Thomas Kessler plant zusammen mit Christian Keller und Steffen Baumgart die sportliche Zukunft des 1. FC Köln. Im zweiten Teil des GEISSBLOG-Interviews spricht der ehemalige FC-Profi über die aktuellen Leihspieler, über Marvin Schwäbe und über die FC-Lage am Geißbockheim.
Das Interview führten Sonja Eich und Marc L. Merten
Der FC hat mehrere Spieler ausgeliehen. Bei Marvin Obuz und Noah Katterbach gab es Gerüchte, sie könnten schon im Winter zurückkehren. Wie ist der Stand?
Stand jetzt wird niemand im Winter zurückkommen. Bei Noah gab es ein Vertragskonstrukt, das auf anderthalb Jahre ausgelegt war, aus unterschiedlichen Gründen aber zunächst auf ein Jahr begrenzt war. Es ist aber entschieden, dass Noah bis zum Sommer Spieler des FC Basel bleibt.
Und bei Marvin Obuz?
Für ihn war im Sommer klar: Die Regionalliga ist nicht mehr ausreichend, für Bundesliga-Einsätze war es aber noch zu früh. Deshalb haben wir einen Club für ihn gesucht, wo er einen Zwischenschritt machen kann. Auch wenn seine Einsatzzeiten noch nicht zufriedenstellend waren, bin ich bin großer Fan davon, dass Spieler sich auch gegen Widrigkeiten durchsetzen müssen. Er hatte in der Hinrunde schon gute Ansätze. An diesen gilt es für ihn im neuen Jahr anzusetzen und auf mehr Spielzeit zu kommen. Deswegen gibt es keine Planungen, ihn frühzeitig zurückzuholen.
Jens Castrop ist beim 1. FC Nürnberg Stammspieler. Kommt er im Sommer 2023 zum FC zurück?
Wir beobachten den Weg von Jens sehr intensiv. Er hat eine gute Entwicklung genommen und sich in einem interessanten Umfeld reingebissen. Nürnberg ist sehr zufrieden mit ihm, und ich würde sagen, dass diese Leihe ein gutes Beispiel dafür ist, dass ein junger Spieler in einem neuen Umfeld, durchaus in der Lage ist, sich sehr gut weiterzuentwickeln. Auch Jens hatte zu Beginn der Leihe gewissen Anpassungsschwierigkeiten. Er ist drangeblieben und hat sich am Ende sehr gut entwickelt. Was im Sommer passieren wird, ist noch nicht entschieden. Er ist in jedem Fall ein Kandidat für unseren Kader der nächsten Saison.
Eine Frage an den ehemaligen Torhüter. Marvin Schwäbe gehört statistisch gesehen zu den schwächsten Torhütern dieser Bundesliga-Saison, was die Fangquote und die erwarteten Gegentore angeht. Wir hatten von außen aber ein subjektiv ganz anderes Bild von ihm. In unseren Augen spielt er stark. Wie sieht es der Ex-Keeper Thomas Kessler?
Daten im Fußball haben sich zu einem sehr wichtigen Bewertungsinstrument entwickelt. Allerdings zeigt mir Ihre Frage, dass man in der Lage sein muss, diese auch richtig zu interpretieren. In meinen Augen spielt Marvin eine gute Saison. Er ist sowohl aktuell als auch perspektivisch einer der wichtigsten Eckpfeiler in unserer Kaderplanung. Er entwickelt sich seit seiner Verpflichtung stetig weiter. Er ist anerkannt in der Kabine und verkörpert Werte, die gut zu unserem Club passen. Er ist in meinen Augen ein sehr guter Torwart und gehört mit Ball am Fuß für mich zu den Top 5 in Deutschland. Zweifelsohne gibt es auch noch Luft nach oben für Marvin. Er ist noch lange nicht am Ende. Daran arbeiten wir täglich mit ihm und freuen uns, dass Marvin unser Spieler ist.
Wie sehr blutet Ihnen eigentlich das Herz, dass der FC den Ausbau des Geißbockheims abhaken und einen Umzug nach Marsdorf planen muss?
Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich bin ein Kind des Geißbockheims. Ich durfte mit 13 Jahren das erste Mal zum Training kommen. Seitdem bin gefühlt seit über 20 Jahren jeden Tag vor Ort. Dadurch habe ich eine unglaubliche enge Bindung zu diesem wunderbaren Standort. Jeder Kölner weiß, dass dieser Standort das Herzstück des 1. FC Köln ist. Hier wurde durch Franz Kremer der Grundstein für diesen Club gelegt. Ich habe nur das Gefühl, dass die einzigen, die diesen Fakt völlig außer Acht lassen, die Menschen sind, die am langen Hebel sitzen: die Verantwortlichen der Stadt Köln. Aus diesem Grund ist es unausweichlich, dass wir uns Gedanken über einen alternativen Standort machen müssen. Wir haben jetzt so viel probiert, um den Standort besser zu machen. Aber selbst, wenn wir alle Möglichkeiten zur Verschönerung der Trainingsflächen und Kabinen ausschöpfen, um sie ein bisschen alltagstauglicher zu machen, bleibt es zu eng und nicht zeitgemäß. Wenn wir nachhaltig professionellen Bundesliga-Fußball betreiben wollen, können wir unter diesen Voraussetzungen nicht am Geißbockheim bleiben. So würden wir gnadenlos den Anschluss verlieren. Dieses Risiko können wir nicht eingehen.
Ärgert Sie der Umgang mit dem FC?
Wenn man in Köln lebt, weiß man, wie schön der Grüngürtel ist und welche Möglichkeiten uns dieser Grüngürtel bietet. Wir als Klub haben unsere Hausaufgaben gemacht und alles getan, um den Grüngürtel in Einklang mit den Trainingsbedingungen für unseren Nachwuchs zu bringen. Wir wollen keine goldenen Wasserhähne anbringen. Der 1. FC Köln stellt sich nicht über die Stadt oder über die Natur. Im Gegenteil: Wir haben alles dafür getan, um diesen schönen Grüngürtel, wo ich jeden Tag gerne arbeite, aus dem Fenster schaue und mich wohl fühle, mit dem Fußball zu verbinden. Das muss in meinen Augen möglich sein. Deshalb kann ich es nicht verstehen, dass diese Stadt, in der ich groß geworden bin und diese Stadt, dessen Baby der 1. FC Köln ist, uns ständig Knüppel zwischen die Beine wirft. Wir definieren uns als Sportstadt. Doch fragen Sie mal außerhalb unserer Stadtmauern, mit was die Stadt Köln in Verbindung gebracht wird. Die Menschen sprechen über den Dom, den Karneval und den 1. FC Köln. Jeder Kölner identifiziert sich ebenfalls damit. Dass dann ausgerechnet eine der drei wichtigsten Säulen dieser Stadt so von der eigenen Stadt gebremst wird, ist für mich völlig unverständlich.
Ist das trotzdem der Punkt, an dem der Klub sagen muss: Tradition und Nostalgie reichen nicht aus?
Wir sind gezwungen, nachhaltig eine professionelle Infrastruktur für die Zukunft unseres Clubs zu erschaffen. Das beginnt mit guten Bedingungen für unseren Nachwuchs. Es geht weiter mit dem Mädchen und Frauenfußball und endet bei der Profimannschaft. An der Wand vor meinem Büro steht: ‚Tradition hat nur dann einen Sinn, wenn der Wille zu noch größeren Taten vorhanden ist.‘ Franz Kremer wusste schon früh, dass du nur mit Tradition und Nostalgie nicht erfolgreich sein wirst. Wir haben die Verpflichtung, unseren Club nachhaltig auf ein gesundes Fundament zu stellen. Dazu gehört eine zeitgemäße Infrastruktur. Wir haben durch die Entscheidungen der Stadt eine Menge Zeit verloren. Wir müssen jetzt klare Entscheidungen treffen, auch wenn mich das Verlassen des Geißbockheims persönlich hart treffen würde.
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