Markus Anfang und Alexander Nouri an der Seitenlinie. (Foto: imago/Kolvenbach)

“Das wäre eine persönliche Niederlage für jeden für uns”

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“Der Gegner darf es nicht schaffen, in unseren Kopf zu gelangen.” Markus Anfang spricht im zweiten Teil des großen Interviews im GEISSBLOG.KOELN über seine Spielidee und erklärt, warum Barcelonas Xavi mit einer außergewöhnlichen Aussage Recht hat. Der Trainer des 1. FC Köln äußert sich zudem über seine Rolle am Spielfeldrand und seine Vorbildfunktion.

Das Interview führte Marc L. Merten


Hier geht es zum ersten Teil des großen Anfang-Interviews!


In knapp vier Wochen geht es im DFB-Pokal gegen den FC Schalke 04. Wird das für Sie ein erster Test, wie gut Ihre Mannschaft schon auf Bundesliga-Niveau funktionieren könnte?

Es geht bei uns inzwischen nicht mehr um das System. Das hat jeder Spieler verinnerlicht. Das Thema System ist durch. Wir sind in der Lage unser Spiel anzupassen, zu verändern. Die Spieler haben verstanden, dass wir nicht in einer Grundordnung denken, sondern in Linien, in Zahlenverhältnissen. Wir denken anders. Wir versuchen, auf dem Feld immer in Überzahl zu agieren. Jetzt geht es darum, wie sie das an dem bestimmen Tag hinbekommen. Gegen Schalke werden wir sehen, welche Spieler das auf diesem Niveau umsetzen können, damit wir unser Spiel durchbringen. Das steht und fällt mit der Leistung der Spieler. Das hat mit Qualität zu tun, aber auch mit Mut und Überzeugung.

Die Situation, die wir haben wollen, müssen wir vorbereiten

Der Spanier Xavi hat mal in einem Interview gesagt: „Ein Befreiungsschlag ist für mich eine intellektuelle Niederlage.“ Ihr Verweis auf Linien und Zahlenverhältnisse scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen.

Deswegen spreche ich immer von Räumen, die besetzt sein müssen. Wo haben wir Platz? Wie bekommen wir den Ball dahin? Die Spielsituation, die wir haben wollen, müssen wir vorbereiten. Dafür müssen wir auch mal Passagen spielen, die für den Zuschauer nicht so interessant sind, dafür aber zielführend für uns. Solange wir den Ball haben, kann uns der Gegner nicht weh tun. Wenn wir also mal über den Torwart zurückspielen, sieht das nicht attraktiv aus, aber es verändert die Räume auf dem Platz. Wir kloppen nicht jeden Ball planlos nach vorne, sondern wir bereiten unsere Angriffe vor, legen uns die Situationen zurecht.

Wie gut funktioniert das schon?

Das kommt, es hat mit Ruhe im Spiel zu tun. Am Anfang waren wir noch zu unruhig. Jetzt sammeln wir die Erfahrung und wissen: Die Situation kommt noch. Nur Geduld! In Kiel hat man uns mal gesagt: Ihr bekommt ein Gegentor und spielt trotzdem einfach weiter, als sei nichts passiert. Es war uns total egal. Wir wussten, die Chancen kommen, wir werden Tore machen können. In dieses Gefühl kommen wir jetzt hier auch langsam rein. Nach dem Ausgleich gegen Aue haben wir ganz normal weitergespielt. Wenn andere Leute denken, die müssen doch jetzt den Ball nach vorne schlagen und angreifen, sage ich: Nein, nicht irgendwie! Das ist wohl das, was Xavi meint. Denn dann hätte der Gegner geschafft, dass wir nicht mehr unseren Fußball spielen. Das wäre eine persönliche Niederlage für jeden für uns auf dem Feld. Der Gegner darf es nicht schaffen, in unseren Kopf zu gelangen. Wir spielen mit dem Ergebnis, aber nicht für das Ergebnis.

Dafür braucht man keinen Trainer

Wie meinen Sie das?

Wir spielen mit dem Ergebnis, weil wir zum Beispiel bei einem Rückstand wissen, dass wir mehr riskieren müssen. Trotzdem behalten wir unseren Spielstil bei. Für das Ergebnis zu spielen, würde dagegen bedeuten, dass wir alles verändern würden, einfach irgendwas machen, um es zu erzwingen. Dann wäre es egal, wie man ein Ergebnis erreicht. Aber dafür braucht man keinen Trainer.

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Der Stimmungsboykott in den ersten 20 Minuten war fast hilfreich

Sie reden mit der Mannschaft viel, auch am Spielfeldrand sind Sie sehr aktiv. Wird sich das noch verändern?

In Bielefeld war ich in der ersten Halbzeit fast komplett ruhig. Gegen Ingolstadt dagegen war der Stimmungsboykott in den ersten 20 Minuten fast hilfreich, weil wir nicht ganz genau gewusst hatten, wie der Gegner mit dem neuen Trainer spielen würde. So konnte ich viele Hilfestellungen geben und die Spieler einfacher erreichen. Natürlich habe ich es auch lieber, wenn die Fans da sind – da muss ich dann aber auch lauter sein.

Und innerlich?

Im Spiel muss ich emotional sein, weil fast alles, was ich mache, an meine Spieler gerichtet ist. Und dafür muss ich lauter werden, damit sie mich wahrnehmen. In der Halbzeitpause oder nach dem Spiel bin ich dagegen sehr schnell wieder ruhig und fahre runter. Es ist nicht gewollt, dass die Leute sehen, wie ich an der Seitenlinie rumtanze. Das interessiert keinen. Es geht nur um die Inhalte. Das nimmt natürlich ab, je sicherer die Spieler werden.

Es geht aber auch zwischen Ihnen und den anderen Trainern immer wieder hin und her. Gehört dieses Aneinanderreiben auch dazu?

Das beste Beispiel fand ich gegen Paderborn: Baumi (Steffen Baumgart, Trainer des SCP) kam vor dem Spiel zu mir. Er sagte: ‚Jetzt toben wir uns 90 Minuten aus und danach sind wir wieder Freunde.’ Das ist kein Problem. Jeder will erfolgreich sein, und wenn im Fußball keine Emotionen wären, wäre der Fußball tot. Das ist in mir. Ich bin nicht introvertiert, ich lebe das. So bin ich, das kann ich nicht ändern. Es gibt auch Emotionen zwischen den Trainerbänken, aber danach ist immer alles wieder okay. Es geht nie auf eine persönliche Ebene. Es geht nur um das Spiel.

Und Ihr Umgang mit den Spielern?

Am Anfang mussten sie unseren Humor erst einmal kennen lernen. Wir drücken auch mal einen Spruch, sind sarkastisch. Damit haben wir sie erstmal laufen lassen. Aber wir müssen dann als Trainerteam auch mal einstecken können. Man muss ja auch über sich selbst lachen können. Wir wollen alle zusammen Spaß haben.

Es gehört dazu, dass du einen reden lässt, dass du zuhörst

Aber auch ernst sein.

Natürlich. Es gibt die Momente, in denen es ernst wird und ich sagen muss: Du musst jetzt Leistung abrufen und ich muss die Entscheidung treffen, wer spielt und wer nicht. Die Entscheidung muss jeder akzeptieren.

Trotzdem treffen Sie als Trainer einer Mannschaft auch mal auf Konflikte.

Wir haben tagtäglich Spieler, auf die wir eingehen müssen. Das gehört zu unserer Arbeit als Trainer dazu. Es geht darum zu verstehen, warum ein Spieler unzufrieden ist. Es gehört dazu, dass du einen reden lässt, dass einer einfach mal zu Wort kommt, dass du zuhörst. Daran, finde ich, sollten wir uns in vielen Situationen erinnern.

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