Steffen Baumgart akzeptiert keine Minimalziele: Der Trainer des 1. FC Köln spricht im zweiten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews über den Weg, den er mit dem FC gehen will – und der die Geißböcke auch in Schlagdistanz zu den Rheinischen Rivalen bringen soll. Dafür braucht er Spieler, die hart im Nehmen sind. “Du musst nicht rumheulen, wenn nichts ist”, sagt der 49-jährige. (Hier geht’s zum ersten Teil des Baumgart-Interviews).
Das Interview führten Sonja Eich und Marc L. Merten
GBK: Wie sehen Sie die aktuelle Hierarchie in der Mannschaft?
STEFFEN BAUMGART: “Die Jungs gehen sehr gut miteinander um. Das ist der erste Schritt. Eine Mannschaft muss immer zusammenwachsen, und da sehe ich sie auf einem guten Weg. Was die Hierarchie angeht, ist es Typsache. Ich war nicht in allen Mannschaften, in denen ich gespielt habe, im Mannschaftsrat oder Kapitän, trotzdem hatte ich fast immer viel zu sagen – weil ich es gesagt habe. Eine Hierarchie entwickelt sich. Einige Spieler hier sind aufgrund ihrer Geschichte etwas höher angesiedelt als andere. Aber hier sagt niemand von oben herab, wie es zu laufen hat.”
Wie greifen Sie als Trainer in diesen Prozess ein?
Dadurch, dass ich ständig dabei bin, dass ich auf Dinge aufmerksam mache, die mir gut gefallen oder nicht gut gefallen. Wenn ein Spieler einem anderen Spieler sagt, wie blöd er ist, habe ich damit ein Problem. Denn das ist meine Aufgabe. Wenn er ihn aber motiviert, wenn er ihm hilft und eine Lösung aufzeigt, dann ist es das, was ich sehen will.
Tut’s weh? Ja. Tut’s weh, wenn du stehst? Ja. Kannst du stehen? Ja. Dann kannst du auch laufen.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Die beste Bewegung eines Innenverteidigers ist, wenn er beide Arme ausstreckt und anzeigt, er hat keine Anspielsituation. Das liebe ich total. Das hat für mich nichts mit Fußball zu tun. Der Spieler muss den Mitspielern schon zeigen, was er von ihnen erwartet. Wenn sowas passiert, gebe ich dem Spieler einen Spruch mit und die Sache ist geklärt.
Man hat den Eindruck: Hier bleibt im Training kein Spieler mit Wehwehchen liegen.
Sonst würde ich stinkig werden. Wir ärgern uns über die Fußballer, die ständig hinfallen und sich auf dem Boden wälzen. Aber wir als Trainer sind doch dafür verantwortlich. Wenn ich das zu meinem Vorteil nutze und das Gewälze und Geheule akzeptiere, muss ich mich doch nicht wundern, wenn es der Gegner auch macht. Ein Spruch von mir ist: ‚Tut’s weh? Ja. Tut’s weh, wenn du stehst? Ja. Kannst du stehen? Ja. Dann kannst du auch laufen.‘ Ich brauche niemanden, der Zeit schindet. Ich habe lieber zehn Leute auf dem Platz, die verteidigen, als neun, die verteidigen, und einen, der draußen Eisspray kriegt. Ich habe auch mit Tricks gearbeitet, aber du musst nicht rumheulen, wenn nichts ist. Fußball ist eine harte Sportart. Andere Sportarten machen es uns vor, wie es geht.
Welche anderen Sportarten schauen Sie gerne?
Eigentlich alles, aber ich komme aus einer Handballer-Familie, daher schaue ich sehr gerne Handball. Auch Eishockey, wo die Härte einfach dazu gehört. Trotzdem verkennen viele, wie hart Fußball sein kann. Beim Fußball fliegen auch die Messer.
Ich kann auch Fußball
Warum wollten Sie Trainer werden?
Ich habe das schon als Kind gesagt. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass ich eine gute Idee vom Fußball habe und Dinge auf dem Platz erkenne. Es gibt ja einige, die sagen: Der Baumgart ist nur emotional. Aber ich kann auch Fußball. Ich verstehe auch taktische Dinge, selbst wenn ich nicht immer darüber rede.
Sie sind 1994 von der SpVg Aurich zu Hansa Rostock gewechselt und haben später Frank Pagelsdorf als einen besonderen Trainer geschildert. Was hat ihn ausgemacht?
Ich war Amateur und kam zu Hansa, einem Abstiegskandidaten in der Zweite Liga. Alles war neu, der Kader war neu – Beinlich, Breitkreutz, Schneider, die kannte damals noch keiner –, und Pagelsdorf kam rein und sagte: Hier gibt’s nur ein Ziel, den Aufstieg! Da steht man als junger Spieler, der letzte Saison noch Oberliga gespielt hat, und denkt sich: ‚Nächste Saison Bundesliga? Na klar!‘ Das Besondere war aber: Er hat uns gezeigt, wie es geht. Das war nicht irgendein Spruch. Er hat es ernst gemeint. Das war das Entscheidende. Dieses Feuer hatte er, und dann kam das Quäntchen Glück dazu, das du brauchst, um aufzusteigen.
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Einen ähnlichen Weg sind Sie später mit Paderborn gegangen. Als Abstiegskandidat der Dritten Liga in die Zweite Liga aufgestiegen und dann als Aufsteiger durchmarschiert in die Bundesliga. War das Ihr Ziel?
Ja. Ich hatte vor dem ersten Spieltag sogar eine kleine Wette abgeschlossen. Trotzdem war das natürlich ein Wunder. Aber, und das wird hinterher als selbstverständlich dargestellt, wenn alles gut gelaufen ist: Das war vor allem ein Weg, den wir den Spielern aufgezeigt haben. Wir hätten damit auch Vierter werden können.
Mit zwei Siegen gegen den FC.
Die Spiele sind gute Beispiele. Wir gewinnen im Hinspiel in Köln mit 5:3, sind danach aber demütig gewesen, weil wir den Spielern gesagt haben: So funktioniert das nicht. Köln hätte das Spiel auch 5:1 gewinnen können. Im Rückspiel war es dann ganz anders. Wir waren die klar bessere Mannschaft und haben den FC dazu gezwungen, vom eigentlichen Plan komplett abzurücken. Zwischen dem Hin- und dem Rückspiel gab es diese Leistungsverschiebung, die man als Trainer sehen will.
Es kann doch nicht sein, dass wir uns als FC hinter Leverkusen und Gladbach anstellen
Der FC hat letzte Saison immer wieder betont: Es werde eine schwere Saison, man spiele nur gegen den Abstieg, eine Rettung in der Relegation wäre ein Erfolg. Sie sind angetreten mit den Worten: Ich will nicht gegen den Abstieg spielen.
Wenn ich von vorne herein sage, dass es nur gegen den Abstieg geht, weiß ich doch schon, dass ich mehr Spiele verliere als gewinne. Der FC hat in der letzten Saison 17 Spiele verloren. Die Hälfte. Als Trainer kann ich doch nicht so in die Saison gehen. Dann schlafe ich die Hälfte der Wochenenden nicht. Ich muss doch den Glauben daran haben, viele Punkte holen zu können.
Auch gegen die Bayern?
Natürlich, wieso denn nicht? Wir können doch nicht am 2. Spieltag nach München fahren, um nur nicht zu hoch zu verlieren. Wir sollten uns lieber fragen, wie wir da was reißen können. Anderes Beispiel: Es kann doch nicht sein, dass wir uns als 1. FC Köln freiwillig hinter Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach anstellen. Nur, weil das jetzt vielleicht 20 Jahre so gegangen ist. Wir müssen doch einen Weg einschlagen, den Anschluss zu finden, um vielleicht irgendwann vor denen zu stehen. Das muss doch unser Ziel sein. Wenn wir das von vorne herein ausschließen, werden wir das nie schaffen.
Nach ihren ersten Wochen: Gibt es schon Positives oder Negatives beim FC, das Sie überrascht hat?
Ich bin ein positiver Mensch, ich schaue auf die guten Sachen. Klar, das Geißbockheim ist einfach eine Katastrophe in Sachen Kabinen und Trainingsbedingungen. Im Vergleich zu den Klubs, die ich gerade genannt habe, ist der FC Jahrzehnte hinten dran. Das passiert, wenn ganz kluge Menschen Politik machen und nur zum Feiern mit dem Schal ins Stadion kommen. Trotzdem machen alle Menschen beim FC einen super Job. Was an moderner Infrastruktur und Komfort fehlt, machen sie mit Engagement gut. Dieser Klub hat so viel Power, jetzt müssen wir diese Power aufziehen und nutzen.
Hier geht’s zum ersten Teil des großen GEISSBLOG-Interviews mit Steffen Baumgart.
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