Der 1. FC Köln in der Europa League. (Foto: Neil Baynes)
Ein Jahr nach dem 20. Mai – ein junger Fan blickt zurück
Schlaflose Nächte nach London - was ist das für ein Verein?
Contents
Ich stand in London auch auf der Brücke
Etwas anderes liegt mir nach dieser Saison noch immer auf dem Herzen. Die „Nacht der Schande” von London, bei der mir die Berichterstattung einiger Kollegen teilweise schlaflose Nächste beschert hat. Ich möchte nichts von dem, was passiert ist, schönreden. Und der Satz „Wir gehen jetzt alle mal rein und gucken, was passiert“, der vor den Stadiontoren durch ein Megafon hallte, hängt mir immer noch nach. Denn ich weiß, was passiert ist, schließlich stand ich mitten drin in der Menge. Zweieinhalb Stunden wurden wir auf der Zugangsbrücke zum Stadion festgehalten, eingekesselt von Polizeipferden. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, ja, sogar teilweise schon keine Lust mehr auf das Spiel, auf das ich so lange hatte warten müssen. Denn wer hätte sagen können, was passiert wäre, wenn auch nur eine Person in dieser Menschenmasse die Nerven verloren hätte? (Dabei hätte ich nicht einmal ausschließen können, dass ich am Ende diese Person gewesen sein könnte).
Doch es passierte nichts. Es war (fast) alles friedlich. Die Menschen waren ruhig, haben ab und an ein paar Lieder angestimmt und gewartet. Was danach in den 90 Minuten und darüber hinaus im Emirates Stadium passiert ist, treibt mir noch heute die Tränen in die Augen. Selten Noch nie habe ich ein stärkeres Gefühl der Zusammengehörigkeit so vieler Menschen auf einem Fleck erlebt. Der Stolz, ein Teil davon gewesen zu sein, war und ist riesengroß. Von daher ist „Nacht der Schande“ das Irrwitzigste, was ich seit langer Zeit über etwas, das mit dem Effzeh im Zusammenhang steht, gelesen habe. Kritische Berichterstattung ja, aber alle 20.000 Fans über einen Kamm scheren? Das geht zu weit. Ob das jetzt wirklich zu dem zählt, was in der abgelaufenen Saison schiefgelaufen ist? Irgendwie schon. Aber andererseits wird der Tag zu den Besseren in meiner Erinnerung der abgelaufenen Spielzeit zählen. (Lest dazu unseren Kommentar: “In welcher Fußball-Welt leben wir eigentlich?”)
Haben sich Fans weichspülen lassen?
Aber eben auch das ist Vergangenheit – und für mich gefühlt bereits eine halbe Ewigkeit entfernt. Was noch nicht so weit entfernt ist, ist der feststehende Abstieg. Die Verabschiedung von Dominic Maroh, ein ganzes Stadion, das „En unsrem Veedel“ singt. Aber ich muss sagen, die ganze #durchetfüer-Kampagne und die „Alles-ist-so-toll-obwohl-wir-als-schlechteste-Mannschaft-der-FC-Geschichte-abgestiegen-sind“-Stimmung, kann doch nicht allen Ernstes darüber hinwegtäuschen, wie katastrophal dieser Abstieg ist, oder? Es ist für mich nur schwer vorstellbar, dass sich Fans davon haben weichspülen lassen und dabei vergessen haben, wie absurd schlecht gespielt wurde. Blicke ich auf die nackten Zahlen, vergeht mir ganz schön schnell die Stimmung. Will heißen: Der Zusammenhalt und das „Mer sin eins“-Gefühl zwischen Fans und Mannschaft machen den Abstieg keinen Funken besser, nur etwas erträglicher.
Der Optimismus, den Schaden in der kommenden Saison direkt wieder ausbügeln zu können, ist trotz der katastrophalen Saison relativ hoch. Denn der Verbleib von Jonas Hector und Timo Horn ist, auch nüchtern betrachtet, eine Sensation. Plötzlich wird man von anderen Vereinen beneidet, obwohl man gerade abgestiegen ist. An dem Tag, als Hectors Vertragsverlängerung bekanntgegeben wurde, explodierte Twitter. Ein englischer Nutzer fragte sinngemäß: „Was ist der 1. FC Köln für ein Verein, dass ein deutscher Nationalspieler mit in die Zweite Liga geht?“. Ja, was ist das für ein Verein? Der bekannte Werbeslogan ist mittlerweile ziemlich abgenutzt und man kann ihn eigentlich kaum mehr ertragen, aber in dieser Hinsicht stimmt er schon: Dieser Klub ist wirklich anders. Während anderen Vereinen die Spieler trotz Champions League und genügend Geld davonlaufen, wissen viele Effzeh-Spieler, was sie an Köln haben.
Ich bin Anhänger eines jeden FC-Fans
Fest steht: Auch, wenn unfassbar viel falsch gemacht und einiges von dem, was man sich jahrelang aufgebaut hatte, in nur einer Saison zunichte gemacht wurde, bin ich immer noch stolz, Anhänger dieses Klubs zu sein. Nur 38 Dauerkarten wurden bislang zurückgegeben, 11.500 Menschen stehen auf der Warteliste. Jeder will den Effzeh auch in der Zweiten Liga sehen. Das macht mich nicht nur zu einem Anhänger des Vereins, sondern auch zu einem Fan jedes einzelnen, der es mit dem Effzeh hält. Denn nur gemeinsam kann man das Gefühl erzeugen, dass uns in London oder nach dem feststehenden Abstieg Gänsehaut beschert hat. Natürlich hoffen wir alle auf den direkten Wiederaufstieg, und mit Sicherheit erwarten wir das auch alle. Irgendwie freue ich mich sogar auf die kommende Saison, in der mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder deutlich mehr Siege gefeiert werden als zuletzt. Sicher sein können wir uns in Sachen Aufstieg zwar nicht. Aber ich weiß, dass die Fans des Effzeh bedingungslos alles dafür tun werden, die Spieler auf dem Weg dorthin bestmöglich zu unterstützen. Ganz getreu dem Motto: “Die Bühle un Schramme, die fleck m’r zesamme, dann es et vorbei.”
Sonja Eich hat bereits zweimal in dieser Form ihre persönliche Geschichte erzählt.
Lest dazu auch:
Der 20. Mai 2017
Wie ein 1993 geborener FC-Fan den Erfolg verkraftet
Der Winter-Blues
This is a demo advert, you can use simple text, HTML image or any Ad Service JavaScript code. If you're inserting HTML or JS code make sure editor is switched to 'Text' mode.