Zettelwirtschaft beim FC: Jonas Hector und Rafael Czichos lesen Hinweise des Trainerteams nach der Einwechslung von Anthony Modeste. (Foto: Mika Volkmann)

Verzettelt

Als Anthony Modeste in der 74. Minute beim Stand von 1:3 aus Sicht des 1. FC Köln eingewechselt wurde, schien Trainer Markus Gisdol noch einmal zum Angriff blasen zu wollen. Der Stürmer brachte gleich zwei Zettel mit Notizen auf den Platz, die Jonas Hector und Rafael Czichos studierten. Taktische Umstellungen, weil Gisdol mit Ehizibue einen Verteidiger vom Feld genommen hatte. Doch drei Minuten später machte Erling Haaland das 1:4 und die Partie war gelaufen.

Aus Dortmund berichten Sonja Eich und Marc L. Merten

Geschichte des Spiels: Freilich reden in Dortmund nach diesem 5:1-Sieg des BVB gegen den FC alle über Erling Haaland. Der Stürmer scheint eine Maschine zu sein, der noch unzählige Tore in der Bundesliga schießen dürfte. Doch aus Kölner Sicht war die Geschichte des Spiels in der 29. Minute erzählt. Mats Hummels durfte sich völlig ohne Kölner Druck im Spielaufbau den Ball zurecht legen, schauen, noch mal schauen, immer noch kam kein Kölner, und die Kugel dann in hohem Bogen zu Marco Reus in dessen Lauf schlagen. Der Stürmer war frei durch und machte das 0:2. Aus Kölner Sicht unglaublich ärgerlich: Schon dem 0:1 nach 52 Sekunden war ein solch langer Ball vorausgegangen. Jeder Bundesliga-Kenner weiß, dass Hummels diese langen Bälle sucht. Jeder weiß, dass er sie schlagen kann wie kaum ein zweiter. Und jeder weiß, dass man gegen Dortmund dann Chancen hat, wenn man Hummels aus dem Spiel nimmt. Doch der FC ließ sich zweimal von langen Bällen übertölpeln. Dortmund musste nicht einmal kombinieren. Lange Bälle im eigenen Stadion reichten. Das war zu einfach. Das war aus Kölner Sicht zu schlecht verteidigt. So hatten die Geissböcke sich die Niederlage komplett selbst zuzuschreiben.

Das Ergebnis: Im Presseraum des BVB hängt eine Tafel, auf der Journalisten ihren Tipp zum Spiel abgeben können. Am Freitagabend hatten über dreißig Medienvertreter ihre Ergebnis-Vorhersagen getroffen. Nur drei tippten auf einen Kölner Sieg. Ein Norweger gewann, ausgerechnet ein Haaland-Landsmann. Er hatte, gemeinsam mit einem anderen Kollegen, ein 5:1 vorhergesagt. Der TV-Journalist hatte aber auch das Halbzeitergebnis von 2:0 vorhergesagt. Er hätte damit bei einem Wettanbieter wohl einige Euro verdienen können. In Dortmund bekam er eine Tankkarte als kleines Geschenk. Der GEISSBLOG.KOELN enthielt sich der Tipprunde. Sowas bringe Unglück, dachten die GBK-Reporter. Die Enthaltsamkeit half am Ende aber auch nichts.

Einwechslung des Spiels: Mark Uth hatte gerade das 1:3 aus Kölner Sicht erzielt, die Geissböcke witterten wieder Morgenluft. Da bebte das Westfalenstadion. Erling Haaland war sofort nach dem FC-Treffer aufs Spielfeld gekommen. Der neue BVB-Stürmer sollte die Hoffnung der Gäste im Keim ersticken. Zehn Minuten später brachte auch Markus Gisdol seinen Sturm-Joker. Anthony Modeste brachte mehrere Zettel mit auf den Platz, weil mit Ehizibue ein Verteidiger für ihn vom Feld gegangen war. Taktischen Umstellungen, personelle Zuordnungen – das dürfte auf Kölns Zettelwirtschaft gestanden haben. Doch dann verzettelten sich die Geissböcke und Haaland gewann das Joker-Duell gegen Modeste haushoch.

Szene des Spiels: Manchmal entscheiden Zentimeter über den Verlauf eines Spiels. Es lief die 46. Minute. Der FC kam mit neuem Mut aus der Kabine. Langer Ball Bornauw, Hummels stolperte, Cordoba war frei durch. Der Kolumbianer legte den Ball an Bürki vorbei. Innenpfosten. Der Ball sprang wieder raus, Jakobs schoss, Bürki hielt. Doch nicht nur hatten Cordoba Zentimeter gefehlt, um das 1:2 zu markieren, als der Ball eben nicht ins Tor, sondern an den Innenpfosten ging. Er hatte zuvor auch im Abseits gestanden. Zentimeter. Wenn überhaupt. Es war die Gegenbewegung zwischen einem Stürmer, der aus dem Abseits läuft, und dem Verteidiger, der sich zurückfallen lässt. Cordobas Schulter war offenbar noch im Abseits. Das Tor hätte also nicht gezählt. Zwei Minuten später machte Jadon Sancho das 0:3.

Pfiff des Spiels: Über eine Szene wurde später noch trefflich diskutiert. Keine der sechs Tore. Es war die Grätsche von Sebastiaan Bornauw gegen Achraf Hakimi. Der Belgier hatte den Ball gespielt. Und das vor dem Strafraum. Schiedsrichter Harm Osmers gab aber Elfmeter und Gelb für Bornauw. Der VAR griff ein und verlegte den Tatort auf außerhalb des Strafraums. Das Problem: Dass es gar kein Foul war, durfte der VAR indes nicht korrigieren – und so blieb auch die Gelbe Karte gegen Bornauw bestehen. Bitter für den 20-Jährigen: Es war seine Vierte – bei der nächsten ist er gesperrt. Doch Osmers schien sich in der Halbzeitpause diese Szene noch mal angeschaut zu haben. Denn als Bornauw Ende des Spiels unsanft an der Seitenlinie in einen Zweikampf fiel und Gelb – und damit Gelb-Rot – hätte sehen können, beließ es Osmers bei einer Ermahnung. So glich er seinen Fehler wieder aus und Bornauw ist gegen Freiburg nächste Woche dabei.

Zitat des Spiels: “Es war klar, dass wir keinen Durchmarsch hinlegen und bis zum Saisonende nicht mehr verlieren würden”, sagte Sportchef Horst Heldt nach der Partie. “Wir müssen uns aber darüber ärgern und es richtig einordnen. Wir haben in den letzten Spielen vieles gut gemacht. Heute haben wir es nicht so konsequent gemacht wie zuletzt. Die Abstände haben nicht gestimmt. Wir haben es einem starken BVB zu leicht gemacht. Das tut weh, weil uns die fünf Gegentore weh tun.”

Erkenntnis des Spiels: Der FC hat ein Spiel verloren, das man verlieren kann. Im Kampf um den Klassenerhalt wäre eine Überraschung viel wert gewesen. Mehr wert wäre aber eine sofortige Reaktion im nächsten Spiel gegen Freiburg, um dann mit Mut und Überzeugung ins Derby nach Mönchengladbach zu fahren. In den Spielen gegen Dortmund oder Bayern wird sich für den FC nicht der Abstiegskampf entscheiden. Doch die Geissböcke tun gut daran, die Fehler genau zu analysieren. Es gab sie und man verlor vor allem mit minus vier erneut Boden in Sachen Torverhältnis. Das schmerzt die Kölner womöglich noch mehr als das verlorene Spiel. Denn Dortmund, das muss man eindeutig festhalten, ist nicht annähernd Kölns Kragenweite.

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