Das Spiel der U21 am Samstag in Aachen wurde abgesagt. (Foto: Bopp)

Das Spiel der U21 am Samstag in Aachen wurde abgesagt. (Foto: Bopp)

Wenn Stadt und FC versagen, ist der Schaden irreparabel

Der 1. FC Köln fühlt sich von der CDU im Kampf um den Ausbau am Geißbockheim verraten und verkauft. Die Stadt Köln fühlt sich vom FC um die Stadionpacht gebracht. Der Klub und die Politik leisten sich einen Machtkampf, der nur Verlierer kennen kann. Denn die Stadt braucht den 1. FC Köln genauso dringend wie der Klub die Stadt. Doch keine Seite will dies eingestehen. Das ist hochgradig kurzsichtig und gefährlich – für beide Seiten.

Ein Kommentar von Marc L. Merten

Man musste sich am Mittwoch schon wundern. Erst kam heraus, dass die CDU in den Sondierungsgesprächen mit den Grünen und Volt plötzlich nichts mehr von der Unterstützung für den Geißbockheim-Ausbau wissen wollte und sich nicht einmal zu schade war, dem FC für das eigene Umfallen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Am Abend kam dann heraus, dass der FC bereits seit Monaten nicht die volle Stadionpacht zahlt und die Stadt Köln darüber wenig begeistert ist. Wenn dieses Machtspiel nicht so gefährlich für Stadt und Klub gleichermaßen wäre, man könnte sich mit Popcorn zurücklehnen und beobachten, wie sich beide Seiten gegenseitig beharken und sich dabei mitunter selbst zu Fall bringen.

Es könnte so einfach sein – ist es aber nicht

Gefährlich ist diese Situation jedoch deshalb, weil sich beide Seiten offensichtlich nicht eingestehen wollen, dass sie sich brauchen. Der FC ist von den Entscheidungen der Politik abhängig, die Liste an Beispielen dafür ist ellenlang, der geplante Ausbau des Geißbockheims nur die Spitze des Eisbergs. Doch die Stadt braucht den FC ebenso, und davon ist in den letzten Jahren erstaunlicherweise nur noch sehr wenig zu spüren. Erst entzog Henriette Reker dem Klub ihre zugesagte Unterstützung, nun die CDU. Die Eine vor der Wahl aus Machtstreben, die Andere nach der Wahl aus denselben Gründen. Dass der Klub der Stadt seit vielen Jahrzehnten hunderttausende Touristen pro Jahr in die Stadt lockt, dass der FC eine der größten Marken Kölns ist, scheint für Politiker immer nur dann von Interesse, wenn sich diese mit FC-Schal auf der Tribüne zeigen können, um sich als volksnah zu präsentieren.

Dabei wäre es so einfach: Ein erfolgreicher FC wäre für die Stadt Köln kaum in finanziellen Werten zu bemessen, und eine FC-freundliche Politik wäre für den Klub wiederum Gold wert. Es müsste daher logischerweise das Ziel aller Beteiligten sein, ein optimales Verhältnis zu pflegen. Stattdessen hat sich in den letzten Jahren ein vergiftender Machtkampf entwickelt. Der FC vergrault seinen Verhandlungspartner in Sachen Stadionpacht, indem er eigenmächtig Gelder einbehält – die Politik sieht sich nach einem jahrelangen Verfahren für den Geißbockheim-Ausbau nicht mehr an Beschlüsse aus einer vorherigen Legislaturperiode gebunden und wirft dem FC ein Projekt vor die Füße, das bereits jetzt viel Geld und vor allem sieben (!) Jahre Zeit gekostet hat. Die Krönung: Am Mittwoch sprachen die Grünen im Streit um die Stadionpacht plötzlich davon, der FC müsse sich an Verträge halten. Dass sich die Politik gleichzeitig nicht an den städtebaulichen Vertrag für den Geißbockheim-Ausbau halten möchte, vergisst man fast im gleichen Atemzug.

Macht Köln den gleichen Fehler wie vor 20 Jahren beim Stadion?

Es ist diese Hybris, dieses Spiel aus Schuldzuweisungen, fehlender Verantwortung und schamloser Chuzpe, die der Stadt genauso viel Schaden zufügt wie dem FC. Im Jahr 2020 passiert offenbar das Gleiche, was vor 20 Jahren passierte, als die Politik den FC nach dem Tod von Oberbürgermeister Harry Blum um ein eigenes Stadion brachte. Ein Stadion im Übrigen, das die Geißbockheim-Problematik schon damals gelöst hätte, weil der FC laut den damaligen Plänen des Kölner OBs mit der Geschäftsstelle ins neue Stadion und mit dem Trainingsgelände auf die Vorwiesen von Müngersdorf gezogen wäre. Das Geißbockheim wäre damals komplett an die Stadt zurückgefallen und hätte in ein Sport- und Erholungsparadies für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt umgewandelt werden können. Doch wer wollte es damals anders? Die CDU um Fritz Schramma.

Was passiert, wenn der FC den Anschluss verliert

Malen wir mal ein trostloses Bild: Der FC baut das Geißbockheim nicht aus, bekommt keine Trainingsplätze für die Jugend, kein Leistungszentrum. Stattdessen muss er ein ganz neues Verfahren starten für ein neues Trainingsgelände irgendwo in der Pampa. Unter fünf Jahren dürfte dieser Prozess, wenn die Politik keinem abgekürzten Verfahren zustimmen würde, nicht dauern. Stellen wir uns weiter vor: In diesen fünf Jahren geht der FC den Weg in die Zweite Liga, verpasst den Wiederaufstieg und kann in den folgenden Jahren beim Neuaufbau nicht mehr auf seinen Top-Nachwuchs setzen, weil die besten Talente nicht mehr nach Köln gehen oder längst nicht beim FC spielen, da die Verhältnisse vor Ort einem Drittligisten gleichen. Stattdessen bauen Leverkusen, Gladbach, Schalke, Dortmund, Frankfurt und Co. moderne Zentren für die Zukunft des deutschen Fußballs. Der FC verschwindet in der Bedeutungslosigkeit, vielleicht sogar in Liga drei. Was hätte die Stadt davon? Nichts – außer eines riesigen Millionenlochs in der Stadtkasse. Denn nicht nur der FC würde daran finanziell großen Schaden nehmen, sondern auch Köln selbst. Die Bundesliga-Stadionpacht von knapp zehn Millionen Euro im Jahr? Hinfällig. Als Drittligist könnte der FC nicht einmal ein Zehntel des Betrags für Müngersdorf aufbringen. Die hunderttausenden Touristen pro Jahr? Kommen nicht mehr. Die vollen Hotels, Kneipen, Restaurants, Tankstellen, Kiosks? Bleiben an Spieltagen leer. Hunderte, womöglich tausende Jobs wären davon direkt und indirekt betroffen.

Was bedeutet das? Ganz einfach: Stadt und Klub müssen die gegenseitige Abhängigkeit anerkennen und entsprechend handeln. Es steht außer Frage: Der 1. FC Köln braucht ein Bundesliga-taugliches Trainingsgelände und Leistungszentrum, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Stadt Köln braucht einen Erstligisten im Stadion genauso wie im Stadtmarketing. Beide Seiten müssen zusammenkommen und ihre offensichtlichen Differenzen überbrücken, und zwar sofort. Die Zeit ist vorbei für politische Spielchen. Corona hat den FC an den Rande des Abgrunds geführt. Jetzt ist die Zeit die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft des Klubs in Köln zu legen. Wenn die Politik genauso wie die Vereinsführung dabei versagen, wird der Klub auf Sicht in den Niederrungen des Fußballs verschwinden. Das kann sich niemand leisten, der vorgibt, Verantwortung für die Stadt oder für den FC zu tragen.

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