Armin Veh, Horst Heldt und Jörg Schmadtke. (Fotos: Ligafoto / Bopp, Bucco)

Seit dem Aufstieg 2014: Der große Transfercheck des 1. FC Köln

Zwischen Schnäppchenjäger und Geldverbrenner: Die aktuelle Situation des 1. FC Köln ist eine Folge einiger guter und vieler schlechter Entscheidungen auf dem Transfermarkt seit dem Aufstieg im Sommer 2014. Wie kam es zu dem Kader, mit dem sich die Verantwortlichen heute herumschlagen müssen und der von allen Seiten als unausgewogen und zu teuer für das erwartbare Leistungsniveau ist? Der GEISSBLOG.KOELN macht den großen Transfercheck.

Köln – Gemeinhin wird dem 1. FC Köln im Zeitraum zwischen dem Abstieg 2012 und 2016 eine herausragende Arbeit auf dem Transfermarkt bescheinigt. Einschließlich des Rekordverkaufs von Anthony Modeste 2017 schien der FC alles richtig gemacht zu haben. Danach, so die Erzählung, ging der FC immer verschwenderischer mit dem aufgebauten Eigenkapital von knapp 40 Millionen Euro um. Doch stimmt das? Und sind die Fehler, für die die Geißböcke heute noch bezahlen, wirklich erst ab 2017 gemacht worden? In der Analyse geht es explizit nicht um Vertragsverlängerungen, sondern nur um getätigte (und versäumte) externe Transfers.

Saison 2014/15

Ausgangslage: Der 1. FC Köln war aufgestiegen und hatte nach zwei Jahren der Konsolidierung in der Zweiten Liga wenig Geld und noch keinen Erstliga-tauglichen Kader, insbesondere in der Offensive, weil Patrick Helmes mit kaputter Hüfte dem Karriereende entgegen sehen musste.

Es kamen: Simon Zoller als Königstransfer für 3 Mio. Euro sowie Yuya Osako für 1,6 Mio. Euro für den Sturm. Kevin Vogt kam für 1,8 Mio. für das defensive Mittelfeld, Mergim Mavraj, Tomas Kalas Dusan Svento und Pawel Olkowski für die Viererkette (für zusammen 800.000 Euro).

Es gingen: ausschließlich Spieler, die keine Rolle mehr spielten.

Fazit: Der FC musste auf Schnäppchenjagd gehen und wurde fündig, insbesondere mit dem mannschaftsdienlichen Osako, dem Strategen Vogt und dem unerwartet durchstartenden Olkowski hinten rechts. Die Kölner überreizten ihr Blatt nach dem Aufstieg nicht, sondern verstärkten sich gezielt auf den wichtigsten Positionen mit Spielern, die auch Perspektive hatten.

Saison 2015/16

Ausgangslage: Der FC hatte die Klasse souverän gehalten, Patrick Helmes’ Karriere war endgültig vorbei, Spieler wie Kevin Wimmer und Anthony Ujah hatten sich hervorragend entwickelt und wurden umworben. Andere Spieler wie Daniel Halfar stießen an ihre Grenzen. Es brauchte nun den nächsten Schritt im Kader, um längerfristig in der Bundesliga bleiben zu können.

Es kamen: Dominique Heintz und Frederik Sörensen verstärkten die Innenverteidigung. Anthony Modeste kam für das Sturmzentrum. Milos Jojic sollte im Mittelfeld die Fäden ziehen. Philipp Hosiner kam mit einem Jahr Verspätung auf Leihbasis. Und dann zauberte Manager Jörg Schmadtke noch im letzten Moment Leonardo Bittencourt aus dem Hut. Zusammen gab der FC knapp 14 Mio. Euro aus – damals viel Geld, das der FC aber hatte, denn…

Es gingen: Kevin Wimmer wurde für rund 7 Mio. Euro nach England verkauft, Anthony Ujah ließ sich von Werder Bremen für 5 Mio. Euro abwerben. Kleinere Transfers führten dazu, dass der FC über 13 Mio. einnahm. Die Transferbilanz war also fast ausgeglichen.

Fazit: Es war der goldene Transfersommer. Heintz und Sörensen schlugen ebenso ein wie Super-Stürmer Modeste und Flügelflitzer Bittencourt. Einzig Jojic konnte die Erwartungen nie wirklich erfüllen, doch der FC legte im Sommer 2015 die Grundlage für den Einzug nach Europa zwei Jahre später. Doch der goldene Sommer war auch einer der Gründe, warum es zwei Jahre später bergab ging…

Saison 2016/17

Ausgangslage: Der FC hatte erstmals seit 1992 wieder auf einen einstelligen Tabellenplatz (9) geschafft. Die Mannschaft hatte an ihrem Limit gespielt. Es wurde auffällig, dass Matthias Lehmann nicht mehr viele gute Jahre vor sich haben würde. Erstmals diskutierte Jörg Schmadtke öffentlich über die Dreierkette als künftiges System. Dafür sollte ein dominanter Sechser kommen, der auch auf der Vier spielen könnte. Dazu stellte sich die Frage, wer neben Modeste die Tore schießen sollte.

Es gingen: Wir fangen dieses Mal mit den Abgängen an. Yannick Gerhardt wechselte für 13 Mio. nach Wolfsburg, Kevin Vogt für 3 Mio. nach Hoffenheim. Das waren die beiden großen und entscheidenden Abgänge. Zwei zentrale Mittelfeldspieler, ein Sechser (der auch auf der Vier hätte spielen können) und ein Achter gingen. Sie sollten Platz machen für das, was eigentlich geplant war, aber nicht passierte.

Es kamen: Der dominante Sechser kam nicht. Schmadtke verzockte sich bei Salif Sané und hatte keinen Plan B. Stattdessen kam Marco Höger. Die torungefährlichen Außenbahnen wurden ignoriert, es kam der gesundheitlich angeschlagene Sehrou Guirassy und der torungefährliche Artjoms Rudnevs. Dazu wurde Konstantin Rausch hinten links verpflichtet, damit Jonas Hector als Notlösung auf die Sechs rücken konnte, weil man keinen anderen Sechser gefunden hatte.

Fazit: Schon im Sommer 2016 begann der Abschwung, der zum Abstieg führen sollte, denn 2016 war ein verlorener Transfersommer. Das wurde allerdings übertüncht, weil die Mannschaft weit über ihrem Niveau spielte und dank 25-Tore-Modeste sensationell in die Europa League einzog. Hätte der FC den Franzosen schon im Februar für 50 Mio. Euro nach China verkauft, hätte das Team im Gegenteil in den Abstiegskampf geraten können. Das wollten die FC-Macher aber nicht wahrhaben und ignorierten alle Warnsignale: dass rechts hinten ein Bundesliga-tauglicher Rechtsverteidiger fehlte, dass es hinter Modeste keine torgefährlichen Spieler mehr gab, dass Matthias Lehmann seinen Zenit überschritten hatte, dass die Nicht-Verpflichtung von Salif Sané beim gleichzeitigen Verkauf von Gerhardt und Vogt sich noch rächen sollte, und dass der FC mit einer immer größer werdenden Arroganz auftrat. Bestes Beispiel: Serge Gnabry war auf dem Markt, doch Jörg Schmadtkes im GEISSBLOG getätigter Ausspruch zu dem damaligen Rohdiamanten wurde Kult. “Hätten wir Gnabry gewollt, hätten wir ihn bekommen.” Es war der Anfang vom Ende – wenn auch mit dem Umweg über Europa.

Saison 2017/18

Ausgangslage: Europa war tatsächlich erreicht. Doch der Bruch zwischen Schmadtke und Peter Stöger, den bis heute niemand gänzlich erklären konnte, führte den FC in den Abstieg. Begleitet von einer verheerend schlechten Transferpolitik, in der der Manager ignorierte, was der Trainer wollte, und der Trainer ignorierte, wen der Manager verpflichtete. Dazu der fragwürdige Deal eines portugiesischen Talents, dessen Ablöse mit den Häßler-Millionen in die FC-Geschichte eingehen wird.

Es kamen: Jhon Cordoba, der designierte Modeste-Nachfolger, für 17 Mio. Euro. Jorge Meré, ein international umworbenes Abwehrtalent, für 7 Mio. Euro. Jannes Horn überraschend für den gleichen Betrag, obwohl dieser nicht ansatzweise vorzuweisen hatte, was Meré auf dem Kerbholz hatte. Dazu ein gewisser Tim Handwerker, von dem niemand wusste, warum er überhaupt kam. Gleiches galt für Joao Queiros. Und weil man im September merkte, dass man es verbockt hatte, wurde der vertrags- und fitnesslose Claudio Pizarro aus der Rente geholt. Im Winter kamen dann unter dem späteren Sportchef Armin Veh noch Simon Terodde und Vincent Koziello.

Es gingen: Anthony Modeste wurde nach China für eine Rekordablöse verkauft. Artjoms Rudnevs bat um Vertragsauflösung. Marcel Hartel ging zu Union Berlin. Im Winter verabschiedete sich zudem Kocka Rausch.

Fazit: Es war fraglos der teuerste, dümmste und arroganteste Abstieg in der Geschichte des 1. FC Köln. Ein Paradebeispiel, wie Egoismus, Trotz und Verweigerung der Realität einen Klub ruinieren können und die Führungsetage lächelnd winkend zusieht. Alle Warnsignale aus den zwei Vorjahren wurden ignoriert: der fehlende Sechser, der fehlende Rechtsverteidiger, die fehlende Torgefahr aus der zweiten Reihe, die fehlende Alternative zu Nummer-1-Stürmer Cordoba. Ein FC-Verantwortlicher erklärte im Trainingslager in Bad Radkersburg zu den aufkommenden Zweifeln am Zustand der Mannschaft: “Lasst uns mal machen! Wir wissen, was wir tun.”

Saison 2018/19

Ausgangslage: Die Verantwortlichen erklärten in dieser Saison, man habe 2019 einen Umbruch vollzogen. Ein Jahr zuvor, nach dem Abstieg 2018, hatte man sich diesem Umbruch noch verwehrt. Man wollte gemeinsam “durch et Füer” gehen. Markus Anfang sollte den FC zum Aufstieg führen und Armin Veh verpflichtete “nur Spieler, die ich auch für die Bundesliga verpflichtet hätte”.

Es kamen: Dominick Drexler und Rafael Czichos für über 6 Mio. Euro aus Kiel, Louis Schaub aus Wien für über 3 Mio. Euro, Niklas Hauptmann für 3,4 Mio. Euro aus Dresden, dazu Benno Schmitz, Lasse Sobiech und Matthias Bader. Im Winter legte man mit Anthony Modeste, Johannes Geis und Florian Kainz nach.

Es gingen: Bittencourt, Osako, Heintz, Jojic, Maroh und Klünter waren der Umbruch. Die restlichen Abgänge waren nicht der Rede wert.

Fazit: Das sportliche Ziel wurde erreicht, aber sehr teuer erkauft. Vor allem perspektivisch. Denn von Vehs großspuriger Ansage, alle Spieler hätten Bundesliga-Format, blieb fast nichts übrig. Nur Kainz erfüllte fraglos dieses Kriterium, darüber hinaus ist nur Czichos bis heute Stammspieler. Der Rest? Mehrheitlich nicht einmal mehr in Köln.

2019/20

Ausgangslage: Veh hatte offenbar erkannt, wie sehr er ein Jahr zuvor trotz 17 Mio. Euro Transferausgaben daneben gelegen hatte. Er musste nachlegen. Dafür überzog der FC sein eigentlich vorgesehenes Budget um das Doppelte. Ohne dieses zusätzliche Risiko wären die beiden besten Verpflichtungen der jüngeren Vereinsgeschichte nicht möglich gewesen. Denn das eigentliche Budget gab Veh erneut für Fehleinkäufe aus.

Es kamen: Der Großteil der ursprünglich eingeplanten 10 Mio. Euro gingen in Birger Verstraete, Kingsley Ehizibue und Kingsley Schindler. Erst als der Vorstand dem Sportchef noch einmal 10 Mio. Euro zur Verfügung stellte, kamen Ellyes Skhiri und Sebastiaan Bornauw. Trotzdem musste im Winter – dann von Horst Heldt als Sportchef – mit Mark Uth, Elvis Rexhbecaj und Toni Leistner jeweils auf Leihbasis nachgebessert werden.

Es gingen: Transfereinnahmen standen diesen Ausgaben praktisch nicht gegenüber. Guirassy war bereits im Winter abgegeben worden. Darüber hinaus begann der FC, seine Leih-Armee aufzubauen, die auch heute noch fast im Dutzend in Europa spielt. Und dann wäre da noch der Abgang von Florian Wirtz, der die Ära Armin Veh zum finanziellen Desaster machte.

Fazit: Der FC finanzierte die Saison auf Pump, was grundsätzlich aufgrund des hohen Eigenkapitals okay war, wegen Corona aber zur Katastrophe wurde. Im Sommer 2019 wurde klar, wie falsch Veh im Jahr zuvor gelegen hatte. Bornauw und Skhiri waren zwei herausragende Transfer-Entscheidungen, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Doch sie kaschierten die zahlreichen anderen Fehlgriffe. Insgesamt verpflichtete Armin Veh in seiner Zeit als Sportchef 18 Spieler für rund 42 Mio. Euro. Das Ergebnis: Von diesen 18 Spielern wurden nur 4 Bundesliga-Stammspieler. Eine verheerende Bilanz.

2020/21

Ausgangslage: Der Transfersommer 2020 wurde inzwischen häufig genug besprochen. Es brauchte einen großen Verkauf, um das Eigenkapital zu stärken und andere Transfers zu ermöglichen. Sportchef Horst Heldt musste zahlreiche Spieler verleihen, um das Gehaltsbudget zu verringern.

Es kamen: Im Sommer kamen Sebastian Andersson und Ondrej Duda, Dimitris Limnios und Tolu Arokodare, Marius Wolf und Ron-Robert Zieler. Im Winter kamen Max Meyer und Emmanuel Dennis. Insgesamt gab der FC nur zwei Mio. mehr aus als er einnahm.

Es gingen: Zehn Ausleihen, fünf ablösefreie Abgänge (darunter Simon Terodde), dazu der Cordoba-Verkauf.

Fazit: Im allerletzten Saisonspiel in Kiel konnte man sehen, dass die erste FC-Elf im gesunden Zustand mit den lange verletzten Andersson, Kainz, Bornauw und Hector fraglos Bundesliga-Niveau gehabt hätte. Was Heldt nicht schaffte, war die zweite Reihe zu verstärken. Alle Verpflichtungen als Back-up fielen gnadenlos durch. Einziger Vorteil: Von allen Spielern, die Heldt verpflichtete, unterschrieben nur Andersson, Duda und Limnios längerfristige Verträge. Der Rest ist wieder weg.

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