Mit unter 1000 Teilnehmenden hat der 1. FC Köln am Dienstagabend seine Mitgliederversammlung in der Lanxess Arena abgehalten. Während der Vorstand mit großer Mehrheit in eine zweite Amtszeit gewählt wurde, fiel die Diskussion über die Vorfälle in Nizza für die Verantwortlichen überraschend knapp aus.
Aus der Lanxess Arena berichten Sonja Eich und Marc L. Merten
Erst vor einer Woche hatte der Vorstand des 1. FC Köln in einem offenen Brief an seine Mitglieder dafür geworben, sich auf der Mitgliederversammlung am Dienstagabend gemeinsam über die Vorfälle in Nizza austauschen und Diskussionen führen zu wollen. “Wir wollen diese Debatte mit unseren Mitgliedern und Fans führen, mit unseren Gremien, wir brauchen die Unterstützung von Politik und Polizei. Alle anderen Antworten sind zu einfach, nicht ehrlich und führen nicht zum Ziel”, hieß es in der Mitteilung. Weiter wollte der FC “der Debatte darüber den Raum geben, den sie braucht – nicht zuletzt bei der Mitgliederversammlung in der kommenden Woche. Es ist ein Punkt erreicht, an dem wir so nicht weitermachen können.”
FC will Dialoge fortführen
Entsprechend wurden die gewaltsamen Szenen aus Nizza auch in den Reden von Präsident Werner Wolf, Geschäftsführer Christian Keller und dem Mitgliederratsvorsitzenden Ho-Yeon Kim aufgegriffen. Dabei verurteilten die Verantwortlichen die Vorfälle erneut auf das Schärfste. Werner Wolf fasste die Geschehnisse dabei noch einmal ausführlich zusammen, berichtete von den unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen und den normalen FC-Fans, die bereits am Tag vor dem Spiel Opfer von Angriffen geworden seien. “Wir, Vorstand, Geschäftsführung und der gesamte FC, werden alles tun, die Täter aus Nizza ausfindig zu machen. Alle werden mit Stadionverbot, Dauerkartenentzug und Vereinsausschluss belegt werden”, machte Wolf deutlich. “Unsere tiefste Überzeugung ist, dass wir mit allen im Gespräch bleiben müssen. Nicht mit den Gewalttätern, aber mit allen anderen werden wir die Dialoge fortführen.”
Diesen Aussagen pflichtete auch Keller bei, für den die Gemeinschaft eines der höchsten Güter sei. “Wenn alle gemeinsam in die gleiche Richtung laufen und sich nicht beirren lassen, selbst wenn schlimme Sachen passieren – und Nizza war schlimm – dann müssen wir das in der Gemeinschaft regeln. Wenn sich jemand nicht so verhält, müssen wir mit ihm reden und dürfen nicht sagen: Der muss weg. Das ist keine Lösung, der Dialog ist die Lösung.”
Ho-Yeon Kim erklärte derweil, dass sich der Mitgliederrat beratend im Hintergrund gehalten habe. “Das entspricht unserer Rolle”, sagte der Vorsitzende des Gremiums. Vielmehr habe der Mitgliederrat “zugehört, hat Ängste und Sorgen aufgenommen. Der Mitgliederrat lehnt geschlossen Gewalt ab und hat dem Vorstand geraten gegen die Gewalttäter vorzugehen.”
Nachdem die Verantwortlichen ihre Jahresberichte vorgetragen hatten, hätte Tagesordnungspunkt 5 “Aussprache zu den Jahresberichten für das Geschäftsjahr 2021/22” eigentlich den Raum geboten, in eine lebhafte Diskussion innerhalb der Mitgliedschaft einzusteigen. Bis auf zwei Mitglieder, die sich in einem kurzen Statement schockiert über die Vorfälle gezeigt hatten, fehlte es jedoch an Wortmeldungen der etwas mehr als 900 anwesenden Mitglieder. Entsprechend zeigte sich auch eines der Mitglieder an Tagesordnungspunkt 12, der “Allgemeinen Aussprache”, überrascht. “Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen verwundert, dass das Thema Nizza soweit nach hinten geschoben wurde”, sagte das Mitglied, das selbst in Nizza vor Ort gewesen sei und auf Beiträge weiterer Augenzeugen oder Betroffenen gehofft hatte.
Wolf verwundert über geringe Teilnahme an Aufarbeitung
Gleichzeitige hätte er sich eine “klarere Stellungnahme von den Personen gewünscht, die hier oben sitzen. Mir geht es um erfolgsorientierte Maßnahmen, die habe ich bisher aber noch nicht gesehen. Ein Verein sollte sich auch um die Betroffenen kümmern.” Im Anschluss daran machte Werner Wolf noch einmal deutlich, dass die Aufarbeitung auch von Seiten der Polizei Zeit benötige, der FC aber alles in seiner Macht stehende tun würde, um die Täter ausfindig zu machen und gleichzeitig den Betroffenen die bestmögliche Hilfe anzubieten.
Nichtsdestotrotz zeigte sich der alte und neue Präsident des 1. FC Köln überrascht darüber, dass die Bühne am Donnerstagabend kaum genutzt wurde, um sich untereinander auszutauschen und möglicherweise auch emotional zu diskutieren. “Es hat mich gewundert, dass es so wenige Wortmeldungen gab. Ich habe das nicht erwartet, weil Nizza uns persönlich Bauchschmerzen bereitet. Ich habe da eine komplett andere Diskussion erwartet, als die, die wir erlebt haben”, gab Wolf zu. Eine Erklärung dafür sei möglicherweise die transparente Vorgehensweise und die klaren Worte, die der Vorstand bereits im Vorfeld an die Mitglieder gerichtet hätte. “Wir haben kommuniziert, was wir getan haben und tun wollen. Das hat viel zur Beruhigung beigetragen. Deshalb ist die ein oder andere Frage vielleicht nicht gestellt worden.”
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