Allen Beteuerungen zum Trotz muss sich der 1. FC Köln spätestens jetzt eingestehen: Die Geissböcke haben ein Problem im Nachwuchs. Der Abschied von Daniel Meyer ist nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter verbergen sich Unsicherheiten, die sich über Jahre angesammelt haben und die es sichtbar schwer machen, Talente zu halten.
Köln – Zunächst einmal: Dass Daniel Meyer als 38-jähriger Fußballlehrer die Chance ergreift, Trainer in der Zweiten Liga zu werden, ist verständlich. Erzgebirge Aue ist für den ehemaligen NLZ-Leiter des Effzeh eine riesige Möglichkeit, seine Karriere im Profifußball weiter voranzutreiben. Der FC war für diesen Job offenbar das geeignete Sprungbrett.
Eine Frage des Timings
Doch Meyers Abschied hat auch einen faden Beigeschmack. Nicht nur, weil der Fußballlehrer längst nicht so kurzfristig nach Aue wechselte, wie verbreitet wurde, sondern offenbar schon länger durch seine Interimsarbeit in der U19 wieder Blut am Trainerjob geleckt hatte. Sondern auch, weil der FC erst vor wenigen Wochen mit Patrick Helmes und Lukas Sinkiewicz zwei Jung-Trainer aus dem von Meyer geführten NLZ gehen ließ. Besonders interessant ist dabei, dass zwei weitreichende Entscheidungen bereits zum zweiten Mal zeitlich eng beieinander lagen. Ein kurzer Rückblick: Am 1. Dezember 2017 hatte Helmes den FC um die Möglichkeit gebeten, in Erfurt für ein halbes Jahr zu arbeiten. An jenem Freitag lief allerdings schon alles auf eine Trennung des FC von Peter Stöger und auf die Beförderung von Stefan Ruthenbeck hinaus, was zwei Tage später perfekt war. Helmes, zu diesem Zeitpunkt noch nach dem Tod von Uwe Fecht von allen Aufgaben befreit, hätte beim FC also als neuer U19-Coach wieder einsteigen können. Das musste dann aber Meyer machen. Nun ließ Meyer Helmes erst gänzlich gehen, ehe er selbst den FC verließ.
Fehlende Perspektive in der U21
Für die Geissböcke öffnet sich nach dem personell nicht kompensierten Abgang von Jörg Jakobs damit die nächste Baustelle im Führungsbereich des Nachwuchsleistungszentrums. Sorgen machen sollte den Geissböcken aber auch der Zustand der U21 und U19. Die U21 wäre in dieser Saison beinahe zum zweiten Mal in den letzten drei Jahren sportlich abgestiegen. Die Regionalliga-Mannschaft zeigte sich in den letzten drei Jahren nur in den Rückrunden 2017 (unter Helmes) und 2018 (unter Andre Pawlak) wirklich Viertliga-tauglich. In der gleichen Zeit waren vier Trainer für das Team verantwortlich, mit Markus Daun nimmt kommende Woche der nächste Coach seine Arbeit auf. Jährlicher Abstiegskampf und ständige Trainerwechsel – für kein Talent sind dies verlockende Aussichten. Denn in einem solchen Umfeld und einer nur selten funktionierenden Mannschaft ist es für kaum ein Talent möglich, sich für die Profis zu empfehlen.
U19-Talente verlassen den FC
Kein Wunder also, dass sich mit Kevin Goden und Sinan Karweina zuletzt zwei vielversprechende Talente aus der U19 gegen den Weg über die U21 beim FC entschieden und stattdessen zu anderen Klubs wechselten. Der Ex-FC-Trainer Boris Schommers holte Goden zum Bundesliga-Aufsteiger Nürnberg und bot ihm dort die Perspektive, in der Profimannschaft eingegliedert zu werden. Karweina wechselte lieber in die Dritte Liga zu den Sportfreunden Lotte, wo der 17-Tore-Stürmer der letzten U19-Saison bessere Perspektiven sieht als im Kölner Abstiegskampf in der Regionalliga. Beide Spieler hätte der FC gerne behalten, konnte aber nur einen neuerlichen Neuaufbau der U21 mit unsicherer sportlicher Perspektive bieten.
Eigentlich viel zu wenig für die Ansprüche des FC. Doch auch die U19 spielte in den letzten zehn Jahren zwar immer im oberen Tabellendrittel der Junioren-Bundesliga mit, für den Kampf um die deutsche Meisterschaft reichte es aber nie. Während sich Klubs wie Borussia Dortmund oder Schalke 04 in anderen Sphären der Nachwuchsförderung bewegen, überflügelten zwischenzeitlich selbst Klubs wie Fortuna Düsseldorf oder der VfL Bochum den Effzeh.
Zu wenige Talente schaffen den Sprung
Gerne verwies der FC in den letzten Jahren immer wieder auf die Talente, die den Sprung schafften. Timo Horn, Yannick Gerhardt, Salih Özcan, Lukas Klünter und Jonas Hector. Letzterer kam allerdings erst zur U21 zum FC, ein Eigengewächs ist der Saarländer nicht. Neben diesen fünf ehemaligen U-Spielern konnten sich in den letzten zehn Jahren nur noch Adam Matuszczyk und Christian Clemens bei den Profis durchsetzen. Andere Spieler, unter ihnen Mark Uth, Reinhold Yabo, Simon Terodde, Marcel Hartel und zuletzt Birk Risa, verließen – wie nun auch Klünter – vor ihrem Durchbruch den Klub. Auffällig auch: Während andere Klubs wie Leverkusen und Dortmund immer wieder erfolgreich mit Leihgeschäften für ihre Talente arbeiten, gab es dieses Modell beim FC in den letzten Jahren kein einziges Mal.
Nun gehen die Geissböcke erneut in die Zweite Liga. Beim letzten Gang ins Unterhaus profitierten Spieler wie Horn, Gerhardt und Hector davon. Man darf gespannt sein, ob und welche Talente nach dem jüngsten Abstieg zu den Gewinnern zählen werden und bei wem es sich nur um ein Strohfeuer handeln wird. Doch die Probleme liegen weit tiefer als nur an der sichtbaren Oberfläche der Profi-Abteilung. Der FC darf sich die spärlichen Erfolge der Nachwuchsarbeit in den letzten Jahren nicht mehr mit Beispielen wie Horn, Gerhardt oder Özcan schön reden. Die Wahrheit mag zwar nicht schmecken, aber aktuell gehört der Klub auch im Nachwuchs nicht zu den attraktivsten Zielen für Talente auf dem Markt.
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