Christian Keller sieht sich beim 1. FC Köln berechtigter Kritik ausgesetzt. Damit kann der Sportchef bislang leben, denn er weiß: Im sportlichen Tagesgeschäft fehlen die Erfolge. Im Hintergrund aber baut er die Zukunft des Clubs, was alle Geschäftsführer vor ihm versäumt haben. Darauf setzt Keller in der Bewertung seiner Arbeit.
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Christian Keller hat als Sportchef des 1. FC Köln bislang eine verheerende Bilanz. Sie wurde viel diskutiert, sie hat viele Facetten – und unter dem Strich stehen, auf das Tagesgeschäft bezogen, nach drei Jahren im Amt mangelhafte Resultate (die GEISSBLOG-Analyse gibt es hier). Als Sportlicher Leiter, als Chef-Kaderplaner, als Gesicht des sportlichen (Miss-)Erfolgs hat Keller wenig Positives vorzuweisen.
Dem gegenüber jedoch steht ein anderes Gesicht des Christian Keller, eines, welches sich womöglich erst in einigen Jahren richtig wird zeichnen lassen. Denn Keller ist im Vergleich zu seinen Vorgängern Horst Heldt, Armin Veh und Jörg Schmadtke kein eindimensionaler Sportchef. Hatten die ehemaligen Sport-Geschäftsführer praktisch all ihre Energie – und alles Geld des Clubs – in die männlichen FC-Profis gesteckt, verfährt Keller gänzlich anders. Und das, obwohl er weiß, dass er damit seinen Kernarbeitsbereich kurzfristig gefährdet.
Warum hat Schmadtke das Shampoo nicht weggeräumt?
Schmadtke, Veh und Heldt hatten sich ebenso wie ihr Geschäftsführer-Kollege Alexander Wehrle immer nur über die schlimmen Zustände im Geißbockheim beklagt. Obwohl sie alle stets betont hatten, mit dem FC im Grüngürtel bleiben zu wollen, hatten sie an den offensichtlichen Mängeln nichts geändert. All die Baumaßnahmen, all die Renovierungen, Sanierungen, Umbauten, die sich seit 2022 vollziehen, hätten auch schon vor zehn Jahren beginnen können.
Hatte Schmadtke nicht so bildhaft beklagt, er hätte das Shampoo von Hennes Weisweiler in den Duschen der FC-Profis gefunden? Die Frage sei erlaubt: Warum hat er es dann nicht weggeräumt?! Das Geld dafür wäre vor zehn Jahren oder vor acht Jahren oder auch vor sechs Jahren noch vorhanden gewesen. Nur investieren wollte es niemand. Investiert wurde stattdessen immer nur in Beine statt Steine.
Baumeister eines anderen FC
Keller hat diesen Prozess zusammen mit Philipp Türoff umgekehrt. Bis mindestens 2027 wird der FC weit über 20 Millionen Euro ins Geißbockheim stecken, womöglich sogar über 30 Millionen Euro. Sehr viel Geld also, das anderswo gebraucht würde, um sportlich erfolgreich zu sein. Doch in dieser Hinsicht zeigt Keller, dass er anders ist als viele andere Sportchefs. Er sieht seine Aufgabe nicht nur als Sportchef, sondern als ganzheitlicher Geschäftsführer. Als Baumeister eines anderen FC.
Das ändert freilich nichts an seinen Fehlern im Tagesgeschäft. Es ändert jedoch sehr wohl etwas mit Blick auf die Zukunft des 1. FC Köln. Wäre Keller in der Geschäftsführung nicht für das sportliche Tagesgeschäft, sondern für die Organisation und Infrastruktur zuständig, wäre seine bislang dreijährige Amtszeit eine Erfolgsgeschichte.
Braucht Keller einen Sportdirektor?
Die Frage ist nun, ob Keller auch im Sport die Kurve bekommt, sich womöglich sogar Verstärkung an seine Seite holt. In anderen Clubs lassen Sport-Geschäftsführer unter sich Sportdirektoren oder Kaderplaner mit weitreichenden Befugnissen arbeiten. Beim FC hingegen sind Lizenzspielerleiter Thomas Kessler und Chefscout Martin Schulz nur ausführende Zuarbeiter, aber keine Entscheidungsträger.
Keller hat beim FC viel verändert. Seine Leistungen abseits des Rasens werden langsam sichtbar. Ihre Wirkung soll sich nachhaltig entfalten. Will er diese Veränderungen jedoch noch hautnah miterleben, muss er nun auch im sportlichen Bereich Zeichen setzen. Kurzfristig bedarf es dafür den Aufstieg, anschließend guter Transfers. Danach hätte Keller auch im sportlichen Bereich gute Argumente, um über seinen aktuell bis 2026 befristeten Vertrag hinaus in Köln zu bleiben.
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