Der 1. FC Köln hat mit der Verlängerung von Horst Heldt ein Signal setzen wollen. Gleiches erhofft man sich von der wohl bevorstehenden Verlängerung mit Markus Gisdol. Die Geißböcke richten sich in der Krise auf Kontinuität ein. Dass der Klub Ruhe braucht, steht außer Frage. Dass die Verantwortlichen intern aufräumen müssen, aber auch. Gerade deshalb könnten die Verlängerungen tatsächlich das richtige Mittel sein – wenn alle verstehen, worum es geht.
Ein Kommentar von Marc L. Merten
Ich gebe zu: Mathematik war in der Schule meine große Schwäche. Damals, in der 10. Klasse, ging mein Saisonstart ziemlich in die Hose. Ne glatte Fünf in der ersten Klassenarbeit. Mündlich war es etwas besser, aber alles kam auf die zweite Arbeit an. Am Tag der Rückgabe stellte sich unser Lehrer vor die Klasse und sagte: “Nachdem ich Eure Arbeiten korrigiert hatte, habe ich es gemacht wie in der Bibel: Ich ging hinaus und weinte bitterlich.” Es wurde sehr still in der Klasse. Dann bekam ich meine Arbeit wieder. Überall Rotstift. Mit zitternden Händen blätterte ich bis zur letzten Seite. Dort stand die Note. Wortwörtlich hatte der Lehrer geschrieben: “gerade noch ausreichend”. Das “gerade noch” hatte er doppelt unterstrichen. Glück gehabt – meine Versetzung war nicht mehr gefährdet.
Auch die Versetzung des 1. FC Köln war in dieser Saison letztlich nicht mehr gefährdet – dank des Zwischenspurts im Winter und Frühjahr. Doch dass nun der Präsident des 1. FC Köln die Leistung in dieser Saison in die Schulnote “voll befriedigend” gepackt hat, überrascht. Eher würde passen: “gerade noch ausreichend”. Denn ja, der FC erreichte den Klassenerhalt, und nichts anderes war das realistische Ziel. Doch erstens schaffte der FC diesen nicht ansatzweise souverän oder durch kontinuierlich stabile Leistungen wie Union Berlin. Sondern zweitens kostete dieser Klassenerhalt alle Kraft und jeden einzelnen Cent, den der Klub aufbringen konnte – inklusive eines neuen Trainerteams und eines neuen Sport-Geschäftsführers. Von “voll befriedigend” kann da keine Rede sein. Der FC entkam dem nächsten Abstieg nur hauchdünn.
Niemand erwartet den Gang nach Canossa
Wie heißt es so schön? Der erste Schritt, um ein Problem zu lösen, ist zu erkennen, dass es eins gibt. Daher verwundert die Aussage von Werner Wolf. Denn eigentlich hatten die FC-Bosse zuletzt häufiger betont, dass es sehr wohl große Probleme gebe und dass man nicht zufrieden sein könne und dürfe. Der Vorstand forderte eine Analyse von der sportlichen Leitung an. Horst Heldt und Markus Gisdol erklärten, man habe bereits wichtige Erkenntnisse gesammelt, welche Veränderungen man im Sommer anstreben müsse. Und auch die Spieler zeigten sich reumütig nach dem Desaster von Bremen.
Niemand erwartet vom FC den Gang nach Canossa. Was es braucht, ist ein seriöses Aufarbeiten der Krise und harte Entscheidungen. Genau dafür hat man nun mit Horst Heldt verlängert. Der Sportchef kann mit der Gewissheit in die Gespräche mit Spielern und Beratern gehen, dass man ihm langfristig vertraut. Das Gleiche soll eine Verlängerung mit Markus Gisdol bewirken. Wüssten die Spieler, dass der Trainer die Vorbereitung ab August nur mit einem Vertrag bis 2021 und auf Bewährung aufnimmt, könnte man gleich jetzt einen Schlussstrich ziehen, um sich eine Trennung im Herbst in einer noch tieferen Krise zu ersparen. Nein, der FC will mit Heldt und Gisdol längerfristig arbeiten. Das sollen und müssen nun aber auch die Spieler kapieren – und zu spüren bekommen.
Zu lange durften die Spieler ihre Trainer verschleißen
Die Spieler haben bereits den Worst Case leichtfertig in Kauf genommen, indem sie sich ihrer hochgezahlten Arbeit in Teilen lustlos verweigert haben und zehn Spiele ohne Sieg geblieben sind. Sie haben es zu verantworten, dass Zweifel an Markus Gisdol aufgekommen sind, dass einmal mehr ein negativer Schleier über der Sommerpause hängen wird, dass alles hinterfragt wird, was man sich in der Hochphase der Saison erarbeitet hatte. Jetzt müssen es die Spieler zu spüren bekommen. Heldt muss mit der Autorität seines neuen Vertrags mit eisernem Besen kehren, Gisdol mit Beginn der Vorbereitung jedes Nachlassen der Spieler bestrafen. Zu lange durfte sich die Mannschaft als stärkstes Glied der Kette fühlen und in den zweieinhalb Jahren nach Peter Stöger drei Trainer verschleißen (Ruthenbeck, Anfang, Beierlorzer) und einen (Gisdol) nach zwischenzeitlichen Erfolgen wieder in Frage stellen.
Wenn man Tabellenplätzen aus Kölner Sicht Schulnoten geben würde, dann wäre Europa eine Eins, ein einstelliger Tabellenplatz eine Zwei, die Plätze zehn bis zwölf eine Drei, die Plätze 13 bis 15 eine Vier, die Relegation eine Fünf und der direkte Abstieg eine Sechs. In der nächsten Saison würde sich wohl fast jeder FC-Fan mit einer Vier zufrieden geben, mit einem verdienten Ausreichend, mit einer stabilen, ausreichend erfolgreichen, den Klassenerhalt sichernden Saison, die dem FC mehr Ruhe beschert und Stabilität verleiht. Dafür hat der FC seinen Manager mit einem starken Mandat ausgestattet, damit dieser wiederum dem Trainer ein solches verleiht. Was es nun braucht, sind willige Spieler, die den Auftrag auf dem Rasen umsetzen.
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