Der 1. FC Köln hat sich die Förderung der eigenen Nachwuchsspieler für die Zukunft groß auf die Fahne geschrieben. Im zweiten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews spricht Steffen Baumgart unter anderem darüber, warum sich dabei nicht immer die talentiertesten Spieler durchsetzen, wie die Kaderplanung für den Sommer läuft und wie er seine persönliche Zukunft sieht.
Das Interview führte Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Baumgart, wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung Ihrer Nachwuchsspieler?
STEFFEN BAUMGART: „Die Jungs brauchen alle noch ein, zwei Jahre, bis wir sagen: Das sind Bundesliga-Spieler. Aktuell sind sie im Bundesliga-Kader und können punktuell helfen. Jan Thielmann ist aktuell zum Beispiel deutlich weiter als Tim Lemperle. Trotzdem weiß ich nicht, wer von diesen Jungs in zwei Jahren das Niveau haben wird, das wir brauchen. Wir werden aber alles versuchen, sie dorthin zu führen.“
Sie haben im Herbst gewarnt, die Talente dürften nicht zu ungeduldig werden oder sich überschätzen. Ansonsten müsste man sich trennen.
Es geht darum, dass Toptalente im Nachwuchs in der Regel immer die Besten waren. Dann aber kommen sie zu den Profis und treffen auf eine Mannschaft, in der sie nicht mehr gesetzt sind. Die Jungs kommen voller Selbstbewusstsein aus der Akademie und sagen: Wir wollen spielen. Das Problem ist, dass sie ab diesem Moment einen anderen Weg gehen müssen. Denn dann geht es nicht mehr nur um das Talent, sondern um harte Arbeit. Warum, glauben Sie, setzen sich nicht immer die Talentiertesten durch? Weil es darum geht, bissig zu sein und zu bleiben, kontinuierlich zu arbeiten, demütig zu sein.
“Wir sind doch nicht im Kindergarten”
Das Allheilmittel der Talentförderung heißt aber Spielpraxis im Profibereich.
Was heißt denn Spielpraxis? Wir sind doch nicht im Kindergarten. Ein Spieler muss einen anderen Spieler verdrängen, um spielen zu können. Gefördert wird er im Training. Jeden Tag. Der Spieler kann unter höchsten Bedingungen bei uns trainieren. Dieses Training hilft ihm, und nicht, dass er am Wochenende mal zehn Minuten reingeworfen wird. Wem das nicht reicht, für den kann es gut sein, zwischendurch woanders hinzugehen.
Wie Jens Castrop mit seiner Leihe nach Nürnberg?
Natürlich, wieso denn nicht? Aber auch da hängen die Trauben hoch. Du gehst nicht einfach so nach Nürnberg und wirst automatisch spielen. Es wäre super für den Jungen, wenn er sich da durchsetzt. Denn dann können wir sagen: Je besser er sich dort macht, desto besser ist das auch für uns.
Spieler wie Jan Thielmann oder Mathias Olesen gefallen Ihnen gut. Warum?
Weil beide im Training hart an sich arbeiten. Alleine, was Matze (Olesen) in der Zeit, seit er hier ist, für einen Sprung gemacht hat. Das zeichnet ihn und die Ausbildung hier beim FC aus. Wenn man ihn im Training beobachtet, fällt er nicht auf – und zwar im besten Sinne. Man merkt bei ihm keinen Unterschied zu allen anderen Spielern. Trotzdem ist der Weg in die Mannschaft hinein noch einmal ein anderer.
“Bei Jan geht es gerade etwas schneller”
Inwiefern?
Tim zum Beispiel macht und tut, er arbeitet gut, ist aber trotzdem unzufrieden. Warum? Weil ihm noch nicht klar ist, was für einen großen Schritt er in seiner Entwicklung schon gemacht hat. Du darfst in diesem Moment nicht ungeduldig werden und musst weiterarbeiten. Dafür ist Jan das beste Beispiel.
Ist Jan Thielmann auch deswegen weiter als Tim Lemperle?
Jan hat einen riesigen Satz gemacht. Wenn man sieht, wie er jetzt anläuft, wie er körperlich besser wird. Trotzdem gelingt ihm in der der Bundesliga nicht jede Aktion. Er lässt sich davon aber nicht vom Weg abbringen. Genau deswegen bin ich überzeugt, dass der Junge in den nächsten ein, zwei Jahren seinen Weg gehen wird. Die Überzeugung habe ich bei Tim auch, aber bei Jan geht es gerade etwas schneller.
“Wir brauchen eine Bundesliga-Mannschaft”
Wie läuft, nicht nur auf die Talente bezogen, die Kaderplanung für den Sommer?
An der Planung arbeiten wir jeden Tag. Ich bin kein Trainer, der sagt: Diesen Spieler will ich, bitte machen! Wir wissen, was wir wollen. Aber bei allen Talenten, die wir fördern wollen, dürfen wir nicht vergessen: Wir brauchen eine Bundesliga-Mannschaft. Wir brauchen auch Jungs, die schon mal Bundesliga gespielt und bewiesen haben, dass sie bestehen können.
Auf welche Qualitäten werden Sie achten?
In erster Linie wird es um Mentalität gehen. Das klingt einfach, aber wir müssen Spieler finden, die nicht nur die spielerische Qualität mitbringen, sondern auch gewillt sind, unseren Weg mitzugehen. Und wir müssen schauen, welche Spieler bleiben und welche gehen werden.
Wo sehen Sie Fragezeichen?
Ich glaube, dass wir in der Defensive gut aufgestellt sind, auf der Torwart- und Innenverteidiger-Position, auch in der Breite. Auf den Außen werden wir abwarten müssen: Benno und Jannes haben auslaufende Verträge. Fühlt sich Easy (Kingsley Ehizibue, d.Red.) im Sommer noch wohl? So können wir jede Position durchgehen. Wir müssen abwarten, wie sich alles entwickelt.
Sie haben die Torwart-Position angesprochen. Bis zum Sommer ist die Entscheidung gefallen. Wie wird es im Sommer mit Marvin Schwäbe und Timo Horn weitergehen?
Ich will mal klarstellen: Timo ist kein Verlierer. Hätte er sich nicht verletzt, wäre er die Nummer eins geblieben. Marvin hat seine Chance genutzt, und jetzt kann er zeigen, dass er mit der neuen Situation umgehen kann. Im Sommer werde ich mir die Entscheidung zunächst offen lassen, denn wir haben jetzt zwei Nummer-eins-Torhüter auf Augenhöhe und wir werden neu entscheiden müssen.
“Von solchen Schwüren halte ich nichts”
Bis zum Sommer will der FC, so heißt es, auch mit Ihnen Gespräche über ihren Vertrag geführt haben. Wie schaut es mit einer Verlängerung aus?
Zunächst einmal: Ich habe einen Vertrag bis 2023 und möchte den sehr gerne erfüllen. Wir unterhalten uns natürlich darüber, wie die Zukunft aussehen könnte. Ich finde aber, wir müssen darüber öffentlich gar nicht groß sprechen. Ich fühle mich hier sehr wohl. Deswegen lasse ich das in Ruhe auf mich zukommen.
Würden Sie auf einer Ausstiegsklausel in Ihrem Vertrag bestehen?
Ich habe bislang noch keine Ausstiegsklauseln in meinen Verträgen gehabt und glaube auch nicht, dass ich eine haben möchte, wenn ich meinen Vertrag hier verlängere. Ich schaue nicht nach links und rechts oder schon nach dem nächstmöglichen Schritt. Ich würde mich andererseits aber auch nie hinstellen und erklären: Ich bleibe auf ewig hier. Von solchen Schwüren halte ich nichts. Dafür sind wir dann doch im Profifußball.
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