Sebastiaan Bornauw zählt zweifelsfrei zu den Gewinnern der Hinrunde beim 1. FC Köln. Der Neuzugang des RSC Anderlecht stand seit dem zweiten Spieltag in jedem Spiel über 90 Minuten auf dem Platz und stellte seine Fähigkeiten schnell unter Beweis. Trotz seiner erst 20 Jahre wirkt der Belgier enorm reif und abgeklärt. Im Trainingslager in Benidorm sprach der Innenverteidiger mit dem GEISSBLOG.KOELN über seine ersten Monate beim FC und seine persönliche Einstellung zum Profifussball.
Das Interview führte Sonja Eich
GBK: Herr Bornauw, wie gefällt es Ihnen hier im Trainingslager?
SEBASTIAAN BORNAUW: Es ist schön hier, das Wetter und die Plätze sind sehr gut. Aber ich bin vor allem froh, dass es jetzt wieder los geht. Ich bin gerne im Urlaub, aber ich fange sehr schnell an, den Fußball zu vermissen. Jetzt kann ich wieder das tun, was ich am liebsten tue.
Wie würden Sie Ihre ersten Monate in Köln und beim FC beschreiben?
Gefühlt war ich von Beginn an gleich mittendrin. Ich habe zunächst geglaubt, dass ich eine längere Eingewöhnungszeit brauche. Bislang ist wirklich alles gut. Köln ist nah an Belgien, deswegen kann ich meine Familie oft sehen und Flämisch ist sehr ähnlich zu Deutsch, sodass ich die Sprache schnell lerne.
Wie schnell hat die Integration in die neue Mannschaft funktioniert?
Ich war sofort ein Teil davon und habe mich nie wirklich als neuer Spieler gefühlt. Teilweise habe ich den Eindruck, schon viel länger für den FC zu spielen. Ich dachte auch, dass es länger dauern würde mich zu beweisen und zu zeigen, dass ich das Niveau für die Bundesliga habe. Ich hatte gehofft, dass es so schnell gehen würde, aber realistisch betrachtet habe ich das nicht erwartet.
Ich wollte so schnell wie möglich zum FC kommen
Zwischen dem ersten Kontakt zum FC und Ihrer Unterschrift sind nur wenige Tage vergangen. Warum haben Sie sich so schnell für den Verein entschieden?
Zu meinem Manager Daniel Van Buyten habe ich immer gesagt, dass er mir nicht sagen soll, welche Vereine an mir interessiert sind. Ich wollte mich voll auf meinen aktuellen Verein RSC Anderlecht konzentrieren. Als der FC Daniel kontaktiert hat, hat er mir direkt geraten, Köln wäre ein guter Wechsel für mich. Die Bundesliga war ein Traum von mir und Köln ist ein Traditionsklub. So ging alles sehr schnell.
Wie liefen die Verhandlungen, damals noch mit Armin Veh?
Im Vorfeld weiß man nie genau, wie die Gespräche mit den Verantwortlichen letztendlich ablaufen. Aber ich werde nie vergessen, wie ich bei Armin zu Hause mit offenen Armen empfangen wurde. In Belgien gibt es das nicht, dort wird alles auf dem Vereinsgelände abgewickelt. Außerdem sind in Belgien alle sehr formell angezogen, Armin hatte aber keinen Anzug an. Das hat mir gut gefallen. Für mich braucht es kein Kostüm von tollen Marken. Es waren wirklich gute Gespräche. Danach wollte ich unbedingt so schnell wie möglich zum FC kommen.
Sie wohnen nun erstmals alleine in Köln. Wie ist Ihnen die Umstellung gelungen?
Meine Mutter hat mich gut darauf vorbereitet (lacht). Sie hat zu mir gesagt: Jetzt bist du 20, du solltest zumindest einmal in der Woche kochen. Es funktioniert sehr gut. Meine Freundin ist die meiste Zeit bei mir und meine Eltern kommen zu jedem Heimspiel. Köln ist auch eine wirklich schöne Stadt.
Wie verbringen Sie Ihre Zeit außerhalb des Fußballplatzes?
Ich verbringe sehr viel Zeit mit meiner Familie und meinen engen Freunden. In Belgien hatte ich etwas mehr Zeit, jetzt muss ich mich ja auch um den Haushalt kümmern. Dazu lerne ich Deutsch. Und ich spiele gerne Klavier, aber derzeit habe ich keins in Köln. Ich überlege noch, ob ich mir eins kaufen werde. Am liebsten bin ich zuhause, ich mache nicht gerne Party. Für mich ist das wichtigste der Fußball und die Familie. Für beides tue ich alles.
Sie wirken sehr bodenständig und professionell in dem, was Sie machen. Können Sie das erklären?
Auf der einen Seite ist das mein Naturell. Auf der anderen Seite wurde ich so von meinen Eltern erzogen. Sie haben mir beigebracht, dass du hart dafür arbeiten musst, wenn Du etwas erreichen willst. Wenn ich mal schlechte Noten mit nach Hause gebracht habe, aber meine Eltern wussten, dass ich trotzdem alles gegeben hatte, war das in Ordnung für sie. Aber wenn sie gesehen haben, dass ich nichts getan habe, waren sie sauer. So wurde ich erzogen. Mit dieser Einstellung lebe ich nach wie vor.
Sie trinken auch keinen Alkohol. Warum nicht?
Das ist eine bewusste Entscheidung. Ich sehe für mich keinen Nutzen darin. Wie gesagt, ich feiere auch nicht gerne. Nicht nur wegen des Fußballs. Ich mag es einfach nicht.
Mir ist bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist
Hatten Sie nie das Gefühl, etwas in Ihrer Jugend zu verpassen?
Nein, nie. Um sieben Uhr ging die Schule los, um elf Uhr war das erste Training. Dann habe ich natürlich Unterricht verpasst, den ich im Anschluss an das Training nachgeholt habe. Danach ging es wieder zum Training. Anschließend Hausaufgaben machen und dann bin ich völlig fertig ins Bett gefallen. So sah mein Alltag aus. Aber ich mag das Gefühl, abends total k.o. zu sein. Das macht mich glücklich. Wenn ich jetzt zwei, drei Tage im Urlaub nichts mache, ist das schon sehr lange für mich.
Sie haben als Kind für zweieinhalb Jahre in Casablanca gelebt. Hat diese Zeit Sie geprägt?
An diese Zeit erinnere ich mich sehr gut: Wir hatten ein wunderschönes Haus, aber nur wenige Straßen weiter habe ich Kinder gesehen, die überhaupt nichts hatten. Da war ich ungefähr acht Jahre alt. In dieser Zeit fängt man an, über Dinge nachzudenken und zu verstehen. Wir hatten es gut, meine Mutter hat mich jeden Tag von der Schule abgeholt und dann habe ich Kinder am Straßenrand gesehen, die gerne mitgenommen werden wollten, weil sie ansonsten meilenweit hätten laufen müssen. Das haben wir dann auch gemacht. Diese Chance, die ich in meinem Leben bekommen habe, die habe ich realisiert. Und mir ist bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist.
Der Profifussball erweckt oft den Eindruck, dass es den meisten nur um das Geld geht. Sind Sie froh, auch eine andere Welt zu kennen?
Mein Eindruck ist, dass die Spieler in Belgien wesentlich materialistischer sind. Da hatte ich oft das Gefühl, selbst wenn Spieler gar nicht so viel Geld verdient haben, sie trotzdem alles für Blödsinn ausgegeben haben. So wurde ich nicht erzogen. In Deutschland ist das wesentlich besser. Wenn ich mal mit Schuhen nach Hause gekommen bin, die etwas mehr gekostet haben, hat meine Mutter gesagt: Was soll das?
Finden Sie es ist schwierig, in diesem Business wahre Freunde zu finden?
Auf jeden Fall. Einer meiner besten Freunde spielt in Holland. Aber wir waren sechs Jahre zusammen in der Schule, haben zusammen bei Anderlecht und in der Jugend-Nationalmannschaft gespielt. Er war quasi mein gesamtes Leben bei mir. Das kann man nicht vergleichen. Es gibt viele Menschen, die ich wirklich gerne habe. Das sind auch meine Freunde, aber anders. Richtig enge Freunde sind es vielleicht vier – und die sind wie Brüder für mich.
Ich will schon, dass die Leute wissen, dass ich erst 20 bin
Aktuell wird viel über die ganz jungen Spieler wie Noah Katterbach, Ismail Jakobs oder Jan Thielmann gesprochen. Und obwohl Sie auch erst 20 sind, werden Sie häufig als gar nicht so jung wahrgenommen. Wie sehen Sie das?
Viele Leute vergessen, dass ich erst 20 Jahre alt bin. Für mich ist das auf der einen Seite ein gutes Zeichen, aber irgendwie ist es auch seltsam. Ich will schon, dass die Leute wissen, dass ich erst 20 bin.
Wie schätzen Sie das Trio ein?
Sie machen wirklich einen tollen Job. Es schön zu sehen, dass sie aus der eigenen Jugend kommen und Schritte jetzt in der ersten Mannschaft gehen. Es ist ihre Stadt, ihr Verein. Ihr erster Traum geht gerade in Erfüllung. Für mich war mein erster Traum, für Anderlecht zu spielen. Ich lebe gerade bereits meinen zweiten Traum, und zwar, in der Bundesliga zu spielen. Und ich habe noch weitere.
Welche sind das?
Ich möchte ein Red Devil in der A-Nationalmannschaft von Belgien werden. Eine Weltmeisterschaft zu spielen wäre auch schön.
Vor der Winterpause haben Sie drei Spiele in Folge mit dem FC gewonnen. Was hat sich in der Mannschaft verändert?
Auf dem Feld gegen Leverkusen hatte ich wirklich das Gefühl, dass wir alle sehr eng beieinander waren. Das war in dieser Saison nicht nur in diesem Spiel der Fall, aber oft hatten wir kein Glück. Gegen Leverkusen hat alles gepasst und die Mentalität hat gestimmt. Das hat uns Selbstvertrauen gegeben. Jetzt müssen wir weiter hart arbeiten, nach der Pause haben wir ein wichtiges Spiel gegen Wolfsburg.
Sie haben auch bereits drei Mal getroffen in dieser Saison. Was waren das für Gefühle?
Es war großartig. Aber grundsätzlich bin ich ja zum Verteidigen da. Wenn ich zwischen einem richtig guten Tackle und einem Tor entscheiden müsste, wäre das wirklich schwierig. Aber ein Tor vor den Fans zu erzielen ist unglaublich. Ich wusste nicht was ich machen sollte, das ging alles zu schnell. Ich war einfach nur glücklich. Und: Immer wenn ich getroffen habe, haben wir nicht verloren.
Beinahe meine neue Heimatstadt
Sie waren früher Stürmer. Warum sind Sie in die Abwehr gewechselt?
Ich glaube, ich war einfach nicht so gut im Sturm (lacht). Als Mittelstürmer war ich okay. Aber dann haben sie mich auf den Flügel gestellt, das war nichts für mich. Flügelspieler sind für mich immer ein bisschen verrückt und sie machen Dinge, die ich niemals könnte. Dann war ein Abwehrspieler verletzt und ich bin eingesprungen. Da habe ich meine Sache wohl gut gemacht.
Gibt es eine Frage, die Sie gerne einmal von einem Journalisten gestellt bekommen würden oder die Sie sich selbst stellen würden?
Oh, das ist eine gute und schwierige Frage. Ich könnte mich viel fragen. Momentan würde ich mich vielleicht fragen, wie glücklich ich in Köln bin. Die Antwort wäre: Ich hätte niemals gedacht, dass ich so glücklich sein würde. Es ist beinahe meine neue Heimatstadt. Ich mag die Stadt und den Verein. Alles läuft so gut. Und ich hoffe, die Rückrunde läuft noch besser und wir bleiben in der Liga. Dann war es eine tolle Saison.
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