Seit Montag trainiert der 1. FC Köln wieder am Geißbockheim. Was erst einmal in drei Kleingruppen à acht Spielern sowie zwei Gruppen à zwei Torhütern beginnt, soll in den kommenden Wochen schrittweise wieder in ein Mannschaftstraining umgewandelt werden. Im Fokus steht zunächst, sich nach drei Wochen wieder an den Fußball zu gewöhnen und zu kontrollieren, ob sich die Spieler die in den letzten Monaten gewonnene Fitness bewahrt haben. Diese war das Faustpfand seit dem Trainerwechsel, soll die Grundlage für den Saisonendspurt werden und vor allem eine Lehre sein für die Zukunft.
Köln – Es war eine der entlarvenden Aussagen über eine unglückliche Ehe: Achim Beierlorzer beklagte Anfang Oktober 2019 nach sechs Spieltagen, seine Mannschaft laufe zu wenig. „Die Laufleistung ist sicher ein Grund [für die schwachen Ergebnisse der letzten Wochen]“, sagte der damalige FC-Coach und offenbarte anschließend etwas, das zu denken gab: „Wir sprechen das seit drei Wochen an.“ Es brauchte zu dem damaligen Zeitpunkt nicht einmal Expertenwissen, um zu sehen, welch dramatische Kluft zwischen den anderen Bundesligisten und dem 1. FC Köln klaffte. Regelmäßig lief der FC deutlich weniger Kilometer als der Gegner, verzeichnete weniger Sprints, weniger intensive Läufe. Kurzum: Die Geissböcke liefen in jeder Hinsicht der Konkurrenz hinterher.
Die Verantwortlichen versuchten es mit Schönreden, erklärten, es falle in Zeiten des Misserfolgs eben schwerer an die körperliche Leistungsgrenze zu gehen. Als dann Markus Gisdol das Zepter von Beierlorzer übernahm, vermied der neue Chefcoach auffällig jede Kritik an seinem Vorgänger. Der 50-Jährige betonte nach den ersten Wochen lediglich: „Wir haben körperlich deutlich draufgepackt.“ Das war die einzige Aussage, die aus dem FC zu hören war. Die Frage, warum dieses “Draufpacken” überhaupt nötig war und warum der Aufsteiger seine Hausaufgaben nicht schon in der Sommer-Vorbereitung gemacht hatte, blieb vom Klub unbeantwortet. Man wollte einerseits keine dreckige Wäsche waschen und andererseits das offensichtliche Versäumnis möglichst in Vergessenheit geraten lassen.
Differenzen zwischen Athletiktrainern und Beierlorzer?
Die Spieler bekamen unter Gisdol sichtbar eine andere Gangart zu spüren. Nicht erst im Trainingslager in Benidorm forderte der neue Trainer von seinen Spielern körperlich mehr ein. Schon in den Wochen vor Weihnachten hatte der FC-Coach quasi eine Vorbereitung unter Wettbewerbsbedingungen eingeschoben. Mit Erfolg. Eine über zwei Kilometer höhere Laufleistung der Mannschaft pro Spiel, verbunden mit rund 40 Sprints und vielen intensiven Läufen mehr pro Partie sprechen eine deutliche Sprache. Aus einer körperlich unterlegenen Mannschaft wurde ein Team, das im Februar plötzlich davon sprach, läuferisch den Gegnern überlegen zu sein und daraus Kraft und Selbstvertrauen zu schöpfen. Gisdols Ansagen hatten gefruchtet, Horst Heldts Warnung („Wir können auf keinen warten“) wurde erhört und auch die Athletik- und Reha-Coaches Max Weuthen und Dennis Morschel konnten sich unter Gisdol offenbar austoben.
Was im Sommer schief gelaufen war, so heißt es nun beim FC, habe man intern aufgearbeitet, öffentlich äußern wolle man sich dazu nicht mehr. Doch was war überhaupt aufzuarbeiten? Mit Beierlorzer hatte zwar ein Bundesliga-unerfahrener Trainer das Ruder übernommen. Doch einerseits Sportchef Armin Veh und andererseits Weuthen und Morschel hatten bereits 2017/18 erfahren und ausbaden müssen, was mit einer Mannschaft passiert, die in der Vorbereitung nicht fit gemacht worden war. Während Veh seinen neuen Cheftrainer im Sommer 2019 offenbar freie Hand ließ, musste sich das Athletik- und Reha-Duo dem Vernehmen nach fügen. Nach GBK-Informationen konnten sich Weuthen und Morschel mit ihrem vorgeschlagenen Trainingsplan für die Vorbereitung nicht durchsetzen und folgten letztlich den Vorgaben der sportlichen Leitung.
Skhiri und Jakobs als Beispiel für den Wandel
Nach Stefan Ruthenbeck, Markus Anfang, André Pawlak und Achim Beierlorzer ist Markus Gisdol bereits der fünfte Chefcoach, unter dem Weuthen und Morschel in nur zwei Jahren und vier Monaten bei den FC-Profis arbeiten. Das Athletik-Duo kennt nun die Messlatte der körperlichen Arbeit, die auch für die Zukunft beim FC gelten soll. Zwar ist die aktuelle Spielzeit noch nicht zu Ende gespielt und die Coronavirus-Pandemie stellt besondere Anforderungen an die Profis, um sich ihr Fitnesslevel zu bewahren. Doch Gisdol hat die nötige Bundesliga-Erfahrung ans Geißbockheim gebracht, damit grundsätzlich an den richtigen Stellschrauben gedreht wurde. Einstellungen, mit denen der FC auch in der nächsten Saison – dann jedoch von Anfang an – erfolgreich sein will.
Nachdem der 1. FC Köln in der Saison 2017/18 vor allem aufgrund einer ungenügenden körperlichen Vorbereitung der Spieler aus der Bundesliga abgestiegen war und die Geissböcke im Sommer 2019 fast denselben Fehler erneut begingen, sollen läuferische Defizite ab sofort der Vergangenheit angehören. Intern ist man sich inzwischen einig, dass man dem gestiegenen Stellenwert der physischen Leistungsfähigkeit der Spieler noch mehr Rechnung tragen muss. In einer Zeit, in der Unterschiedsspieler sich auch dadurch auszeichnen, möglichst viele Kilometer abzuspulen (wie Ellyes Skhiri) oder möglichst häufig ihre maximale Sprintleistung abrufen zu können (wie Ismail Jakobs), will der 1. FC Köln in diesen Bereichen künftig noch genauer hinschauen. Schließlich haben die Geissböcke in dieser Saison eindrucksvoll bewiesen, wie wichtig die Physis im Fußball ist – in die eine wie in die andere Richtung.
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