Horst Heldt hat am Tag nach der 1:3-Derby-Pleite des 1. FC Köln bei Bayer Leverkusen ausgesprochen, was viele FC-Fans über die aktuelle Krise der Geißböcke denken: “Es ist doch selbstredend, dass wir das Mist finden.” Der Sportchef forderte aber auch eine realistische Bewertung der Saison und des Erreichens des Klassenerhalts. Dabei stellte er sich auch deutlich hinter Trainer Markus Gisdol.
Köln – Als Markus Gisdol und Horst Heldt Mitte November 2019 ihre Arbeit am Geißbockheim aufnahmen, stand der 1. FC Köln mit sieben Punkten aus elf Spielen tief im Tabellenkeller. Nach drei Spielen unter der neuen Führung fiel der FC gar auf den letzten Tabellenplatz zurück. Nach 32 Ligaspielen jedoch haben die Geißböcke den Klassenerhalt nach menschlichem Ermessen geschafft – trotz der zwei Krisen im ersten und letzten Saisondrittel.
“Diese Leistung auch nur ansatzweise in Frage zu stellen, ist töricht”, sagte Heldt am Donnerstag und meinte damit insbesondere jene Wende, die Markus Gisdol mit der Mannschaft zwischen Mitte Dezember und Mitte März hinlegte und 24 von 30 möglichen Punkten holte. Der Sportchef betonte, dass Gisdol einen Job übernommen habe, den sonst kaum jemand anderes hätte haben wollen. “Die Leute standen hier nicht Schlange”, erinnerte der Sportchef und meinte damit sehr wohl: Gisdol hatte sich auf ein Himmelfahrtskommando eingelassen und dieses zu einem guten Ende geführt. Ein Ende, das man in der Tat so nicht erwartet hatte.
Ich sage nicht, dass ich nicht auch geträumt habe
Doch Heldt gestand auch ein, dass die enttäuschenden letzten Wochen mit nur noch drei aus möglichen 24 Punkten zu einer Tristesse geführt hätten. “Es ist doch selbstredend, dass wir das Mist finden”, sagte der 50-jährige, der sich nach der Corona-Unterbrechung einen anderen Verlauf gewünscht hätte – und zwar durchaus bis hin in Sphären, über die letztlich nur geredet werden konnte. “Wenn man zwei Heimspiele gegen Mainz und Düsseldorf hat, denkt man schon: Sechs Punkte und wir bleiben im Flow! Ich sage nicht, dass ich nicht auch geträumt habe”, gestand Heldt die Gedanken an eine mögliche Europa-League-Teilnahme ein. Doch der Sportchef machte auch deutlich: “Das Eine sind Träume, das Andere ist die Erwartungshaltung.” Und diese bestand aus einem einzigen Wort: Klassenerhalt.
Ob sich der FC letztlich anders entwickelt hätte, wenn die sportliche Leitung zu Beginn des Bundesliga-Restarts mit Europa ein neues Saisonziel ausgegeben hätte, wird Spekulation und Stoff für Diskussionen in der Sommerpause bleiben. Heldt bestätigte, dass man intern über eine neue Zielvorgabe diskutiert, diese aber verworfen habe. “Das war aus unserer Sicht der richtige Schritt.” In einem nächsten Schritt sei es nun wichtig, für die Zukunft zu analysieren, ob ein anderes Vorgehen womöglich andere Ergebnisse produziert hätte.
Neun Kilometer weniger zu laufen, macht mich wütend
Denn genau die Ergebnisse waren ausgeblieben, ebenso auf weite Strecken auch die Leistung der Mannschaft. Der Tiefpunkt, das 1:2 daheim gegen Union Berlin, habe Heldt letztlich auch aus der Fassung gebracht, wie er bestätigte. Generell folge er zwar der Maßgabe: “Leistungen sind planbar, Ergebnisse nicht.” Doch insbesondere gegen Union habe auch die Leistung in keiner Weise gestimmt. “Neun Kilometer weniger zu laufen, macht mich wütend”, schimpfte Heldt, betonte aber auch, dass er gegen Bayer 04 Leverkusen eine Reaktion der Spieler gesehen habe, wenngleich diese durch einen starken Gegner nicht immer sichtbar gewesen wäre. “Unsere Spieler haben gegen Leverkusen die meisten Sprints aller Mannschaften an diesem Spieltag abgespult. Das zeigt, dass sich die Jungs gewehrt haben.”
Freilich nicht genug, wie die Gegentore zum 0:1 (Katterbach ließ sich zu einfach von Bender zur Seite schieben) und zum 0:2 (Skhiri und Rexhbecaj ließen Havertz ungestört laufen) zeigten. Heldt aber hofft, dass die Fans am Ende der Saison in Erinnerung behalten würden, dass man den Klassenerhalt unter widrigen Bedingungen schafft habe und im Gegensatz zu 2017/18 aus einer tiefen Krise noch einmal erfolgreich herausgekommen sei. “Wir müssen uns nicht für 35 Punkte schämen”, sagte Heldt. “Andere Klubs würden sich freuen, wenn sie jetzt so viele Punkte hätten.” Tatsächlich helfen den Geißböcken die Punkte dank einer deutlich besseren Tordifferenz nach 32 Spieltagen für die neue Bundesliga-Saison planen zu können. Ein Umstand, den vor der Saison und vor allem im November 2019 wohl alle FC-Anhänger und auch die Verantwortlichen sofort unterschrieben hätten.
Wir sagen damit: Ihr seid klasse! Ihr seid Wahnsinn!
Die Sorgen aber bleiben. Denn sie betreffen längst nicht mehr nur diese Saison, sondern auch die nächste. Wie findet die Mannschaft unter den aktuellen Gegebenheiten der Geisterspiele wieder zurück in die Erfolgsspur? Wann wieder Zuschauer in die Stadien gelassen werden können, ist nicht sicher. Zwar hofft Heldt darauf, dass die DFL zur neuen Saison ein neues Hygiene- und Gesundheitskonzept erarbeitet, wodurch die politischen Anforderungen an Spiele vor einem Teil-Publikum erfüllt wären. Doch sicher ist dies nicht. Daher gilt für den FC: “Wir müssen ein neues Bewusstsein schaffen, um die Problematik zu umschiffen und wieder erfolgreich Fußball zu spielen”, sagte Heldt. “Wir müssen lernen die Situation zu akzeptieren.”
Dies sei nach dem Wiederbeginn gänzlich schief gelaufen. Dennoch dürfe man die fehlenden Zuschauer nicht als Begründungen für die schlechten Leistungen und Ergebnisse der letzten Wochen annehmen. Im Gegenteil. “Das darf nicht als Alibi dienen. Aber es ist eine Aufwertung der Menschen und der besonderen Atmosphäre, die wie eine Droge ist und die in den Spielern etwas auslöst”, sagte Heldt. “Wir sagen damit: Ihr seid klasse! Ihr seid Wahnsinn!” Vor Corona hatten Spieler und Fans gemeinsam den Klub zum Erfolg geführt. “Das ist uns genommen worden. Das ist weg.” Wann es wiederkommt, ist fraglich. Doch der Erfolg, so viel weiß auch Heldt, darf bis dahin nicht warten.”
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