon aus, dass ich in beratende Funktion zurückkehre. In welcher Form ist noch nicht besprochen, aber ich habe großen Spaß an dieser Arbeit und stehe gerne zur Verfügung. Wir sitzen ja alle in einem Boot, und ich hoffe, dass es auch künftig okay sein wird, wenn ich im NLZ, im Scouting oder im Call Center vorbeischaue und guten Tag sage.
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