Der 1. FC Köln testete am Mittwoch erneut auf das Coronavirus. (Foto: Bucco)

Vertrauensvorschuss: Wie kann der Fußball das schaffen?

Die Bundesliga darf die Saison 2019/20 beenden. Die Politik hat den Weg für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs frei gemacht, die DFL am Mittwochabend den 15. Mai als Starttermin festgelegt. So weit, so gut. Doch für alle Beteiligten werden die kommenden Wochen ein Kraftakt. Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass die Freigabe kein Freifahrtschein ist. Nicht nur die Vereine und Spieler sind nun gefragt.

Köln – Die Äußerungen des 1. FC Köln zur Entscheidung der Politik machten es deutlich: Die Bundesliga wird wieder stattfinden, damit der Profifußball überleben kann. “Für den 1. FC Köln ist diese Entscheidung von existenzieller Bedeutung und deshalb begrüßen wir sie natürlich”, sagte Geschäftsführer Alexander Wehrle, fügte aber auch an: “Diesen Vertrauensvorschuss nehmen wir alle sehr ernst und stellen unsere persönlichen Interessen zurück, um es möglich zu machen, dass die Saison zu Ende gespielt werden kann.”

An diesen Worten werden sich nicht nur die Verantwortlichen des FC, sondern der gesamten Liga messen lassen müssen. Aus diversen Klubs war nach den Tests des vergangenen Wochenendes zu hören, dass es so mancher Spieler in den letzten Wochen mit den strikten Vorschriften nicht so genau genommen hatte. Salomon Kalou war da nur der sichtbare Skandal vor einer Reihe an Profis, die wohl auch CSU-Chef Markus Söder gemeint haben dürfte, als er am Mittwoch sagte: “Wir wissen, dass der Wiederbeginn des Fußballs kontrovers ist. Die Vereine tun alles, um die nötigen Bedingungen zu schaffen. Ich erwarte aber, dass die Spieler mit Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie sich nicht an die Vorgaben halten. Nicht nur normale Menschen haben sich daran zu halten, sondern auch jene, die viel verdienen und privilegierter sind.”

Große Verantwortung für die Klubs und ihre Angestellten

Zwar sind Bundesliga-Profis aufgrund ihrer Gehälter ein leichtes Ziel für öffentliche Äußerungen dieser Art und beileibe nicht die einzigen Menschen, die es in den zurückliegenden zwei Monaten mit den Einschränkungen in der Corona-Krise nicht allzu genau genommen haben dürften. Weil der Bundesliga nun aber die Möglichkeit gegeben wird, die Saison zu beenden, ist die Erwartung seitens Politik und Gesellschaft hoch. Die DFL, die Vereine und die Spieler müssen zeigen, dass sie das vorgeschlagene Konzept auch zu leben und umzusetzen bereit sind – nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch hinter den Kulissen. DFL-Boss Christian Seifert sprach daher auch von einer “großen Verantwortung für die Klubs und ihre Angestellten”.

Auch Fans und Medien sind gefragt

Doch nicht nur die Hauptakteure im Profifußball sind gefragt, auch jene, die den Klubs folgen: die Fans und die Medienvertreter. Die Anhänger sind bereits in den vergangenen Wochen immer wieder gebeten worden, bei Wiederbeginn der Liga nicht zum Stadion zu pilgern, um ihre Teams zu unterstützen – so, wie man es beim Geisterspiel des FC in Gladbach noch erlebt hatte. In Köln haben in den vergangenen Wochen mehrere Ultra-Gruppierungen, darunter die Wilde Horde und die Coloniacs, durch ihr gesellschaftliches Engagement Besonnenheit in und Verständnis für die aktuelle Situation gezeigt. Daher geht man bei den Geissböcken davon aus, dass sich keine Fangruppierungen während eines Kölner Heimspiels in Müngersdorf außerhalb des Stadions einfinden werden. Andernorts dagegen hegen Klubs die Sorge, dass dies sehr wohl passieren könnte.

Auch die Medienvertreter werden sich in den kommenden Wochen auf ein anderes Arbeiten einstellen müssen. Schon während der Spielpause hatten die Trainings meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, Interviews waren die Ausnahme geworden, Gesprächsrunden am Trainingsplatz gänzlich entfallen und das Ansprechen der Verantwortlichen und Spieler vor der Geschäftsstelle oder auf dem Weg zum Trainingsplatz aufgrund der Distanzvorschriften nicht mehr möglich gewesen. Während der Bundesliga-Spiele wird zudem bis zum Ende der Saison nur noch ein Bruchteil der normalen Journalistenschar in die Stadien gelassen. Zehn Reporter der Nicht-Rechteinhaber, bis zu 23 Medienvertreter der Lizenznehmer sind gestattet. Presseraum und Mixed Zone bleiben geschlossen, Interviews mit den Spielern nach den Partien wird es nur für die Rechteinhaber auf dem Spielfeld geben. Die Pressekonferenzen werden virtuell stattfinden, ohne örtlich anwesende Journalisten. So müssen die Reporter auf wichtige Teile ihrer Arbeit verzichten und sich anders organisieren.

Wie entscheidet sich der Fußball?

Der Fußball steht unter dem Verdacht, drastisch bevorzugt zu werden, während andere Branchen weiter unter den Einschränkungen ächzen und tausende Unternehmen vor dem Bankrott stehen. Großunternehmen und solche mit einer großen Lobby wie der Profifußball scheinen von der Politik einfacher und schneller geholfen zu werden als weniger gut organisierten Branchen, denen es an einer einflussreichen Vertretung fehlt. So muss der Fußball dieser Tage zwar teils haarsträubende Vergleiche aushalten und darf dies auch zurecht reklamieren. Doch als alles dominierende Sportart in Deutschland, die neben sich keine zweite duldet, wird nicht nur Fußball-Deutschland in den kommenden Wochen genau darauf schauen, wie das Fußballbusiness mit all seinen Figuren auf zwei Fragen reagieren wird.

Erstens, ob der Fußball tatsächlich seine Aufgabe der Unterhaltung erfüllt und in der Coronakrise ein positives Signal aussendet. Und zweitens, ob aus der Krise die richtigen Lehren gezogen und echte Veränderungen eingeleitet werden oder ob in einigen Monaten einfach gefragt wird: War was? Beim 1. FC Köln müht man sich, den entstandenen Schaden des Wochenendes zu reparieren durch eine möglichst professionelle Einleitung des Mannschaftstrainings inklusive Quarantäne für das gesamte Team. In der Liga dagegen entbrannte schon der nächste Kampf, wann die Spiele beginnen sollen und ob jemand von einem früheren oder späteren Start einen Wettbewerbsvor- oder -nachteil haben könnte. Das zeigt: Kaum geht es wieder um Punkte, ist es mit der Solidarität schon wieder vorbei. Dabei müsste gerade jetzt, da die Politik dem Fußball und seinen Mitstreitern, Anhängern und Interessensgruppen, ein großes Geschenk gemacht hat, Einheit und Gemeinschaft für ein gemeinsames Ziel herrschen. Denn dann könnte es der Fußball womöglich schaffen, Vorbild zu sein.

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