Christian Keller. (Foto: IMAGO / Beautiful Sports)

Christian Keller. (Foto: IMAGO / Beautiful Sports)

Keller im Interview: “Wir wollten uns keine Söldner reinholen”

Christian Keller hat den Auftrag, den 1. FC Köln zu sanieren. Dafür muss der Sport-Geschäftsführer den Klub auf links drehen – im sportlichen Bereich, aber auch im Dialog mit jenen, die dem sportlichen Bereich nahe stehen. Dazu gehören auch die Fans. Der Sportchef spricht im GEISSBLOG-Interview über die Lehren aus Nizza, den Transfersommer und den Einfluss der Finanzen.

Das Interview führten Sonja Eich und Marc L. Merten

GEISSBLOG: Herr Keller, auf welchem Stand ist der 1. FC Köln aktuell bei der Aufarbeitung der Vorfälle in Nizza?

CHRISTIAN KELLER: „Wir waren am Montag bei der Polizei. Aus Ermittlungsgründen darf uns die Polizei noch nicht sagen, welche Täter schon identifiziert wurden. Das wird erst zu einem späteren Zeitpunkt passieren. Wir unterstützen die Arbeit der Polizei dabei im Rahmen unserer Möglichkeiten umfassend.“

Unseren Informationen zufolge gibt es Hinweise, dass einer der drei Fahnendiebe, die für den Spielabbruch der U21 gegen Oberhausen gesorgt haben, auch in Nizza an vorderster Front bei dem Tribünengeschehen dabei war. Können Sie das bestätigen?

„Abschließend kann ich das noch nicht bestätigen.“

Sie hatten sich ja mit den drei Fahnendieben persönlich getroffen. Würden Sie solch eine Tat in Nizza einem der dreien zu trauen?

„Die drei Jungs haben sich glaubwürdig für ihr Vergehen entschuldigt. Wir haben darüber hinaus vereinbart, dass wir mit der Fanszene unserer Amateure in einen Regelaustausch treten werden. Es war eine Aktion dieser drei und nicht der Szene.“

Kollektivstrafen haben noch nie dazu geführt, dass sich etwas verbessert

Christian Keller

Wie werden Sie mit all jenen machen, die als Gewalttäter von Nizza identifiziert werden können?

„Alles, was wir zivilrechtlich machen können, schöpfen wir aus. Das heißt, wir werden die identifizierten Täter mit Stadionverboten belegen, sie aus dem Verein ausschließen sowie ihnen die Dauerkarten entziehen, sofern welche vorliegen. Das werden wir wissen, wenn wir die Namen bekommen. Mehr können wir leider nicht machen. Sogar das Thema Stadionverbot können wir nur lokal aussprechen, weil es nicht in Deutschland passiert ist. Nur der DFB könnte unser Stadionverbot auf alle Stadien in Deutschland ausweiten. Das ist unser Bestreben, liegt aber nicht in unserer Hand.“

Sie haben sich von Beginn an sehr für die Kurve und die Unterstützung der Ultras ausgesprochen. Was hat Nizza verändert?

„Mein Statement pro Kurve bleibt unverändert bestehen. Wegen so eines Vorfalls werde ich nicht den Stab über der gesamten Szene brechen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Fankultur, wie wir sie in Deutschland haben, massiv durch die aktive Fanszene geprägt wird. Diese Fankultur ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt und uns von anderen Ländern und Ligen unterscheidet. Im Regelfall ist diese Fankultur auch sehr friedlich – aber leider nicht immer. Beim nicht-friedlichen Teil kann man nicht die komplette Szene verurteilen, weil nur ein kleiner Teil zu aktiver Gewalt neigt. Pauschalsanktionen oder Ausschluss sind daher auch keine Lösung. Kollektivstrafen haben noch nie dazu geführt, dass sich etwas verbessert. Das kann nur über Dialog und Fanarbeit passieren. Wir müssen die sozialpädagogische Fanarbeit noch einmal deutlich ausbauen. Das wird Gewalt nicht abschließend verhindern, aber wir müssen so präventiv wie möglich arbeiten.“

Was ist Ihnen persönlich in diesem Dialog wichtig?

„Ich habe drei rote Linien: Die erste ist aktive Gewalt, die zweite ist Diskriminierung jeder Art, die dritte ist der Eingriff in den Sport.“

Wir sind finanzwirtschaftlich derzeit nicht in der Lage, fertige Qualität zu holen

Christian Keller

Kommen wir zum Sportlichen: Wie fällt Ihr Zwischenfazit nach dem Saisonstart aus?

„Fangen wir in der Bundesliga an, dem mit Abstand wichtigsten Wettbewerb. Dort haben wir ungefähr einen Punkteschnitt von 1,5 nach sieben Spielen. Das ist okay. Wenn wir den halten würden, wären wir am Ende bei 51. Dann hätten wir eine sehr ordentliche Saison gespielt. Gleichzeitig habe ich eher das Gefühl, dass wir den ein oder anderen Punkt mehr hätten holen können. Angesichts der Doppelbelastung haben wir es bis dato gut gemacht. Das Pokal-Aus war sehr ärgerlich, ist aber nicht mehr zu ändern. In der Conference League haben wir unser großes Ziel mit der Gruppenphase erreicht und schon zwei gute Spiele absolviert. Wir dürfen nicht vergessen, unsere Kadergüte im Vergleich zum Wettbewerb zu betrachten.“

Wie ist es denn um die Kadergüte bestellt?

„Es gibt sicherlich Mannschaften in der Bundesliga, die von ihrer individuellen Qualität her noch stärker besetzt sind. Wenn unser Kollektiv funktioniert, sind wir allerdings auch für die individuell noch stärkeren Teams schwer zu bespielen.“  

Sie haben den Kader im Sommer verändert. Worauf haben Sie bei den Neuzugängen geachtet?

„Wir sind finanzwirtschaftlich derzeit nicht in der Lage, fertige Qualität zu holen, die uns konstant hohes Bundesliga-Niveau garantiert. Wir haben nur Spieler geholt, die entweder noch nie die Bundesliga gesehen haben, oder sie gesehen haben und sich bislang aber noch nicht nachhaltig durchsetzen konnten. Alle Spieler haben deshalb Entwicklungspotentiale. Diese fallen uns nicht erst auf, wenn ein Spieler für uns spielt. Wir müssen bei der Rekrutierung nur davon überzeugt sein, dass wir den Spieler besser machen können, wenn wir systematisch mit ihm trainieren, insbesondere auch individuell. Dort spielt die eigentliche Musik, sie liegt im unsichtbaren Training, dem Einzeltraining in der Vor- und Nachbereitung des Mannschaftstrainings. Für jeden Spieler gibt es deshalb einen Maßnahmenplan, um gezielt an den jeweiligen Entwicklungsfeldern zu arbeiten, und eine Zeitprognose.“

Wie laufen diese Pläne mit den aktuellen Neuzugängen?

„Die laufen bisher bei allen Spielern wirklich ordentlich. Beim einen geht die Entwicklung etwas schneller, bei manch anderem funktioniert es ein bisschen langsamer. Aber alle entwickeln sich bis dato positiv. Man braucht aber immer auch Spieler, die das Niveau tragen. Es wurde gegen Slovacko zurecht angemerkt, dass mit den Einwechslungen von Jonas Hector, Ellyes Skhiri und Timo Hübers mehr Stabilität reinkam. An ihnen entlang müssen die Potentialspieler wachsen, damit sie irgendwann auch soweit sind, das Niveau tragen zu können.“

Sie haben kurz vor Ende der Wechselfrist Nikola Soldo verpflichtet. Wie kam es zu diesem Transfer?

„Wir wussten, dass wir aufgrund der im Stuttgart-Spiel eingetretenen Verletzungen kurzfristig nachlegen müssen. Der Markt war zu diesem späten Zeitpunkt aber einfach überteuert für das, was an Qualität da war. Wir hätten uns einen Söldner reinholen können, der uns wahrscheinlich nicht mal sportlich richtig weitergeholfen, dafür aber das Bankkonto erleichtert hätte. Das wollten wir nicht.“

Wieso fiel die Entscheidung dann auf Soldo?

„Auch da ging es um Abwägungen. Nikola ist ein talentierter Spieler, der aber wie alle anderen neuen Spieler auch noch Entwicklungspotentiale hat, unter anderem im athletischen Bereich. Nikola ist sehr offen und hat eine hohe Bereitschaft Lernimpulse anzunehmen. Ich bin daher davon überzeugt, dass er sich bei uns deutlich verbessern wird. Aber selbst, wenn seine Entwicklung nicht in konstantes Bundesliga-Niveau münden sollte, haben wir in der Gesamtabwägung aus sportlicher und finanzwirtschaftlicher Perspektive keinen Fehler gemacht.“

Dan-Axel Zagadou war nicht in unserer Preisklasse

Christian Keller

Der FC hatte im Sommer schon Luca Kilian fest verpflichtet und dann noch Soldo hinzugenommen. Für beide Innenverteidiger hat der FC über zwei Millionen Euro ausgegeben. Bremen als Aufsteiger hat Niklas Stark und Amos Pieper ablösefrei geholt. Hätte der FC im Gesamten mit solchen Spielern nicht einen besseren Deal machen können?

„Aus rein finanzieller Perspektive bin mir sicher: Würde Luca aktuell zum Verkauf stehen, würden wir schon jetzt einen höheren Preis erzielen als den, den wir bezahlt haben (Kaufoption, Anm. d. Red.). Den wirtschaftlichen Vergleich mit Pieper und Stark kann ich nicht beantworten, weil ich nicht weiß, wie die Gehaltszahlungen der beiden in Bremen aussehen. Das ist aber auch egal. Bei Luca Kilian wussten wir, was wir bekommen. Der Junge ist 23 Jahre alt, Deutscher, hat schon fast 60 Bundesliga-Spiele bestritten und trotzdem noch viel Entwicklungspotential. Und ganz wichtig: Luca identifiziert sich zu 100 Prozent mit dem FC und unserem Weg. Daher war es für uns klar, dass wir den Deal machen wollen, weil Luca schon gutes Bundesliga-Niveau hat, wenn er auf Sendung ist.“

Was heißt das?

„Das bedeutet, dass er hohes Niveau abliefern kann. Wenn ihm ein Fehler passiert, verliert er aber ab und an noch seinen Fokus, weil er sich zu sehr mit diesem Fehler beschäftigt. Dadurch kommen dann Folgefehler. Er wird noch lernen, dass er schneller abhaken muss. Auf jede Aktion, die nicht optimal läuft, folgt eine weitere Aktion und nur diese ist dann entscheidend. Im Rückblick kann man eine Aktion nicht mehr ändern.“

Als sich Jeff Chabot verletzte, hieß es, Sie suchten eine Soforthilfe. Bei allem Respekt vor Nikola Soldo: Ein 21-Jähriger aus der kroatischen Liga, der noch nie in der Bundesliga gespielt hat, scheint diesem Anforderungsprofil eher nicht zu entsprechen.

„In dem Moment, in dem wir durch die Verletzung von Jeff eine Notwendigkeit bekommen haben, hätten wir in Ihrer genannten Kategorie vielleicht noch Dan-Axel Zagadou holen können.“

Haben Sie sich um ihn bemüht?

„Der Spieler war nicht in unserer Preisklasse. Als wir vor knapp drei Wochen mit dem Berater des Spielers gesprochen haben, waren wir insofern als Klub nicht interessant. Die Gespräche waren daher schnell beendet. Egal, wie gut ein Spieler ist, wollen wir ihn nur dann, wenn er darauf brennt, bei uns spielen zu dürfen.“

War es eine Option auf Rijad Smajic zu setzen, statt einen weiteren Innenverteidiger zu holen?

„Wir setzen auf Rijad, das weiß er auch. Er trainiert bei den Profis mit. Wir wollen mit ihm den Vertrag verlängern, und ich bin zuversichtlich, dass uns das zeitnah gelingen wird. Wir sehen in ihm großes Potential, aber wir hatten nur zwei gesunde Innenverteidiger und Rijad als Nachwuchsspieler. Wenn dann noch mal was passiert wäre, wäre das zu dünn gewesen.“

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