Der Fehlstart des 1. FC Köln erinnert viele Fans an die Abstiegssaison 2017/18, als die Geißböcke nach sechs Spieltagen ebenfalls erst einen Punkt geholt hatten. Ist die Situation aktuell ähnlich dramatisch wie damals? Ein Vergleich.
Es ist eine Bilanz, die schlimmste Erinnerungen weckt. Durch die jüngste Heim-Niederlage, das 0:2 gegen den VfB Stuttgart, steht der 1. FC Köln mit nur einem Punkt aus sechs Spielen da – genau wie 2017/18, als die Geißböcke die schwächste Saison ihrer Bundesliga-Historie spielten, letztlich mit 22 Punkten sang- und klanglos abstiegen. Ist die derzeitige Lage ähnlich prekär wie vor sechs Jahren? Der GEISSBLOG macht den Vergleich.
Spielplan
Die DFL meinte es wahrlich nicht gut mit dem FC. Das im August und September absolvierte Startprogramm war fraglos das schwerste der vergangenen Jahre – und auch härter als jenes von 2017. Von den damaligen Gegnern landete am Ende einzig Borussia Dortmund im oberen Tabellendrittel. Mit dem HSV, Hannover und Augsburg musste der FC zu Beginn gleich reihenweise Niederlagen gegen Keller-Konkurrenten einstecken, traf in sechs Spielen nur einmal, kassierte sogar 13 Gegentreffer.
Jetzt stehen die Kölner bei 4:11 Toren und hatten mit dem BVB, Wolfsburg, Frankfurt sowie Hoffenheim bereits vier Kontrahenten, die als Europapokal-Anwärter gelten. 2017 war der FC bekanntlich selbst international unterwegs, musste die Doppelbelastung verkraften. Aktuell kann sich die Mannschaft von Steffen Baumgart auf die Liga konzentrieren.
Transfers
Weder im Sommer 2017 noch 2023 konnte der 1. FC Köln seinen Kader verstärken – das ist Fakt. Der entscheidende Unterschied: Damals war die Transfer-Kasse durch die Europa-League-Qualifikation und den China-Verkauf von Anthony Modeste besser denn je gefüllt. Derzeit leidet der FC noch immer unter den Nachwehen der Corona-Krise, der finanziell wohl schwersten Phase der Club-Historie.
Von den 2017er Transfers war lediglich der im Winter gekommene Simon Terodde eine Soforthilfe. Jhon Cordoba, mit 17 Millionen Euro noch immer Kölns Rekord-Einkauf, reifte erst über die Jahre zum Publikumsliebling. Jannes Horn und Jorge Meré, für die Manager Jörg Schmadtke jeweils sieben Millionen Euro auf den Tisch legte, schafften nie vollends den Durchbruch. Ganz zu schweigen von Vincent Koziello und Joao Queiros, die den Geißböcken je drei Millionen Euro wert waren.
Das ist mehr als Christian Keller in diesem Sommer insgesamt ausgab. Der FC zahlte lediglich für Jeff Chabot eine Ablöse zwischen zwei und 2,5 Millionen Euro. Die feste Verpflichtung des Innenverteidigers ist bislang ein Volltreffer, der ablösefreie Transfer von Leart Pacarada eine Hilfe.
Rasmus Carstensen hat sein Potenzial zumindest schon angedeutet. Ob die ebenfalls ausgeliehenen Luca Waldschmidt und Faride Alidou einschlagen, bleibt abzuwarten. Jacob Christensen, so viel dürfte feststehen, wird die von Ellyes Skhiris hinterlassenen Fußstapfen auf kurze Sicht nicht mal ansatzweise ausfüllen – was weniger dem Dänen anzulasten ist als den FC-Verantwortlichen, die einen Sechser, „der direkt gutes Bundesliga-Niveau spielen kann“ (Keller), holen wollten.
Kader-Qualität
Auch wenn es Schmadtke trotz prall gefülltem Konto nicht gelang, die Mannschaft zu verbessern, war der Kölner Kader 2017 sicherlich noch im Mittelfeld der Liga anzusiedeln. Außer Anthony Modeste ging kein einziger Leistungsträger.
In diesem Sommer musste der FC mit Skhiri und Kapitän Jonas Hector seine beiden wichtigsten Säulen ziehen lassen. Rein nominell, den Baumgart-Effekt der vergangenen Jahre mal herausgerechnet, ist dieser Kader im unteren Drittel der Liga einzuordnen. Geschäftsführer Christian Keller meint: „Die Qualitätsfrage können wir nach 34 Spieltagen stellen, nicht nach sechs.“
Klar dürfte auch sein, dass es in der laufenden Saison – gerade mit den Aufsteigern Darmstadt und Heidenheim – krassere Außenseiter als 2017/18 gibt. Damals waren der VfB Stuttgart und Hannover 96 aus der 2. Bundesliga ins Oberhaus geklettert. Der Blick auf die Konkurrenz spielt für Keller aktuell noch gar keine Rolle: „Wir fangen nicht nach sechs Spieltagen an, auf andere Plätze zu schauen. Wir haben schon das Selbstvertrauen, zu sagen, irgendwann wird der Knoten platzen.“
Verletzungen
Die Misere in der Saison 2017/18 war absurd, zeitweise fielen mehr als 15 Profis gleichzeitig aus – Jonas Hector (Syndesmoseriss) mal ausgeklammert, allerdings kaum einer aufgrund einer Zweikampf-Verletzung. Es waren fast ausschließlich Muskelverletzungen, die dem FC zu schaffen machten. Und das ließ erhebliche Zweifel an einer professionellen Trainings- beziehungsweise Belastungssteuerung aufkommen. Peter Stöger und Athletiktrainer Yann-Benjamin Kugel überwarfen sich, der Österreicher schmiss seinen langjährigen Mitstreiter aus dem Profi-Team, sprach von Loyalitätsgründen.
Derzeit haben die Kölner ebenfalls Pech, doch dieses ist längst nicht mit 2017 zu vergleichen. Auch wenn mit Linton Maina und Luca Waldschmidt nun kurzfristig zwei weitere Spieler ausfallen sollten. Mit Jan Thielmann und Noah Katterbach hat Steffen Baumgart zwei Langzeitverletzte, die zum Ende des Jahres wieder fit sein sollen, Mark Uth und Florian Dietz feiern am Wochenende in der U21 ihr Comeback, Eric Martel und Benno Schmitz werden nach der Länderspielpause zurückerwartet.
Generell ist eine mangelnde Fitness – anders als 2017 – nicht das Kölner Problem. Der FC steht auf Rang zwei der Lauftabelle, wobei die Geißböcke bei einem zu großen Teil ihrer 723 Kilometer hinterhergelaufen sind.
Trainer
Peter Stögers Verdienste sind unbestritten, er führte den FC aus der 2. Bundesliga in die Europa League. Doch 2017 hatte er seinen Zenit überschritten. Später gab der Österreicher zu, nach der Qualifikation fürs internationale Geschäft eine gewisse Leere gespürt zu haben. In seinem fünften FC-Jahr fehlte Stöger das nötige Feuer, um das Ruder rumzureißen. Das lässt sich von Steffen Baumgart zweifellos nicht behaupten.
Das glückliche Händchen für Personal-Entscheidungen, das ihn und sein Trainerteam in den vergangenen Saisons ausgezeichnet hatte, fehlt aktuell zwar – aber das Verhältnis zu den Spielern ist absolut in Takt. Wer in die Mannschaft reinhört, weiß: Zwischen Baumgart und seine „Jungs“ passt trotz des Fehlstarts kein Blatt Papier.
Manager
Bei vielen Fans steht Christian Keller im Zentrum der Kritik, in seiner Rede auf der Mitgliederversammlung nahm der Sportchef selbst Bezug darauf. Es ist eine zweischneidige Sache: Einerseits wird Keller von einer finanziellen Situation gefesselt, für die er gewiss nichts kann. Andererseits bleiben Transfer-Fragezeichen, allen voran der fehlende Skhiri-Ersatz und der mit einem Renten-Vertrag ausgestattete Sargis Adamyan. Wobei auch smarte Verpflichtungen wie Pacarada, Eric Martel oder Denis Huseinbasic nicht vergessen werden sollten.
Wie Keller mit einer prall gefüllten Transfer-Kasse – wie sie Jörg Schmadtke 2017 hatte – umgehen würde, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Trotz Sommer-Ausgaben von 34 Millionen Euro (!) brachte Schmadtke es fertig, keine einzige Soforthilfe zu verpflichten. Ob dies der Auslöser für das Zerwürfnis mit Trainer Stöger war oder sich das einstige Erfolgsduo zuvor entzweit hatte und daher keinen gemeinsamen Plan mehr fand, ist bis heute unbeantwortet.
Was erschwerend hinzu kam: Schmadtkes Abschied im Oktober stürzte den FC in eine Führungskrise, die parallel zur sportlichen Misere über den Club hereinbrach – natürlich zur absoluten Unzeit. Zumal sich auch im Vorstand um Werner Spinner immer größere Risse auftaten. Solch eine Unruhe ist – bei aller berechtigen Kritik an den Verantwortlichen – in dieser Saison beileibe nicht zu erwarten. Keller ist Stammgast auf dem Trainingsplatz, ständig mit Baumgart im Austausch. Am Geißbockheim zieht man, anders als 2017, an einem Strang.
Fazit
Weniger Chaos, dadurch mehr Hoffnung. Auf den 1. FC Köln wartet definitiv ein schwieriges Jahr, der Klassenerhalt ist alles andere als selbstverständlich. Von einer hoffnungslosen Saison wie 2017/18 sind die Geißböcke allerdings auf nahezu allen Ebenen ein gutes Stück entfernt. Wobei die schwächste Saison der Vereinshistorie natürlich nicht der Maßstab sein kann – selbst zehn Punkte mehr als damals würden wohl den Abstieg bedeuten. Dennoch: Der aktuelle FC ist intern weitaus gefestigter und trotz seiner Defizite in der Lage, die komplizierte Mission Klassenerhalt zu meistern.
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