Christian Keller, Carsten Wettich, Werner Wolf, Philipp Türoff. (Archivbild: Bucco)

Christian Keller, Carsten Wettich, Werner Wolf, Philipp Türoff. (Archivbild: Bucco)

Ton der Zukunft: Keller und Wolf geben die Richtung vor

Auf der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln haben Werner Wolf und Christian Keller mit ihren Reden den Ton für die Zukunft der Geißböcke bestimmt. Sportlich, finanziell und kulturell wollen der Präsident und der Sport-Geschäftsführer die Richtung vorgeben, wohin sich der Klub entwickeln soll. Der GEISSBLOG fasst die beiden Reden der FC-Bosse zusammen.

Das sagte Werner Wolf über…

…die Finanzen: „Die vordringlichste Aufgabe des letzten Geschäftsjahres war die finanzielle Stabilisierung des Vereins. Von 850.000 möglichen Zuschauern hatten wir nur 543.000 Zuschauer. Die Einnahmen aus dem Ticketing sind aber für den FC enorm wichtig. Das hat ein Loch in unsere Kassen gerissen.“

…den Sport: „Nach zwei Spielzeiten mit dem Abstiegskampf hat sich das Team verändert. Es gab drei Derbysiege, keine Derbyniederlage, Platz sieben und Europa. Es gab viel mehr, als wir uns in unseren kühnsten Träumen erhofft hätten. Auch die Frauen haben sich belohnt, es war schon früh klar, dass sie den Klassenerhalt schaffen würden. Das ist ein tolles Ergebnis. Dazu die zweite Frauen-Mannschaft, die den Aufstieg geschafft hat. Auch dieser Erfolg hilft uns.“

…die Geschäftsführung: „Die sportliche Entwicklung hat den gesamten FC erfasst. Wir gehen Themen mit neuem Mut, mit neuem Selbstbewusstsein an, ohne den Boden zu verlassen. Das war uns im Sommer 2021 so nicht klar. Es ging für uns darum, Zeit zu gewinnen, um die bestmögliche Lösung für die Geschäftsführung Sport zu finden. In diesem Zuge fiel auch die Entscheidung, einen dritten Geschäftsführer zu holen. Denn wir wollen den FC personenunabhängiger machen. Philipp Türoff konnte zum 1. Januar beginnen, Christian Keller zum 1. April – und am 1. November wird Markus Rejek das Dreigestirn komplettieren. Die ersten Monate haben schon gezeigt, dass wir richtige Entscheidungen getroffen haben.“

…die Internationalisierung: „Die Internationalisierung wird viel diskutiert. Es ist noch dieses Jahr eine Reise nach Japan geplant. Wir befinden uns in guten Gesprächen mit zwei japanischen Unternehmen. Darüber hinaus wollen wir unsere Kontakte in die USA nutzen, um diesen interessanten Markt zu bespielen. So wollen wir zusätzliches Geld verdienen, um finanziell unabhängiger zu werden. Ich hoffe, dass wir beim nächsten Mal von den ersten Einnahmen berichten können.“

…die Mitglieder: „Das Wichtigste in den letzten drei Jahren wart Ihr Mitglieder. Wir haben im letzten Jahr 6.373 neue Mitglieder begrüßen dürfen, das sind auch sieben Millionen Euro Mehreinnahmen, die in den Nachwuchs fließen können. Euer Engagement geht damit direkt in den Nachwuchs.“

…Nizza: „Wir reden über den 8. September, als der FC in Nizza ein respektables 1:1 erreicht hat. Über das Ergebnis konnten wir uns nicht freuen. Es hat unsägliche Vorfälle gegeben, die jede Freude zerstört haben. Christian Keller und wir als Vorstand haben uns zu den gewalttätigen Vorfällen geäußert. Aber lassen Sie mich einige Dinge zusammenfassen: 1) Die Sicherheitsvorkehrungen in Nizza hatten aus unserer Sicht den Namen nicht verdient. 2) Es gab massive Attacken auf ganz normale FC-Fans im Umfeld des Spiels, und wie wir heute wissen, fing das schon mittwochs an, ging Donnerstag und auch Freitag noch weiter. 3) Das rechtfertigt in keinster Weise die Attacken der Menschen im Stadion, die in FC-Farben aufgetreten sind. 5) Wir, Vorstand, Geschäftsführung und der gesamte FC, werden alles tun, die Täter aus Nizza ausfindig zu machen. Alle werden mit Stadionverbot, Dauerkartenentzug und Vereinsausschluss belegt werden. 6) Es muss allen klar sein, dass die Wurzel des Problems nicht mit Sofortmaßnahmen ausgerissen werden kann. Das Thema ist relativ komplex. Wir hatten dazu ein erstes gutes Gespräch mit dem neuen Polizeipräsidenten. 7) Unsere tiefste Überzeugung ist, dass wir mit allen im Gespräch bleiben müssen. Nicht mit den Gewalttätern, aber mit allen anderen werden wir die Dialoge fortführen.“

Das sagte Christian Keller

„Ich kann keinen Rückblick auf die vergangene Saison machen, weil mir neun Monate fehlen. Stattdessen drei Fragen:

  1. Welche Ausgangslage habe ich vorgefunden?
  2. Wo soll es mit dem FC in 22/23 und darüber hinaus hingehen?
  3. Was braucht es dazu, um den skizzierten Weg gehen zu können?

1. Ausgangslage

Als ich hier angefangen habe, habe ich sehr viel Positives gesehen. Dabei spreche am liebsten über die Menschen. Ich will mit den Mitgliedern anfangen. Es beeindruckt mich, was ich erlebe. Beim FC sind Fans und Klub eins, das gibt es selten im Fußball. Die ganze Stadt, der ganze Standort ist FC. Und diese Wucht macht den FC nicht nur aus, sondern er muss sie nutzen. Die Partner aus der Wirtschaft sind sehr loyal, verlässlich und flexibel. Sie wollen, dass es mit dem FC nach vorne gehen. Die dritte Anspruchsgruppe sind die Medien. Die gehören auch dazu. Alles, was ich vorher gehört habe, ist falsch. Du kannst hier auf sehr gutem Niveau konstruktiv-kritisch und respektvoll zusammenarbeiten – trotz inhaltlichem Diskurs. Die vierte Gruppe, die mich begeistert, sind die Gremien des FC. Eines ist bei Gremien nicht selbstverständlich: dass Gremien langfristig denken und ihre Aufgaben kennen. Das ist ein harmonisches Miteinander. Und die letzte Gruppe sind die Mitarbeiter am Geißbockheim, die den FC leben und jeden Tag ihr Bestes geben, um den FC ein Stück nach vorne zu bringen.

Alles Positive hat aber auch eine Kehrseite. Der FC ist in der viertgrößten Stadt Deutschlands zuhause. Eigentlich gibt der Standort die Leistungsfähigkeit vor. Wenn wir die FC-Historie anschauen, muss man sagen, dass der FC seit den 1990er dem Anspruch nicht gerecht geworden ist, zu den Top Vier in Deutschland zu gehören. Ganz im Gegenteil. Wenn man etwas voranbringen will, muss man darauf schauen, wo man sich verbessern muss. Sonst kann man sich nicht verbessern. Das ist keine Kritik am Vergangenen oder an Akteuren, sondern eine Bestandaufnahme.

Es geht darum: Wo sind Entwicklungsfelder? Unser erstes Entwicklungsfeld sind die Finanzen. 80 Mio. Euro Verpflichtungen kann man nicht wegwischen. Der FC ist seit Jahren strukturell defizitär. Das war schon vor Corona so. Es war immer so, dass es Transfer brauchte. Transfers sollen aber Wachstum ermöglichen und nicht Lücken schließen. Du musste nicht am meisten Geld haben, aber du solltest clever sein, wie du deine Ressourcen einsetzt. Die wichtigsten Ressourcen sind Mitarbeiter. Da haben wir Luft nach oben, weil unsere Organisationsstruktur nicht optimal ist. Unsere Mitarbeiter können sich nicht so entfalten, wie es nötig wäre. Wir sind zu ineffektiv. Daran müssen wir arbeiten. Das dritte Entwicklungsfeld ist die Infrastruktur. Da sind uns mitunter Drittligisten davongelaufen. Das Geißbockheim ist der schönste Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann, aber aus infrastruktureller Sicht ist er nicht mehr zeitgerecht. Du kannst nicht mit über 20 Mannschaften auf sieben Plätzen trainieren.

Das zu sagen, darf nicht hemmend wirken. Es soll Antrieb sein an diesen Entwicklungsfeldern mitzuarbeiten. So können wir irgendwann dem Standort gerecht werden.

2. Wo soll es mit dem FC in 22/23 und darüber hinaus hingehen?

Ich will die Antwort auf diese Frage auf das Sportliche begrenzen. Wohin wollen wir mit der Lizenzmannschaft? Wir müssen die richtige Reihenfolge wählen. Die Bundesliga ist das Kerngeschäft und das Wichtigste. Es kann nur darum gehen, auch wenn es ambitionslos wirkt, so schnell wie möglich auf 40 Punkte zu kommen. Das ist eine riesige Aufgabe. Das kann gerne nach 25 Spieltagen sein, aber wenn es erst nach 34 Spieltagen der Fall sein sollte, wäre das für den FC auch gut.

Europa ist wie ein Bonbon, das wir im Mund haben und das süß schmeckt. Wir sollten es solange im Mund behalten wie möglich und den Geschmack genießen.

Und dann darf der Nachwuchs nicht zu kurz kommen. Die Ziele werden in den nächsten Jahren dieselben bleiben. Im Nachwuchs geht es immer um die individuelle Weiterbildung der Spieler. Wir wollen Talente ausbilden, um sie hochzuziehen, und dabei nicht in erster Linie auf mannschaftliche Erfolge achten. Wir verwehren uns denen natürlich nicht, aber sie sind nicht das erste Ziel. Wer im Übrigen mal richtig guten Fußball sehen will, sollte zur U19 gehen. Das lohnt sich.

Die Frauen haben eine historische Saison mit dem erstmaligen Klassenerhalt hinter sich. Noch historischer wäre es, es zweimal zu schaffen. Wir wollen nicht nur vor Leverkusen landen, sondern im Mittelfeld und uns dort festsetzen.

3. Was braucht es dazu, um den skizzierten Weg gehen zu können?

Wir müssen wirtschaftlich gesunden. Wenn du wirtschaftlich nicht gesund bist, hast du im heutigen Profifußball keine Chance. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist die Basis, um die sportlichen Ergebnisse zu beeinflussen. Wir müssen die Strukturen professionalisieren und die Infrastruktur verbessern, aber dafür brauchen wir einen langen Atem.

Und wir müssen an der FC-Identität feilen. Jeder von Ihnen hat einen Eindruck, was die FC-Identität ist. Aber wir müssen es aufschreiben und definieren, damit jeder, der am FC mitwirkt, sich daran orientieren kann.

Bevor es ans inhaltliche Arbeiten geht, muss es aber vor allem eine Haltung geben. Was es dafür braucht? In meinen Augen fünf Dinge:

Erstens es braucht Kontinuität. Beim FC dreht sich sehr viel sehr schnell. Aber wenn sich alles schnell dreht, wird es schwer dem roten Faden zu folgen. Deswegen bin ich froh, dass sich der Vorstand erneut zur Wahl stellt.

Zweitens ist Offenheit für Neues für mich sehr wichtig. Ich mag zwei Worte nicht: „immer“ und „nie“. Als Beispiel: „Wir haben das schon immer so gemacht.“ Und: „Wir haben das noch nie so gemacht.“ Beides müssen wir streichen. Wenn alles so gut gewesen wäre, hätten wir nicht die Kehrseite der Medaille gesehen. Wir müssen uns immer fragen, wie wir besser werden können.

Drittens ist da das Erwartungsmanagement. Der Klub ist extrem emotional, das ist das größte Pfund, das der FC hat. Diese Emotionalität darf aber nicht dazu führen, dass wir Bodenständigkeit und Bescheidenheit außer Acht lassen. Wenn jemand dann mit einem 1:1 in Bochum nicht mehr zufrieden ist, ist das nicht die richtige Einstellung. So funktioniert das vielleicht für den FC Bayern, aber selbst da gerade nicht. Und deshalb schon gar nicht für den FC.

Viertens haben wir einen klaren Plan, und dafür braucht es Überzeugung. Man darf nicht, wenn man vom Weg überzeugt ist, den Weg abbrechen. Auch wenn Hindernisse kommen, muss man sie wegräumen, anstatt zu sagen, den Weg zu verlassen. Dazu gehört auch eine Frustrationstoleranz. Es braucht die Überzeugung für den Weg, damit wir langfristig Erfolg haben.

Fünftens ist das Wichtigste in einem Fußballklub die Gemeinschaft, nicht nur auf dem Rasen, sondern auch abseits des Rasens. Wenn alle gemeinsam in die gleiche Richtung laufen und sich nicht beirren lassen, selbst wenn schlimme Sachen passieren – und Nizza war schlimm – dann müssen wir das in der Gemeinschaft regeln. Wenn jemand sich nicht so verhält, dürfen wir nicht sagen: Der muss weg. Denn „weg“ ist keine Lösung. Dialog ist die Lösung.“

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