Jhon Cordoba ist beim 1. FC Köln angekommen. Nach einem schwierigen ersten Jahr hat sich der Angreifer spätestens in der letzten Saison in die Herzen der FC-Fans gespielt. Auch in seiner Heimat Kolumbien ist Cordoba ein Star. Dort hat der 26-jährige bei seinem Weggang als Jugendlicher ein Versprechen gegeben – und es gehalten.
Aus Benidorm berichtet Sonja Eich
Während der kurzen Winterpause versuchen sich viele Bundesliga-Profis unter der Sonne der Vereinigten Arabischen Emirate zu erholen. Nicht so Jhon Cordoba. Wie jedes Jahr nahm der FC-Stürmer in den wenigen freien Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr eine weite Reise nach Südamerika auf sich, um seine Heimat Kolumbien zu besuchen. Bis in die Hauptstadt Bogota dauert ein Flug von Deutschland knapp zwölf Stunden. Von dort aus sind es noch einmal knapp 75 Minuten Flugzeit nach Quibdo, die Hauptstadt der Gemeinde Choco. Dort ist Jhon Cordoba aufgewachsen. Allerdings nicht in Quibdo, sondern im knapp 80 Kilometer entfernten Istmina, wo er 1993 geboren wurde. Für diese Distanz benötigt man mit dem Auto noch einmal zwei Stunden. Der Weg führt über unbefestigte Straßen mitten durch den Dschungel.
Touristen sollten diese Region meiden, rät das Auswärtige Amt aufgrund der hohen Kriminalitätsrate in der Provinz Choco. Doch Jhon Cordoba sind die Strapazen und die Sicherheitslage egal. Er ist hier groß geworden. Jedes Jahr fliegt der Angreifer um die Weihnachtszeit in seine Heimat. „Meine Familie gibt mir Stärke und hilft mir, meine Akkus wieder aufzuladen“, erzählt der 26-jährige im Gespräch mit dem GEISSSBLOG.KOELN. Auch wenn seine Familie ihn hin und wieder in Deutschland besuchen kann, oft sieht er sie nicht. „Das Leben ist kurz und ich verbringe viel Zeit ohne sie. Deswegen versuche ich so oft wie möglich zu ihnen zu fliegen.“ Cordobas Familie ist groß. „Es sind zu viele Leute, um sie aufzuzählen“, lacht der Kolumbianer. Doch sein engster Familienkreis besteht aus nur wenigen Mitgliedern.
Meine ersten Fußballschuhe waren etwas ganz Besonderes
In Istmina, Cordobas Heimatort, leben knapp 25.000 Menschen. Die meisten davon sind von Armut betroffen. Die Dschungelregion ist bekannt für seine artenreiche und unerschlossene Natur sowie das enorme Goldvorkommen. Doch die Region im Nordwesten Kolumbiens zählt eben auch zu den ärmsten des Landes. Ernährt wird sich dort überwiegend vom Fischfang, dem Holz-, Zuckerrohr- und eben Goldmarkt. Trotz des Friedensabkommens zwischen der größten Guerillagruppe FARC und der kolumbianischen Regierung im Jahr 2016, gehören Bedrohung und Gewalt immer noch zum Alltag der Menschen. Umso wichtiger empfindet Cordoba seinen persönlichen Wunsch, den Menschen in seiner Heimatstadt jedes Jahr zu Weihnachten eine Freude zu machen. Den Kindern in Istmina bringt er dann Geschenke mit, verbringt Zeit mit ihnen, und wer Cordobas Berichte via Social Media verfolgt, erhält einen kleinen Einblick, wie wichtig dem FC-Stürmer diese Momente sind. Für Cordoba sind sie einerseits eine Selbstverständlichkeit und andererseits etwas Außergewöhnliches, denn der 26-jährige ist einer von ihnen. Er weiß, was es bedeutet, mit sehr wenig materiellen Möglichkeiten aufzuwachsen.
Seit Jhon Cordoba denken kann, spielt er Fußball. Kein Wunder, war sein Vater in Kolumbien doch ebenfalls Profi-Fußballer. Gelernt hat der heute so bullige und körperbetont spielende Cordoba das Fußballspielen aber nicht auf einem richtigen Fußballplatz. Den gab es in seiner Kindheit in Istmina nicht. Vielmehr kickten die Kinder auf einem staubigen Schotterplatz ohne Schuhe. „Wir haben überall gespielt, wo es möglich war“, erinnert sich Cordoba. Sein erstes Paar Fußballschuhe erhielt der heutige FC-Profi, als er sieben Jahre alt war. „Das war etwas ganz Besonderes. In dem Alter haben die Leute angefangen, mich beim Spielen zu beobachten, weil sie gemerkt haben, dass ich gut bin. Deswegen habe ich damals auch die Schuhe bekommen.“
Dass Cordoba einmal denselben Weg einschlagen wollte wie sein Vater Manuel, der sogar für die Nationalmannschaft Kolumbiens, aber nie außerhalb des Landes aktiv gewesen war, war ihm schon früh klar. „Als ich in der Schule war, habe ich nur daran gedacht, Fußballer zu werden.“ Für dieses Ziel musste Cordoba Istmina und seine Familie allerdings verlassen. 2008 zog es den damals 15-jährigen zum Envigado FC, wo auch James Rodriguez das Fußballspielen lernte. Envigado liegt an der Grenze zu Medellin und war damals bei 300 Kilometern fast zwölf Autostunden von Istmina entfernt. Dort kam Cordoba bei Verwandten unter und drei Jahre später erstmals in der kolumbianischen Ersten Liga zum Einsatz.
Ich habe in meinem Leben alles erlebt
Auch wenn es für Cordoba Alternative zu seinem Traum gab, leicht sei ihm der Schritt in eine andere Stadt und später in ein anderes Land nicht gefallen. „Es war schwierig, von zuhause wegzugehen“, erzählt er. Geholfen habe ihm dabei seine Persönlichkeit: „Ich habe eine starke Mentalität“, sagt er. Außerdem wollte sich Cordoba den Traum vom Profi-Fußballer nicht nur für sich selbst erfüllen. Vielmehr wollte er seiner Familie ein besseres und sorgenfreieres Leben ermöglichen. Am Tag seines Weggangs nach Envigado gab er seiner Mutter deswegen ein Versprechen mit auf den Weg: „Ich habe meiner Mutter an diesem Tag versprochen, dass sich unser Leben verändern wird.“ Was es ihm bedeutet, sein Versprechen wenige Jahre später eingelöst zu haben, merkt man dem abseits des Platzes so ruhigen und besonnenen Spieler deutlich an. Er braucht einige Zeit, um auf die Frage, was sich für ihn und seine Familie seither verändert habe, zu antworten. Mehrfach versucht er eine Antwort zu finden, bricht diese aber ab. Schließlich sagt er bewegt: „Todo. Alles. Es hat sich alles verändert.“
Auch viele Jahre später sind die Erinnerungen an seine Kindheit in Kolumbien noch präsent. Inzwischen hat der frisch gebackene Papa aber andere Sorgen. Am 26. Juni 2019 kam Jhon Cordobas erstes Kind zur Welt und hält ihn und seine Freundin Anabel seitdem auf Trab. Bei diesem Thema fangen die Augen des Kolumbianers an zu leuchten. “Ich habe in meinem Leben alles erlebt. Das Beste war die Geburt meiner Tochter. Ich bin unendlich glücklich darüber.” Ein Glück, das er sich über viele Jahre erarbeiten musste. Das er nun teilt. Mit seiner Familie und mit den Menschen in seiner Heimat.
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