Bilder des Schreckens in Nizza. (Foto: IMAGO / PanoramiC)

Bilder des Schreckens in Nizza. (Foto: IMAGO / PanoramiC)

Chronologie des Schreckens: Die Schlägerei vor Baumgarts Augen

Der 1. FC Köln hat bei OGC Nizza einen Punkt geholt. Doch noch nie war ein Ergebnis der Geißböcke auf europäischer Bühne derart nebensächlich wie nach diesem Donnerstagabend im Stade de Nice. Der Hooligan-Skandal überschattete das Fußballerlebnis, das den FC noch viel Geld kosten und Ärger bringen wird.

Aus Nizza berichten Sonja Eich und Marc L. Merten

Was passierte wann?

Die Informationen, die am Ende des Abends vorlagen, zeichneten folgendes Bild: Im Laufe des Fan-Marschs des Kölner Anhangs schlossen sich Anhänger von Paris St. Germain an. Die Fan-Freundschaft besteht seit drei Jahrzehnten.

Vor Ankunft am Stade de Nice wurden Teile des FC-Zugs von lokalen Fans angegriffen, unter anderem mit Messern und Wurfgeschossen. Es gab mehrere Verletzte, unter anderem ein ehemaliger Mitarbeiter des 1. FC Köln, der mit einer gebrochenen Nase ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Nach Ankunft im Stadion sollen OGC-Anhänger versucht haben zum Kölner Fan-Block vorzudringen. Dies berichtet der FC. Video- oder Foto-Belege fanden sich davon nicht. Klar ist hingegen, dass rund 100 Personen aus dem Kölner Fanblock über die Haupttribüne in Richtung Nizza-Fanblock stürmten. Gekleidet waren sie größtenteils in Kölner Outfits, T-Shirts und Utensilien sowie Kölner Gesichtsmasken. Auch vereinzelte gelbe Farben sowie die Farben von PSG waren zu sehen, jedoch klar in der Minderzahl.

Es folgte das große Aufeinandertreffen der Fan-Gruppen auf der Haupttribüne. Dies geschah direkt vor den Augen von Steffen Baumgart, der oberhalb des Geschehens in einer Loge weilt und mit seiner Familie mit ansehen musste, wie sich die Gewalt ausbreitete.

Nachdem die Polizei die Lager getrennt und die Haupttribüne geräumt hatte, versuchten die OGC-Anhänger auf der Gegengeraden zu den Kölner Fans durchzudringen. Auch dort kam es zu Ausschreitungen, jedoch durch einen Zaun voneinander getrennt. Auch dort zog die Polizei schließlich auf.

Wo waren Ordner und Polizei?

Nach Angaben der Polizeipräfektur Nizza waren 650 Polizisten und 600 Ordner im Einsatz. Zu sehen war von ihnen aber zunächst im Stadion nichts. Erst nach über zehn Minuten nach Beginn der Massenschlägerei traf die Polizei im Innenraum ein. Die ersten Ordner, die die Fans aufhalten wollten, flohen vor den FC-Horden. Später schalteten sich die Ordner selbst in die Schlägerei mit ein. Zu sehen war unter anderem ein Ordner, der mit einem Absperrpfosten auf den Kopf eines Kölner Hooligans zielte.

Nach GEISSBLOG-Informationen hatte der 1. FC Köln in den Sicherheitsgesprächen im Vorfeld des Spiels den Behörden und OGC Nizza mitgeteilt, dass man Sicherheitsbedenken habe. Alleine schon aufgrund der schieren Masse an Köln-Fans, die man erwartete. Trotzdem gab es weder eine Sektorentrennung noch ein passendes Ordner- oder Polizeiaufgebot im Stadion. Dabei war erwartet worden, dass ein Drittel der anwesenden Zuschauer aus Köln kommen würde – und der FC eine bekannte Fan-Freundschaft mit PSG pflegt, welche wiederum mit Nizza verfeindet sind.

Was gab die Polizei bekannt?

Die Polizei berichtete am Abend von insgesamt 32 Verletzten, einer davon schwerverletzt. Zu Verhaftungen gab es zunächst keine Angaben.

Warum wurde das Spiel trotzdem angepfiffen?

Nach den Krawallen berief die UEFA eine Krisensitzung ein, um über das weitere Verfahren zu beraten. Zunächst galt eine Spielabsage als wahrscheinlich. Die Partie hätte vollständig abgesagt und am Grünen Tisch entschieden werden können. Ebenso hätte sie am Freitag ohne Zuschauer ausgetragen werden können. Zudem wurde geprüft, ob und wann das Spiel hätte noch am Donnerstagabend angepfiffen werden können.

FC-Kapitän Jonas Hector und der Ex-Bundesliga-Profi Dante sprachen schließlich jeweils auf der Landessprache zu ihren Fans. (die Hector-Ansprache im Wortlaut) Die Auftritte der beiden Führungsspieler trugen offenbar entscheidend zur Beruhigung und zur UEFA-Entscheidung bei, das Spiel um 19.40 Uhr anzupfeifen.

So endete der Abend

Die Hooligans hatten das Stadion größtenteils nach den Schlägereien verlassen können oder waren in der Masse der Fans unerkannt untergetaucht. Nach der Partie mussten die Fans des 1. FC Köln noch länger im Block verweilen, ehe sie aus dem Stadion entlassen wurden.

Die FC-Verantwortlichen, darunter Vizepräsident Carsten Wettich, führten nach der Partie noch längere Gespräche im Stadion-Inneren und versuchten weitere Informationen zu sammeln. Derweil war Steffen Baumgart so bedient, dass er ohne einen weiteren Kommentar das Stadion verließ. Auch der Vorstand wollte sich persönlich nicht äußern, ließ lediglich in der Nacht ein allgemeines, Gewalt verurteilendes Statement folgen.

Der einzige Verantwortliche des 1. FC Köln, der sich neben Trainer André Pawlak (auf der Pressekonferenz) stellte, war Sport-Geschäftsführer Christian Keller. Und dieser wurde deutlich: “Wir werden mit aller Macht versuchen jeden einzelnen ausfindig zu machen und dafür sorgen, dass diese nie wieder in ein Fußballstadion kommen. Das, was hier passiert ist, ist pervers. Dem muss man nachgehen, die muss man ausfindig machen und dann muss man sie entsorgen.”

Was sind die Folgen?

Der 1. FC Köln ist auf Bewährung. Keller bestätigte nach der Partie, dass die Geißböcke durch die UEFA-Strafe aus 2017 nach den unglücklichen Vorfällen in London für Auswärtsspiele noch auf Bewährung sind. Das bedeutet: Die Geißböcke werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die nächsten Auswärtsspiele in der Conference League ohne eigene Fans bestreiten müssen.

Darüber hinaus stehen dem FC mehrere Rechnungen ins Haus. Die UEFA hatte die Geißböcke 2017 zu 60.000 Euro Strafe verdonnert für deutlich geringere Vorfälle. Die neue Strafe, Nizzas eigene Verwicklung hin oder her, wird deutlich höher ausfallen. Dazu zeigte sich der Bürgermeister Nizzas in einer ersten Reaktion derart schockiert, dass er ankündigte, dem FC eine Rechnung über alle Schäden innerhalb der Stadt während des Fan-Marschs sowie für die Polizeieinsätze zukommen zu lassen. Ob der FC diese dann allerdings wird begleichen müssen, gilt als unwahrscheinlich.

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