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Nach Wirbel um Finanzen: So liest sich die FC-Bilanz der letzten Jahre

Philipp Türoff. (Foto: Bucco)
Philipp Türoff. (Foto: Bucco)

Als die Deutsche Fußball Liga (DFL) in der vergangenen Woche die Finanz-Kennzahlen aller Bundesligisten veröffentlichte, sorgte dies für Wirbel – auch beim 1. FC Köln. Im Ligavergleich stand der FC schlecht da, der Report schien ein neues Licht auf die Finanzsorgen der Geißböcke zu werfen. Dabei waren die Kölner Zahlen erstens alt und zweitens keine Überraschung. Der GEISSBLOG fragte bei Finanz-Boss Philipp Türoff nach.

Seit 2019 veröffentlicht die DFL für alle Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga im Sinne der Transparenz die wesentlichen Finanz-Kennzahlen eines Geschäftsjahres. Der Vergleich hilft dieser Tage vor allem, um zu sehen, welche Vereine von den fehlenden Zuschauereinnahmen während der Corona-Krise am härtesten betroffen waren.

Kein Wunder, dass auch deshalb insbesondere die Zahlen des 1. FC Köln verheerend ausgefallen waren. Was aber bedeuten die Zahlen aus dem Vorjahr wirklich, wie sehen die Vorhersagen für das abgelaufene Jahr 2021/22 aus und was sagt die neue Geschäftsführung zur Planung der kommenden Saison 2022/23 sowie zur Zukunft der Geißböcke?

1. Finanzzahlen im Überblick

Zunächst ist wichtig: Die von der DFL am Freitag vorgestellten Zahlen waren auf den Stichtag 30. Juni 2021 ausgelegt – also auf einen Zeitpunkt vor fast einem Jahr. Inzwischen sind wir elf Monate weiter – und die Zahlen des 1. FC Köln haben sich weiter verschlechtert.

Doch dazu später mehr. Zunächst zur Saison 2020/21, auf die sich die DFL-Kennzahlen beziehen. Der GEISSBLOG hat die Entwicklung der Jahre 2019, 2020 und 2021 vergleichen. Folgende Werte sind die Schlüssel, um die aktuellen Finanzsorgen des FC zu beschreiben:

a) Eigenkapital: Das Eigenkapital sank nicht nur wegen der Corona-Pandemie von 38,5 Mio. Euro (2019) über 13,8 Mio. Euro (2020) auf 1,5 Mio. Euro (2021). Auch ohne die Pandemie wäre es von 2019 auf 2020 gesunken, weil der damalige Geschäftsführer Alexander Wehrle für 2019/20 bereits ohne Corona-Effekte “ein deutlich negatives Ergebnis” angekündigt hatte – und dieses noch einmal deutlich schlechter ausfiel, als die Pandemie die Welt völlig unvorbereitet traf. Dass das Eigenkapital wiederum ein Jahr später zum 30.06.2021 überhaupt noch positiv war, lag an zwei Ereignissen: dem Verkauf von Jhon Cordoba sowie dem Verkauf von Mezzanine-Kapital.

b) Verbindlichkeiten: Mit schwindendem Eigenkapital stiegen fast deckungsgleich die Verbindlichkeiten des 1. FC Köln von 33,4 Mio. Euro (2019) zunächst auf 56,8 Mio. Euro (2020) und dann auf 70,8 Mio. Euro (2021). Wichtig bei den Verbindlichkeiten: Diese Zahl stellt nur die buchhalterische Verschuldung dar. Die tatsächlichen Verbindlichkeiten liegen deutlich höher, denn die Rückzahlung der Genussrechte über das Mezzanine-Kapital ist darin nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht berücksichtigt ist der Sonderposten der Catering-Rechte, die die KGaA an die eigene Tochter 1. FC Köln Marketing GmbH abgetreten hatte. Zwar ist dies keine Verbindlichkeit an sich, wird die Bilanz in den nächsten Jahren trotzdem zusätzlich belasten.

c) Personalaufwand: Trotz der einsetzenden Corona-Pandemie, und das ist durchaus erstaunlich, erhöhte der 1. FC Köln den Personalaufwand weiter. Am Ende der Saison 2018/19 (der Zweitliga-Saison der Geißböcke) hatte dieser noch aus Zweitliga-Gründen bei 47,8 Mio. Euro gelegen und war im Folgejahr in der Bundesliga naturgemäß auf 70,1 Mio. Euro (2020) gestiegen. Doch dann, im Sommer 2020, gingen die Geißböcke den Weg mit steigenden Personalkosten weiter, obwohl die Pandemie die Welt getroffen hatte. Ein Jahr später hatte man 76,3 Mio. Euro (2021) ausgegeben – und damit fast zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Dies entstand teilweise aus vertraglich unumgänglichen Verpflichtung, teilweise aus der Neuverpflichtung gehaltsintensiver Spieler (Andersson, Duda, Wolf, Dennis) und teils durch Sondereffekte (u.a. Abfindungen Gisdol und Heldt). Zur Erinnerung: Christian Keller und Philipp Türoff müssen nun genau diesen Personalaufwand drastisch senken.

d) Konzernbilanz: 2019 hatte es noch den trügerischen Jahresüberschuss von 1,0 Mio. Euro (2019) gegeben, den sich der FC jedoch in der Zweiten Liga dadurch erkauft hatte, dass man schon damals mit einem deutlichen Verlust ein Jahr später kalkuliert hatte. So kam es dann auch – und das nicht nur wegen Corona: Es folgten zwei große Jahresfehlbeträge, zunächst 24,6 Mio. Euro (2020) und dann 18,3 Mio. Euro (2021).

e) Spielerberater: In diesen drei Jahren blieb eine Zahl nahezu konstant. Der FC gab 2019 (5,9 Mio. Euro), 2020 (6,0 Mio. Euro) und 2021 (5,8 Mio. Euro) praktisch identisch viel für Provisionen an Spielerberater aus. Im Ligavergleich belegte der FC damit die Plätze 13 (2019), 11 (2020) und 12 (2021) – also Plätze im unteren Mittelfeld.

2. So lief die gerade beendete Saison

Auf die genauen Zahlen für die Saison 2021/22 werden die Fans des 1. FC Köln noch bis in den Herbst hinein warten müssen. Doch mehrere Umstände sind schon jetzt klar:

a) Eigenkapital: Der FC wird sein Eigenkapital nur mit weiteren Bilanzkniffen positiv halten können. Die Verkäufe von Ismail Jakobs und Sebastiaan Bornauw im Juli 2021 werden nicht ausgereicht haben. Alexander Wehrle hatte im vergangenen Herbst deswegen weitere Verkäufe von Genussscheinen (Mezzanine-Kapital) angekündigt. Dazu kommt nach GEISSBLOG-Informationen eine Neubewertung der FC-Anteile an SK Gaming.

b) Verbindlichkeiten: Die buchhalterischen Verbindlichkeiten des 1. FC Köln sind weiter gewachsen. Am Ende der Saison 2021/22 wird der FC über 80 Millionen Euro Schulden in der Bilanz aufweisen. Wie hoch der Betrag tatsächlich sein wird, wird erst im Herbst zur Mitgliederversammlung bekannt werden. Doch wie erwähnt, werden die tatsächlichen Verbindlichkeiten noch einmal deutlich höher sein.

c) Personalaufwand: Nach der Entlassung von Horst Heldt sollte Interims-Sportchef Jörg Jakobs zusammen mit Wehrle den Personalaufwand im Sommer 2021 beginnen zu reduzieren. Es wird spannend sein zu sehen, ob dem FC dies für 2021/22 gelungen war. Davon ist allerdings auszugehen, weil die Geißböcke mehrere Top-Verdiener abgeben konnten (u.a. Bornauw, Drexler im Sommer, Czichos, Meré im Winter) und dafür einzig mit Mark Uth einen gehaltsintensiven Spieler hinzubekamen.

d) Konzernbilanz: Der 1. FC Köln wird auch 2021/22 mit einem dicken Minus abschließen. Das wurde von den Verantwortlichen bereits bestätigt. Wie hoch dieses ausfallen wird, ist noch nicht klar. Die vor der Saison kalkulierten Zuschauerzahlen konnten fast erreicht werden. Dem gegenüber stehen unerwartet hohe Prämien, die die Geißböcke den Spielern wegen der erfolgreichen Saison ausgezahlt haben. Das ist zwar sportlich erfreulich, der finanzielle Vorteil durch den sportlichen Erfolg wird sich allerdings erst 2022/23 einstellen. Für die Bilanz 21/22 bleibt er zunächst eine zusätzliche Belastung.

e) Spielerberater: Auch der 1. FC Köln muss sich dem Markt unterwerfen – ob der Vorstand das Business mag oder nicht. Wer Spieler verpflichten möchte, muss mit den Beratern der Spieler arbeiten und diese bezahlen. Allerdings schaut der FC nach GEISSBLOG-Informationen inzwischen deutlich genauer hin, mit wem man zusammenarbeitet. Mindestens eine Agentur steht demnach unter Beobachtung der Verantwortlichen.

3. Das sagt die Geschäftsführung

Christian Keller erklärte zuletzt, dass die finanzielle Situation der Geißböcke bei seinem Amtsantritt im April 2022 noch schlechter gewesen sei als bei den Verhandlungen mit dem FC im Herbst 2021. Der Sportchef sprach von einem “klaren Sanierungsauftrag” und davon, dass der Klub “viel kränker nicht mehr werden” könne.

Offene Worte, die Philipp Türoff im Gespräch mit dem GEISSBLOG nun einordnete: “Unsere Aufgabe ist es, die Situation des 1. FC Köln gründlich und sachlich zu analysieren”, sagte der Finanz-Chef. “Zur Verantwortung zählt auch, Missstände offen anzusprechen und realistische Erwartungen zu erzeugen.“ Dazu zähle auch klarzumachen, dass Millionen-Einnahmen und wegfallende Gehälter durch einen Verkauf wie Salih Özcan nicht automatisch in andere Spieler investiert werden könnten. Das gelte auch für die steigenden TV-Gelder in der kommenden Saison. “Mehreinnahmen stehen nicht einfach für höhere Ausgaben zur Verfügung, sondern wir müssen an die Rückführung von Verbindlichkeiten denken.“

4. Maßnahmen zur Konsolidierung

Genau diese Rückführung der Verbindlichkeiten wird den 1. FC Köln noch auf Jahre beschäftigen. Türoff bestätigte auf GEISSBLOG-Nachfrage: “Die zum 30. Juni 2021 ausgewiesenen Verbindlichkeiten bilden nicht das gesamte Spektrum von Maßnahmen ab, die der FC zur Stabilisierung der Notlage genutzt hat.“ Beim FC rechnet man nicht nur in der dreijährigen Mittelfrist-Planung mit einer deutlichen Belastung durch die Schulden, sondern mindestens auf die nächsten fünf Jahre – und das auch nur, wenn die Geißböcke in der Bundesliga bleiben und ein weiterer Abstieg vermieden werden kann. Sollte dies gelingen, wäre Arbeiten nach dem Motto möglich: “Spare in guten Zeiten!”

Zwar sind die finanziellen Zeiten für den FC nicht gut, sportlich hingegen aktuell schon. Sollte es so bleiben, würde das Sparen auf mehreren Ebenen geschehen. Auf Führungsebene wurde bereits eine neue und günstigere Gehaltsstruktur eingeführt. Im Profikader sollen die Personalkosten für die kommende Saison 2022/23 um 20 Prozent gesenkt werden. Im Sommer 2023 laufen dann u.a. die Verträge mehrere Großverdiener aus (Modeste, Andersson, Horn, Hector, Uth, Skhiri). So wird es möglich sein, schrittweise eine neue Gehaltsstruktur für Leistungsträger, den Mittelbau und Talente einzuführen. Diese existiert aktuell noch nicht.

Die zweistelligen Millioneneinnahmen, die in diesem Sommer generiert werden müssen (fünf Millionen Euro wurden bislang durch den Verkauf von Salih Özcan erreicht), dienen nicht automatisch dem Re-Invest. Das machte Türoff klar. Stattdessen braucht es diese Verkäufe, um das Eigenkapital positiv zu halten. Erst im Laufe des Sommers wird klar sein, wie viel Geld der FC in neue Spieler wird investieren können. Türoff machte aber auch deutlich, dass die Geißböcke auf dem Transfermarkt konkurrenzfähig seien und auch sein müssten, um die sportlichen Ziele nicht zu gefährden.

Weitere Maßnahmen hat der FC bereits angekündigt. Die Ticketpreise werden um bis zu 20 Prozent erhöht. Zudem wird der FC erneut Sponsoring-Einnahmen aus den Folgejahren vorziehen müssen. Auch der Verkauf von weiteren Genussscheinen (Mezzanine-Kapital) ist nicht ausgeschlossen. Der FC muss seine stillen Reserven heben, um diese Krise zu überstehen. Denn Anteilsverkäufe haben alle Verantwortlichen kategorisch ausgeschlossen.

5. Fazit

Philipp Türoff und Christian Keller haben zuletzt mehrfach betont, dass der 1. FC Köln insbesondere in der Saison 2022/23 noch enge Fesseln tragen muss. Die Kunst für die Verantwortlichen wird sein, zu sparen und gleichzeitig in die Mannschaft zu investieren. Dieser Verantwortung wollen Geschäftsführung und sportliche Leitung gerecht werden. In dem Wissen, dass 2023 ein großer Schnitt möglich sein wird, der sportlich wie finanziell ganz andere Möglichkeiten bringen könnte. Denn dann laufen insgesamt 14 Spielerverträge aus, deren Gesamtgehalt ohne Prämien bei deutlich über 20 Millionen Euro liegt.

Sofern die Corona-Pandemie nicht auch die nächste Bundesliga-Saison noch einmal beeinflussen sollte, könnte der FC mit einem weiteren sportlich positiven Jahr die Grundlage für eine erfolgreiche Sanierung legen. Keller und Türoff haben klar gemacht, dass ihre Aussagen kein Kleinreden des 1. FC Köln sind, sondern eine realistische Einordnung der finanziellen Zustände am Geißbockheim. Diese schränken die Handlungsfähigkeit ein, bedeuten aber keine Chancenlosigkeit auf dem Transfermarkt.

Klar ist: Die Saison 2022/23 bietet den Geißböcken eine große Chance. Gelingt es Steffen Baumgart und seinem Trainerteam, die Mannschaft weiter in der Bundesliga zu etablieren, wäre der ersehnte große Umbruch im Kader 2023 möglich (sportlich wie finanziell). Gelingt es Trainern und Spielern gleichzeitig, in der Conference League die Gruppenphase zu erreichen, würde der Klub noch einmal interessanter für Neuzugänge. Und gelingt es Keller und Türoff bereits in diesem Sommer, einige Großverdiener von der Payroll zu bekommen, wäre es 2022/23 möglich, aus der Negativspirale der Schulden auszubrechen und zumindest wieder eine schwarze Null zu schreiben. In Kombination mit dem erhofften sportlichen Erfolg wäre dies das bestmögliche Szenario für den 1. FC Köln in den kommenden zwölf Monaten.

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