Polizeikräfte rund um das Stadion. (Foto: Mika Volkmann)

Kommentar: Eine bedenkliche Entwicklung – nicht nur für den FC

[nextpage title=”Populismus statt sachliche Bewertung”]

Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob fand in der vergangenen Woche aus seiner Sicht klare Worte für den Vorfall in Bocklemünd: “Ich bin tief entsetzt. Was wir da auf Kölner Straßen erleben mussten, hat eine neue Dimension.” Die Vorfälle in Bocklemünd waren widerwärtig, keine Frage. Doch weder die Polizei noch die Politik scheinen sich eingestehen zu wollen, worum es wirklich geht – nicht nur in Köln.

Ein Kommentar von Marc L. Merten

Der 1. FC Köln hat neue Stadionverbote verhängt. Das war das Mindeste, was der Klub mit jenen identifizierten Angreifern machen konnte, die in der Nacht von Montag auf Dienstag einen Bus mit Anhängern von Union Berlin angegriffen hatten. Doch viel mehr bleibt dem Klub nicht. Er kann jenen Personen mit Dauerkarten diese Karten entziehen. Vielleicht sollte er sogar überlegen, die Vereinsmitglieder unter ihnen wegen vereinsschädigen Verhaltens aus dem Klub zu werfen. Das war’s dann aber auch an Möglichkeiten.

Die Kölner Polizei dagegen scheint der Meinung zu sein, der Verein habe noch weit mehr Macht über all seine Fans. Aber kann ein Fußballklub wirklich mitverantwortlich sein für Gewaltausbrüche erwachsener Menschen, die diese auf offener Straße mit anderen vermeintlichen Fußballfans ausleben? Diese Sichtweise tragen Polizei und Politik nicht nur in Köln schon seit Jahren vor sich her. Dabei verleumden die Behörden jedoch, dass sich diese Menschen längst vom Fußball als Kernelement ihrer Identität verabschiedet haben – wenn dieses je für sie existiert hat. Der Fußball ist lediglich die öffentlichkeitswirksame Plattform, über die sie ihre Gewalt austragen. Aber eine neue Dimension? Der ehemalige französische Polizist Daniel Nivel würde dem Kölner Polizeipräsidenten wohl ins Gesicht lachen, wenn er könnte – und wenn die populistische Äußerung Jacobs nicht so traurig, weil undifferenziert und effekthascherisch wäre.

FC bittet um Hilfe – Polizei kritisiert den Klub

Es handelte sich in der Tat um eine konzertierte Aktion gewaltbereiter Menschen, um einen Angriff auf andere Menschen, um geplante Gewalt mit ausführlicher Vorbereitung. Wer hat schon mal eben einen Peilsender bei sich, um diesen an einem Bus anzubringen? Zusammen mit der versuchten Flucht in nicht beleuchteten Autos glichen die Schilderungen der Vorfälle eher einem Kriminalroman als dem, was in der Regel rund um ein Fußballstadion passiert. Ausschreitungen gibt es zwar auch da immer wieder, allerdings auf eine gänzlich andere Art und Weise.

Der 1. FC Köln richtete in seiner ersten Stellungnahme sogar einen Hilferuf an die Sicherheitsbehörden und Politik. “Außerhalb des Stadions und abseits unserer Spiele sind die Vereine im Kampf gegen Gewalt auf Polizei und Justiz angewiesen”, hieß es dort. Doch statt diesen Ruf aufzugreifen, kritisierte die Polizei den Verein, nicht an der Pressekonferenz teilgenommen zu haben. Tatsächlich hätten die Geissböcke diese Plattform nutzen können, um auf die wahren Probleme hinzuweisen. Doch die will seitens der Polizei und der Stadt Köln offenbar niemand hören.

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Gewalt wird nicht im Fußballstadion geboren

Das zeigte die Aussage der Kölner Staatsanwältin Natalie Neuen. Wenn die Spirale sich weiterdrehe, hätten wir bald keine Fußballspiele mehr, sondern würden uns “nur noch mit Gewalt im Fußball befassen”. Doch genau das ist es nicht. Es ist keine Gewalt im Fußball, sondern Gewalt in der Gesellschaft, die sich den Fußball als Plattform sucht. Freilich gibt es auch Gewalt im Fußball, im Stadion und im direkten Stadionumfeld. Das aber, was in der Nacht von Montag auf Dienstag der vergangenen Woche passiert ist, gehört nicht mehr dazu, da sich diverse Menschen darunter befanden, die offen nichts mit Fußball oder den Klubs aus Köln oder Berlin zu tun haben.

Schwere Straftaten wie Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr sind keine Straftaten, die der 1. FC Köln jemals wird verhindern können. Der Effzeh und andere Fußballklubs sind freilich dazu aufgerufen, diese Probleme nicht alleine auf eine gesellschaftlich höhere Ebene zu heben und sich so der Verantwortung zu entziehen, innerhalb ihres Rahmens zu handeln. Doch die Polizei, die Behörden und die Politik müssen endlich aufhören so zu tun, als sei es mit Stadionverboten getan, wenn die Taten doch weitab von jedweder Arena ausgetragen werden. Die staatlichen Instanzen müssen sich eingestehen, dass diese Menschen mit Hang zur Gewalt nicht im Fußballstadion geboren oder sozialisiert werden, sondern auf den Straßen der Stadt. Und dort sind nicht die Klubs zuständig, sondern die Städte und Behörden.

Wolfsburger Verhalten ein Symbol des Scheiterns

Ein zentrales Problem scheint aber offenbar unaufhebbar zu sein: dass die Polizei die Vorfälle in Stadien mit jenen weit außerhalb der Arenen und Zuständigkeiten der Klubs in einen Topf wirft. Das zeigt die Absage der Wolfsburger Polizei zu einer Aufarbeitung der Vorfälle beim VfL am 34. Spieltag gemeinsam mit dem 1. FC Köln. Dass auf Seiten einiger Behörden offenbar nicht einmal das Interesse besteht, differenziert und sachlich mit den Problemen umzugehen, ist Wasser auf die Mühlen jener, die sich einen tiefen Graben zwischen allen beteiligten Gruppen wünschen. Diese Entwicklung ist bedenklich und gefährlich.

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