Christian Keller und Steffen Baumgart am Mittwoch auf dem Trainingsplatz. (Foto: Bucco)

Christian Keller und Steffen Baumgart am Mittwoch auf dem Trainingsplatz. (Foto: Bucco)

Keller über FC-Krise und Baumgart: “Unantastbar ist niemand. Aber…”

Der 1. FC Köln steckt in der Krise – jetzt spricht Sportchef Christian Keller. Im ersten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews erklärt der Geschäftsführer die Gründe des Fehlstarts, redet über Trainer Steffen Baumgart und die Club-Finanzen.

Das Interview führten Sonja Gauer, Marc L. Merten und Martin Zenge

GEISSBLOG: Christian Keller, am Sonntag wartet das wohl wichtigste Derby der vergangenen Jahre. So hat es Steffen Baumgart ausgedrückt. Teilen Sie seine Einschätzung?

CHRISTIAN KELLER: „Es ist in zweierlei Hinsicht ein wichtiges Spiel. Zum einen tabellarisch, da brauchen wir nicht drumherum reden. Wir müssen anfangen, zu punkten, um nicht frühzeitig den Anschluss zu verlieren. Dazu kommt, dass das Spiel gegen Gladbach grundsätzlich eine emotional hohe Bedeutung hat – in der aktuellen Gemengelage natürlich noch mehr. Am Schluss gibt es trotzdem nur drei Punkte, aber die wären Gold wert.“

Droht die Stimmung um den FC, im Falle einer erneuten Niederlage, zu kippen?

Ich würde es anders formulieren: Ich verstehe jeden, der kritisch auf die Situation blickt. Für viele Menschen hängt am FC das Herz oder noch mehr. Wenn dein Herzensverein nicht so liefert, wie du dir das vorstellst, kann ich die Sorgen komplett nachvollziehen.

Wie viele Sorgen machen Sie sich als Sportchef?

Mein Fokus ist anders – ich möchte Optimismus ausstrahlen. Was nicht heißt, dass ich die Dinge schönrede. Ganz im Gegenteil, nach innen analysieren wir alle sehr kritisch. Aber klar ist: In dem Moment, wo alle das Glas halbleer sehen, wird es auf jeden Fall nicht besser. Ich bin von dem, was wir machen, überzeugt – in dem Wissen, dass es eine sehr herausfordernde Saison wird. Das wussten wir schon im Sommer. Wobei ich nicht gedacht hätte, dass der Start punktemäßig so schwach ausfällt.

Was sind die Gründe für die Krise?

Die sind vielschichtig. Ein Grund ist, dass wir es in noch keinem Spiel hinbekommen haben, über 90 Minuten grobe Fehler zu vermeiden. Viele Leute sagen, wir schießen zu wenig Tore – aber ich höre selten die Frage, warum wir eigentlich so viele Gegentore kassieren. Das letzte Mal zu null gespielt haben wir im April. Es ist nun mal so, dass es leichter ist, ein Tor zu verhindern, als ein Tor zu schießen. Unterm Strich müssen wir uns in allen Spielphasen – mit Ball, ohne Ball, in den Umschaltphasen und bei Standards – verbessern. Nicht um Lichtjahre, sondern um die entscheidenden Nuancen.

Wo sehen Sie weitere Gründe?

Wir sind wissentlich auf einzelnen Positionen in der Breite nicht mit ausreichend Erfahrung und konstanter Bundesliga-Qualität besetzt. Um das auszugleichen, müssen wir im Kollektiv regelmäßig richtig gute Leistungen abrufen. Das haben wir bis dato nicht in jedem Spiel über 90 Minuten geschafft. Hinzu kommen die verletzungsbedingten Ausfälle.

Zur Kaderbesetzung kommen wir später noch. Vorher noch ein anderer Grund in unseren Augen: Viele Leistungsträger bleiben bislang hinter ihrem Niveau zurück. Warum ist das so?

Da muss man sich jeden einzelnen Spieler anschauen. Der eine hat sich womöglich ein bisschen zu viel Verantwortung auf die Schultern geladen. Der nächste war vom Kopf her zu Beginn der Saison vielleicht noch nicht voll da. Und der dritte denkt vielleicht, dass er schon weiter als in Wahrheit ist, probiert Sachen, die er nicht probieren sollte. Da lassen sich noch mehr Beispiele hinzufügen. Teil des schlechten Starts ist sicher auch, dass mehrere Spieler, von denen wir gedacht haben, sie halten ihr Niveau oder legen in der Entwicklung noch mal eine Schippe drauf, das für den Moment noch nicht geschafft haben.

Wie nehmen Sie Steffen Baumgart in seiner schwersten Phase hier in Köln wahr?

Sehr sachlich, fokussiert und klar. Er nimmt die Situation an. 

Wie gehen Sie als Sportchef in dieser Krise mit Ihrem Trainer um?

Wir tauschen uns extrem offen und mitunter langwierig aus. Ich sehe meine Rolle als Sparringspartner für den Trainer. Das heißt, wir unterhalten uns über Spiele, über Aufstellungen, über alle sportlichen Themen. Dabei habe ich sicherlich auch eine Meinung – aber der Trainer bestimmt, wie aufgestellt wird und mit welchem Matchplan wir ins Spiel gehen. Ich bin kritischer Fragensteller, die Spielentscheidungen liegen aber natürlich einzig bei Steffen. 

In der Sport Bild war zuletzt zu lesen, dass es für Baumgart im Winter eng werden könnte, falls die Wende nicht gelingt. Was entgegnen Sie dem? Ist der Trainer für Sie unantastbar?

Unantastbar ist grundsätzlich niemand. Aber eines meiner Führungsprinzipien ist: Leistung vor Ergebnis. Die Leistung des Trainerteams ist im Gesamturteil sehr gut. Und zwar vom ersten Tag an, als ich ans Geißbockheim gekommen bin, bis heute – daran ändern auch die nicht zufriedenstellenden Ergebnisse nichts. Gleichzeitig gilt: Es ist nicht immer alles richtig – weder das, was ich mache, noch, was das Trainerteam macht. Ich bin mit der Arbeit des Trainerteams aber sehr zufrieden und habe vollstes Vertrauen.

Haben Sie andererseits die Befürchtung, dass ein ehrgeiziger Trainer wie Baumgart, der gerne ins Pokalfinale und zurück nach Europa möchte, hinschmeißen könnte, wenn die Entwicklung des FC stagniert?

So nehme ich Steffen überhaupt nicht wahr. Wir besprechen vor einer Saison total offen, was für uns in der Tabelle und auf dem Transfermarkt möglich ist. Insofern wussten wir alle, auch der Trainer, was für eine Saison uns erwartet. Der Klassenerhalt ist das Ziel. Falls der eine oder andere sagt, dass dieses Ziel einem großen Club wie dem 1. FC Köln nicht gerecht wird – leider sind wir im Moment de facto nicht so groß, wie wir in mancherlei Hinsicht wirken. 

Was heißt das konkret?

Der Kader-Etat bewegt sich im letzten Drittel der Bundesliga – das ist die nackte Wahrheit und hat nichts mit Sparen zu tun. Kaputtsparen, was ich immer wieder als Kritik höre, ist aus meiner Sicht auch nicht der richtige Ausdruck. Wir können nicht mehr Geld ausgeben als wir haben. Sparen heißt für mich: Wir legen Geld auf die hohe Kante, um irgendwann etwas damit zu machen. Wir haben aber kein Geld, das wir auf die hohe Kante legen können.

Würde der FC einen weiteren Abstieg in dieser finanziellen Lage überhaupt überstehen?

Wir steigen nicht ab. Aber selbst bei einem Abstieg würden wir mittlerweile ein ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaften. Wir könnten ein Zweitliga-Jahr ohne rote Zahlen überstehen, weil wir schon vieles verändert haben. Dazu wird es dennoch nicht kommen.

Im zweiten Teil des Interviews (erscheint am Donnerstagabend beim GEISSBLOG) spricht Christian Keller ausführlich über die Transferpolitik des 1. FC Köln .

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