Der 1. FC Köln hat sich auch am 14. Spieltag bei Union Berlin wie ein Absteiger präsentiert. Das 0:2 (0:1) war eine verdiente Niederlage einer Mannschaft, die diese Bezeichnung aktuell nicht verdient. Doch statt Selbstkritik hört man Selbstverblendung. Das ist ein Alarmsignal, auf das Markus Gisdol und Horst Heldt umgehend reagieren müssen.
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Eigentlich gab es keine Argumente für die FC-Profis sich die zehnte Saisonpleite schönzureden. Doch offenbar reichten die ersten 30 Minuten mit einigen vergebenen Torchancen aus, damit so mancher Spieler glaubte, sich nicht viel vorwerfen lassen zu müssen. Doch dann besah man sich die Statistiken der Partie und rieb sich die Augen: Die Mannschaft des 1. FC Köln lief in einem Spiel gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf fast vier Kilometer weniger und gewann nur 45 Prozent der Zweikämpfe.
In der Schule würde man dafür die einzig äquivalente Note ausstellen: eine glatte Sechs. Statt einer harten und klaren Kritik belügen sich die Profis jedoch lieber selbst. Nicht, dass dies beim FC ein unbekanntes Phänomen wäre. Schon vor zwei Jahren ging es auch deswegen sang- und klanglos in Liga zwei. Nun lässt die Mannschaft erneut fast alles vermissen. Trainer sagen gerne: Jeder Spieler darf einen schlechten Tag haben, aber kämpfen kann man immer. Nur: Wirklich kämpfen sieht man diese Kölner Mannschaft in dieser Saison höchst selten. Während es praktisch jede Mannschaft aus dem Tabellenkeller in dieser Saison schon mindestens einmal schaffte, sich einem Favoriten erfolgreich in den Weg zu stellen, sieht man beim FC Woche für Woche die gleichen Bilder.
Ein Klima konstanter Alibis
Die Wurzeln der Probleme liegen freilich weit tiefer unter der Oberfläche und sind nicht nur in dieser Saison zu finden. Sie lassen sich nicht einfach abschneiden. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass dieser Prozess der Selbstverblendung seit dem Absturz 2017 zum Programm innerhalb des Klubs gehört. Öffentliche Kritik an den Spielern durch Verantwortliche gab es trotz der vielen Misserfolge nur selten. Lieber stellten sich Trainer und Manager schützend vor die Spieler. Leistungsschwankungen wurden virtuos begründet, Formschwächen ignoriert, Fitnessprobleme kleingeredet, taktische Defizite toleriert, Disziplinlosigkeiten unter den Tisch gekehrt. Schuld an den Miseren waren vor allem immer jene, die nicht mehr da waren, die als Verantwortliche entlassen worden waren. So entstand in den letzten zweieinhalb Jahren beim FC ein Klima konstanter Alibis für die Spieler. Und dieses wussten sie zu nutzen.
Horst Heldt und Markus Gisdol müssen diesen Teufelskreis nun durchbrechen – indem sie das erste Mal seit Jahren beim FC hart durchgreifen. Bislang sah die Realität so aus: Egal, wie die Ergebnisse ausfielen, Straftrainings gab es keine. Egal, wie die Spieler spielten, persönliche Konsequenzen blieben aus. Unbequeme Maßnahmen wurden gescheut, im Gegenteil bekamen die Profis eine Macht, die es ihnen erlaubte, seit 2017 fünf Trainer zu verschleißen und nun auch schon dem sechsten den Dienst zu verweigern. Wenn Gisdol eine Zukunft beim FC haben will, muss er jetzt und sofort durchgreifen. Er muss den Spielern ihre Grenzen aufzeigen und über allem ein strenges Leistungsprinzip einführen. Etwas, das er – diesen Vorwurf muss er sich gefallen lassen – bislang nicht gemacht hat.
Konsequenzen angekündigt: Heldt muss jetzt Wort halten
Sportchef Heldt wird seinen Trainer bei diesen Maßnahmen unterstützen und stützen müssen. Nur so kann das Duo beim FC das Ruder herumreißen. Dass der neue Geschäftsführer am Sonntag in Berlin ankündigte, Konsequenzen zu ziehen, könnte ein Hinweis darauf gewesen sein, dass Heldt zu genau diesem Schluss gekommen ist. Man darf gespannt sein, ob der Sportchef Wort hält.
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