Szenen einer Ehe am Dienstagnachmittag: Baumgart und Jakobs diskutieren, während Andersson vorbeigeht. (Foto: Bucco)

Anderssons Wechsel-Wunsch wirft Fragen auf

Sebastian Andersson wechselt also doch nicht in die Türkei und bleibt beim 1. FC Köln. Nach einer kurzen Aufregung am Dienstagmorgen waren die Geißböcke schnell darum bemüht, die Wogen um ihren fragilen Millionen-Stürmer zu glätten. Der Wechsel-Wunsch des 30-jährigen wirft allerdings Fragen auf, die über die Entscheidung auf dem Transfermarkt hinaus gehen.

Ein Kommentar von Marc L. Merten

Die wichtigste Frage wurde beantwortet, nur noch ein Hintertürchen ist offen: Bleibt Andersson beim FC? Ja, er bleibt in Köln. Weil das Transferfenster in der Türkei aber erst am 8. September schließt, könnte sich trotzdem noch einmal eine Möglichkeit für Andersson auftun. Denn dass dieser wechselwillig ist, ist jetzt jedem klar.

Wechsel-Wunsch, weil er kein Stammspieler ist

Aber die Frage darf erlaubt sein: Warum will der 30-jährige überhaupt weg? Steffen Baumgart gab am Dienstag die Antwort: Weil er kein Stammspieler ist! Diese Einstellung offenbart so manche überraschende Erkenntnis. Erstens wähnt sich Andersson körperlich offenbar auf einem Gesundheits- und Fitness-Level, welches ihm gestatten würde, in Baumgarts laufintensivem Spiel auf Bundesliga-Niveau 90 Minuten mitwirken zu können, und zwar jede Woche.

Zweitens verspürt Andersson scheinbar keinen Ansporn, die Joker-Rolle zunächst zu akzeptieren und sich im Training als Nummer-1-Stürmer zu empfehlen, sich also sportlich für diese Rolle zu qualifizieren. Stattdessen wollte er bei der erstbesten Gelegenheit das Weite suchen, statt sich dem Zweikampf mit Anthony Modeste im Sturm zu stellen. Ein Konkurrent im Übrigen, der seit Neuestem als Vorbild dafür gilt, wie man nach einer langen Verletzungspause wiedererstarkt zurückzukehren kann.

Man muss nicht gleich den Moralischen raushängen lassen

Und drittens verspürt Andersson offenbar keine Verpflichtung gegenüber oder gar Dankbarkeit für den Klub, der ihn vor einem Jahr für (zu) viel Geld aus Berlin holte, monatelang umsorgte, in der Öffentlichkeit bei jeder Gelegenheit schützte, bei zahlreichen Spezialisten behandeln ließ und ihm – denn Vertrag ist Vertrag – noch bis 2023 ein üppiges Zwei-Millionen-Euro-Jahresgehalt überweisen wird, sofern Andersson denn zu bleiben gedenkt.

Steffen Baumgart wies am Dienstag daraufhin: “Wir sind im Profigeschäft. Seb ist mit seiner Situation nicht zu 100 Prozent zufrieden. Wenn er sich dann mit anderen Möglichkeiten beschäftigt, muss man nicht gleich den Moralischen raushängen lassen. Nicht falsch verstehen, aber ich finde das normal. Man unterhält sich darüber und geht damit vernünftig um.”

Andersson stellt sich nicht der Realität

Das Problem: Andersson mag insofern vernünftig mit seiner Situation umgegangen sein, als dass er den FC über seine Unzufriedenheit informierte und einen Ausweg aufzeigte. Zur Wahrheit gehört aber auch: Dieser Ausweg sah nicht vor, sich der Realität zu stellen. Wenn ein Spieler, der ein Jahr lang verletzt war, kaum laufen konnte und auch in der Vorbereitung für die neue Saison immer wieder pausieren musste, trotzdem sofort wieder Stammspieler sein will, sobald er sich halbwegs fit fühlt, dem fehlt es sicher nicht an Selbstbewusstsein, sehr wohl aber an Selbstreflexion.

Spielerverträge sind keine Einbahnstraße. Der FC hat Andersson in der letzten Saison neben dem Gehalt alles gegeben, was dem Klub zur Verfügung stand, um den Spieler wieder fit zu machen. Das hat der Spieler im Rückspiel der Relegation in Kiel zurückgezahlt. Doch statt diesen Sommer als Neustart der Beziehung anzusehen, wollte der Stürmer nun aussteigen. Dass das im Klub nicht gut angekommen ist, überrascht niemanden. Dass der Klub nun aber wieder alles tun muss, um Andersson öffentlich zu schützen und sein Handeln als business as usual zu verkaufen, ist die Konsequenz in einem Geschäft, in dem die Spieler am längeren Hebel sitzen – und diesen auch nutzen.

Dann eben doch die Frage der Moral

Andersson schien nicht der Spieler zu sein, der so handeln würde. Doch das galt auch für Sebastiaan Bornauw, bis sich dieser als Miesepeter in Richtung Wolfsburg verabschiedete. Diese Worte mögen jetzt genau dem entsprechen, was Baumgart mit “den Moralischen raushängen” meint. Doch Moral wird im Fußball eben viel zu selten groß geschrieben. Vor allem, wenn es um Verträge und Transfers geht.

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