[nextpage title=”Die erste Aufstellung, die Trippel vorlas”]
Michael Trippel bestreitet 2018/19 seine 20. Saison als Stadionsprecher des 1. FC Köln. In der Aufstiegssaison 1999/2000 übernahm der inzwischen 64-Jährige das Amt von seinem Vorgänger Hans-Gerhard König. Ans Aufhören denkt Trippel noch lange nicht.
Köln – “Herzlich Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands!” Mit diesen Worten begrüßt Michael Trippel die Zuschauerinnen und Zuschauer im RheinEnergieStadion seit dem 14. August 1999. Es war ein Samstag, der Anpfiff der einzigen Zweitliga-Partie des Tages ertönte noch um 15.30 Uhr parallel zur Bundesliga, Schiedsrichter der Partie war Alfons Berg und der Gegner hieß Rot-Weiß Oberhausen.
Die Aufstellung der Geissböcke, die Trippel damals erstmals in Richtung Südkurve vorlas, war ein 3-5-2 mit einem Libero, zwei Sechsern und einem echten Zehner:
Markus Pröll – Dirk Lottner – Carsten Cullmann, Janosch Dziwior – Pascal Ojigwe, Alexander Voigt – Matthias Scherz, Claus-Dieter Wollitz, Christian Springer – Christian Timm, Markus Kurth
Später eingewechselt wurden Georgi Donkov, Thomas Cichon und Khodadad Azizi. Der Trainer hieß Ewald Lienen, im damals noch altehrwürdigen Müngersdorfer Stadion fanden sich gerade einmal 22.000 Zuschauer ein und am Ende gewann der Effzeh dank eines Springer-Tores in der 71. Minute mit 1:0. Nach 33 weiteren Spieltagen stand für den FC der erste Aufstieg der Vereinsgeschichte (nach dem Abstieg im Sommer 1998) und die Rückkehr in die Bundesliga mit 65 Punkten als Meister vor dem VfL Bochum und Energie Cottbus.
Das erste Jahr, der erste Aufstieg, das Schlüpfen in die Rolle des Frontmanns im Stadion, bezeichnet Trippel heute noch als das große Highlight seiner bisher 20 Jahre als Stadionsprecher. Sein Vorgänger Hans-Gerhard König hatte ihn 1994 als zweiten Mann in die Sprecherkabine geholt und vom Fanbeauftragten zum Stadionsprecher ausgebildet. “Hans-Gerhard König war ein Stadionsprecher der alten Schule, von dem ich sehr viel gelernt habe”, sagt Trippel heute im Gespräch mit dem GEISSBLOG.KOELN und erinnert sich schmunzelnd: “Ich habe damals die Musik gemacht – wobei sich im alten Müngersdorfer Stadion ACDC und Heino durch die alten Trichter gleich angehört haben.”
Nach 35 Jahren König nun 20 Jahre Trippel
Trippel war zu diesem Zeitpunkt schon Fanbeauftragter sowie Stadion- und Pressesprecher der FC-Amateure gewesen. Fünf Jahre später löste er König ab, die “Stimme von Müngersdorf”, der einstige Vertraute von Franz Kremer, der über 35 Jahre lang Stadionsprecher gewesen war und bei über 1000 Spielen am Mikrofon gesessen hatte. König hatte in seinem vorletzten Jahr den ersten Abstieg der FC-Vereinsgeschichte miterleben müssen und hatte dann seinen Ruhestand noch einmal um ein Jahr bis 1999 verschoben, um nicht mit dem Gang in die Zweite Liga seine Karriere beenden zu müssen. Ein Jahr später, im Sommer ’99, übernahm Trippel.
Während der gebürtige Hannoveraner König nie so recht mit der kölschen Musik im Stadion hatte warm werden können, baute Trippel folgend die Dramaturgie des Stadionerlebnisses in Müngersdorf um. Die erste Neuerung neben einem Countdown und dem Eröffnungslied “Jetzt geht’s los” von den Höhnern waren Trippels Begrüßungsworte, die er bis heute beibehalten hat: “Herzlich Willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands!” Ein Satz, den er 2006 als Stadionsprecher der WM-Spiele in Köln auf Geheiß der FIFA nicht hatte sagen dürfen, dafür aber in einem Interview mit dem Maskottchen Goleo der WM-Figur in den Mund legte.
[nextpage title=”Das emotionalste Erlebnis nicht als Stadionsprecher”]
Wir haben ein Heimspiel, das ist unser Stadion
“Es war eine Neuerung, mit der wir auch deutlich machen wollten: Wir haben ein Heimspiel, das ist unser Stadion – und wir sind stolz auf unsere Stadt”, sagt Trippel, der bis heute knapp 350 Spiele als Stadionsprecher absolviert hat. Von allen hat er bis heute die Aufstellungszettel mit seinen handschriftlichen Notizen zuhause gestapelt. Nicht sauber archiviert, sondern einfach Woche für Woche hinzugefügt. Ein stetig wachsender Haufen Papier, neben dem die Unterlagen der Amateure und der Frauen liegen, deren Spiele Trippel ebenfalls bis heute moderiert. “Der FC ist mein Leben. Ich kann damit nicht aufhören, selbst wenn ich wollte”, sagt Trippel, der den unvergesslichsten Moment seiner FC-Laufbahn aber als Fan erlebte – nicht als Stadionsprecher.
“London war das emotionalste Erlebnis in meinen 55 FC-Jahren. Mit Abstand. Da kommt selbst das Double nicht heran”, blickt Trippel auf die Reise im September 2017 zurück. Die Rückkehr nach Europa hatten über zehntausend Fans in London erlebt, Trippel war unter ihnen. Nach der Aufstiegssaison 1999/2000 hatte ihn bis dahin nur der 20. Mai 2017 derart berührt – der Tag des 2:0-Sieges über Mainz 05 und die Qualifikation für Europa. Viele Fans erinnern sich noch immer, wie in der Nachspielzeit plötzlich während des laufenden Spiels Trippels Worte über die Lautsprecher erklangen: “In Kopenhagen schellte soeben das Telefon…”
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Im 20. Jahr als Stadionsprecher musste Trippel mit dem FC aber erneut in die Zweite Liga. Ans Aufhören denkt der 64-Jährige aber noch nicht. Es sei denn, die Zuschauer und der Klub würden irgendwann eine andere Stimme und eine andere Show vor dem Spielbeginn erwarten. “Es hängt nicht nur von mir ab, aber ich will es nicht ausreizen”, sagt Trippel mit Blick auf die Zukunft. “Wenn der Zeitgeist jemand anderen fordert, einen Marktschreier oder Clown, der vor den Fans über den Rasen tobt, dann würde ich von selbst aufhören. Wenn ich merke, dass ich nicht mehr gewünscht bin. Es geht darum, was die Zuschauer wollen.”
In einer Zeit der immer weiter voranschreitenden Entertainisierung des Fußballs zwar nicht undenkbar, doch bislang ist sich Trippel sicher, dass die FC-Fans weder einen Stadionsprecher wie bei RB Leipzig gutheißen würden, der die Aufstellung der Heimmannschaft tanzt, noch der Aufforderung nachkommen würden, das Ergebnis dem Stadionsprecher nachzurufen, der daraufhin “Danke” und das Publikum “Bitte” ruft. Das wäre mit Trippel nicht zu machen, betont er. Doch davon ist der FC wohl noch ähnlich weit entfernt wie von einer Halbzeitshow mit Helene Fischer.
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