Das RheinEnergieStadion. (Foto: imago images / Kirchner)

Gefangen im Corona-Labyrinth: Der Rückhalt schwindet

Der Fußball in Deutschland befindet sich mitten in einem Labyrinth, aus dem es noch keinen Ausweg gibt. Zumindest keinen, den man auf den ersten Blick erkennt. Und so mäandern die einzelnen Verantwortlichen der Klubs vor allem verbal in unterschiedlichste Richtungen. Sie tragen so dazu bei, dass der Rückhalt für den Lieblings-Volkssport der Deutschen schwindet. Viel hat, wen wundert’s, mit Geld zu tun.

Zunächst einmal: Der Vorwurf, der Fußball wolle eine Sonderrolle in der Coronavirus-Pandemie einnehmen, geht am Kern der Sache vorbei. Nicht nur das Fußballbusiness, sondern alle Branchen und ihre Lobbyisten versuchen in der Politik die besten Deals für ihre Bereiche herauszuschlagen. Das ist ein natürlicher Vorgang und nicht ausschließlich dem Fußballgeschäft vorenthalten. Was den Kickern zufällt, ist lediglich die außergewöhnliche Aufmerksamkeit, die diese Branche auf sich zieht – und die nicht nur der Fußball geschickt versucht zu nutzen, sondern auch so mancher Politiker, der sich gerne in diesem Licht sonnt.

Der Unterschied des Fußballs zu anderen Branchen liegt jedoch nicht nur in der Aufmerksamkeit, sondern auch in seinen finanziellen Möglichkeiten. Während die Gastronomie, Hotellerie oder die zahllosen Künstler, die auf Monate hinweg ohne Einnahmen dastehen, sich von der Politik verraten fühlen, entsteht auf Seiten des Fußballs der Eindruck eines Sonderweges. Das bestreiten durchweg alle Beteiligten, müssen sie auch. Doch danach gehen die Aussagen bereits auseinander. Gerne verwenden die Fußballbosse gerade die Untergangsszenarien: Hans-Joachim Watzke sprach nun bei Sky davon, “wenn wir die nächsten Monate nicht mehr spielen, dann säuft die ganze Bundesliga ab”. Es gehe “um die Rettung des Fußballs”. Ralf Rangnick bemühte gar im SWR ein anderes Bild. “Ich glaube, dass ein Wiederbeginn eine große Signalwirkung für die Gesellschaft haben würde”, sagte Rangnick. Es sei nicht nur aus finanzieller Sicht für die Vereine wichtig, sondern auch aus psychologischer Sicht “für die gesamte Menschheit”.

Der Fußball würde auch ohne die Bundesliga überleben

Dieser, mit Verlaub, Größenwahn ist das Problem des Fußballs: Der Fußball hält sich für unersetzlich, zwar nicht für systemrelevant, aber in seiner heutigen Form doch für gesellschaftlich prägend, einflussreich und daher schützenswert. Der Trugschluss, dem die Vereinsbosse aufgesessen sind, ist: Sie glauben, ohne die großen Vereine und ohne die Bundesliga würde der Fußball in Deutschland sterben. Das ist mitnichten der Fall. Fußball würde weiter gespielt, auf den Ascheplätzen und Wiesen, in den kleinen und größeren Stadien, und auch bald wieder von anderen Vereinen in einer professionellen Liga – nur eben nicht mehr in einem derartigen Milliardengeschäft wie dem heutigen. International würde der deutsche Fußball womöglich abschmieren. National hingegen würde er sich weiter großer Beliebtheit erfreuen. Der Unterschied wäre: Es würde im Fußball nicht mehr so viel Geld verdient werden wie heute. Und an diesem Punkt beginnt das Problem, das DFL-Boss Christian Seifert in seiner Pressekonferenz am Donnerstag ansprach.

Seifert sprach von “Missgunst” gegenüber dem Profi-Fußball und dass er nicht verstehe, was man in den letzten Jahren falsch gemacht hätte. Daher zeigte sich Seifert überaus demütig, versicherte überdeutlich, dass die Ligen hinter allem zurückstehen würden, solange es kein Konzept gäbe, mit dem die Politik einverstanden wäre. Im Labyrinth der Coronakrise sprechen aber nicht alle in Seiferts Ton, so kündigte Hasan Salihamidzic für den FC Bayern im Sommer direkt mal zwei Top-Verpflichtungen an, einen Star und ein Supertalent. Klar, dass die Münchner nicht nur von ihrem Festgeld-Konto profitieren werden, sondern auch von den wohl fallenden Transfersummen. Man bereitet sich an der Säbener Straße offenbar bereits händereibend auf die nächste Transferperiode vor. So viel zum Thema Demut.

Das Problem mit den staatlichen Hilfen

Auch andere Formulierungen stoßen Fans und jenen, die mit Fußball eigentlich nichts zu tun haben, in der Krise sauer auf. BVB-Boss Watzke erklärte beispielsweise, man wolle gar keine “staatlichen Hilfen und gar nichts”. Doch genau in diesem Punkt lag Watzke grundlegend falsch. Es geht auch in den Profi-Ligen bereits seit Wochen um staatliche Hilfen in Millionenhöhe. Schließlich haben zahlreiche Bundesliga-Klubs ihre Mitarbeiter in den Geschäftsstellen in Kurzarbeit geschickt. Kurzarbeit ist ein staatliches Programm, in dem die Bundesagentur für Arbeit Teile der Lohnzahlungen übernimmt. Insofern nehmen die Fußballklubs sehr wohl bereits staatliche Hilfen in Anspruch. Auch der 1. FC Köln, der 80 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat und auf diese Weise eine monatliche Unterstützung des Staates in Höhe einer hohen fünfstelligen Summe erhält. Und auch die geplanten Gespräche mit der Stadt Köln zur Stadionpacht sind nichts anderes als der Versuch an staatliche Vergünstigungen zu kommen.

Dies ist, wie in allen anderen Branchen auch, das Recht eines jeden Klubs. Doch aus der Sicht vieler Menschen in nicht alles, was legal ist, auch legitim. Das Hauptargument ist kein Mysterium: Warum sollen Fußballklubs staatliche Hilfen bekommen, damit sie ihren Profis in der Coronakrise weiter deren Millionengehälter zahlen können? Dabei sind es nicht nur die Gehälter der Spieler. Auch die Bosse verdienen längst fürstlich. Zur Einordnung: Borussia Dortmund hatte 2018 das Gehalt seines Geschäftsführers Watzke offengelegt – 1,767 Millionen Euro pro Jahr zuzüglich 788.000 Euro an Boni. Von diesen jährlich 2,555 Mio. Euro soll der BVB-Boss aktuell bereit sein auf monatlich ein Drittel zu verzichten. Ein scheinbar großzügiges Entgegenkommen an seinen Arbeitgeber, doch auf die nackten Zahlen berechnet sind dies bei einem monatlichen Brutto-Verdienst von 212.000 Euro zwar ein Verzicht von 72.000 Euro monatlich. Es bleiben dem Chef der Schwarz-Gelben aber noch immer 140.000 Euro – im Monat.

Das Beispiel Adidas

Diese aus jedem Gleichgewicht geratenen Verhältnisse sind es, die vielen Menschen sauer aufstoßen. Dass die Vereine dabei lediglich müde auf gültige Verträge hinweisen, ist nicht genug. Auch nicht, dass viele Spieler auf Teile ihrer Gehälter verzichten – wie das Rechenbeispiel Watzke zeigt. Ein anderes Beispiel zeigt, wie verzahnt die Fußballbranche in der Wirtschaft ist. Der Sportartikelhersteller Adidas gehört zu den Premium-Ausrüstern der internationalen Fußballbranche. Real Madrid erhält von Adidas jährlich 120 Millionen Euro, der Deutsche Fußball-Bund kassiert pro Saison 50 Millionen Euro, auch der FC Bayern München, der italienische Spitzenklub Juventus Turin oder der britische Rekordmeister Manchester United werden von Adidas mit zweistelligen Millionenbeträgen jährlich gestützt. Auf der anderen Seite erhielt Adidas Mitte April eine Darlehenszusage in Höhe von 2,4 Milliarden Euro durch die staatliche Förderbank KfW.

Auch dies – natürlich legal. Schließlich hat die Politik versprochen, dass alle Firmen in der Corona-Krise Finanzhilfen bekommen und der Staat die komplette Haftung übernimmt. Trotzdem lassen manche Banken kleinere Kunden hängen. Statt dem Mittelstand geben sie ihr Geld lieber Großkonzernen. Der Grund liegt auf der Hand: Daran verdienen sie mehr. Im Falle der Fußballbranche kommt der Adidas-Großkredit auch den vielen internationalen Topklubs zugute, denen Adidas als Ausrüster verbunden ist. Mit dem Kredit an Adidas wurden also indirekt Fußballklubs quersubventioniert.

Kollateralschaden der Coronakrise

Es verwundert daher, dass sich die Fußballbranche über den Gegenwind wundert. Seifert fürchtet, dass der Profi-Fußball zu einem “Kollateralschaden der Coronakrise” werden könnte. Doch diese Furcht, das weiß wohl Seifert selbst am besten, dürfte unbegründet sein, schließlich tun alle Seiten bereits alles für einen Wiederbeginn der Liga. Die Kollateralschäden der Coronakrise wird es anderswo geben. Doch das wird man kaum mitbekommen. Denn es wird Branchen und Unternehmen treffen, auf die die Öffentlichkeit kaum schaut, weil sie nicht so glamourös daher kommen wie der Fußball. Und weil deutlich weniger Geld bewegt wird als auf dem grünen Rasen.

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