Der 1. FC Köln muss sich eine neuen Heimat suchen. Das Geißbockheim ist nur noch ein Zuhause auf Zeit. Im ersten Teil des großen GEISSBLOG-Interview spricht Geschäftsführer Philipp Türoff über die Planungen, dem FC eine neuen Heimat zu bauen.
Das Interview führte Marc L. Merten
GEISSBLOG: Herr Türoff, jetzt scheint festzustehen, dass es für den 1. FC Köln am Geißbockheim keine Zukunft mehr geben wird. Zumindest keine für die Lizenzspielerabteilung. Dabei hat das Oberverwaltungsgericht Münster nur der Stadt Köln eine Absage erteilt, nicht aber dem 1. FC Köln. Wie geht der FC mit dieser Situation um?
PHILIPP TÜROFF: „Das war schon ein sehr spezieller Tag in Münster. Das ganz formale Ergebnis sagt: Der Bebauungsplan ist gekippt worden.”
Und zwar in Gänze – für die Plätze auf den Gleueler Wiesen und für das Leistungszentrum.
In Gänze, ja. Dann war es aber sehr bemerkenswert, dass die Begründung des Urteils ausführlich klar gemacht hat, dass dieses Gericht alle Belange, die den FC angehen, in keinster Weise beanstandet. Und das ist schon etwas.
Inwiefern?
Hier war fünf Jahre der Wahnsinn los – und jetzt ist alles völlig unaufgeregt in einer ausführlichen Begründung völlig entkräftet worden. Dieses Urteil besagt: Ihr vom FC seid jetzt fünf Jahre stecken geblieben, obwohl es aus Sicht dieses Gerichts nach ausführlicher Prüfung gar keinen Grund dafür gibt. Das ist schon ein Hammer. Und mir verrät das natürlich schon einiges.
Und das wäre?
Die Stadt Köln muss sich fragen lassen, wie sie den 1. FC Köln so hat hängen lassen können. Und wir müssen uns fragen: Wie können wir den Klub überhaupt weiterentwickeln, wenn es möglich ist, dass man fünf Jahre in solcher Weise aufgehalten wird? Das ist schon eine spezielle Erfahrung. Das Gericht hat deutlich gesagt: Wenn es einen politischen Willen gäbe, wäre es jetzt spielend leicht machbar und man könnte mit den Plänen fortfahren, die man gemacht hat. Aber dieser politische Wille ist nicht vorhanden.
Das hat Frau Reker ja gerade erst noch mal deutlich gemacht.
Das heißt, wir müssen ausloten, was es für Möglichkeiten gibt. Denn der FC und Köln, das ist eins. Wir sind mit den Personen und Parteien, mit denen wir ringen, in einer Zwangsehe. Wir sind Köln, wir sind ein Teil davon. Wir wollen uns in der Stadt weiterentwickeln und müssen ausloten, wo das möglich ist. Das ist die Arbeit, die jetzt gemacht werden muss. Wenn es also hier vor Ort nicht geht, sondern 3,8 Kilometer von hier entfernt in Marsdorf, dann ist das nicht unerträglich weit weg. Das ist auch noch innerhalb der Stadtgrenzen, also muss man sich damit beschäftigen, und zwar sehr genau und im Detail.
Wie könnte denn das Marsdorf-Modell aussehen?
Wir müssen entscheiden: Wo schlägt das Herz des FC und wie genau schlägt es weiter? Wir sagen nicht, dass am Geißbockheim gar nichts mehr stattfindet. Wir müssen aber realistisch sein: Der professionelle Fußball beim FC, inklusive der Ausbildung für männliche und weibliche Talente, muss ganzheitlich gedacht werden. Dazu gehören auch die wesentlichen Teile der betreffenden Verwaltung. Alles, was dazugehört. Daher würde ein sehr großer Teil umziehen.
Was würde hier am Geißbockheim bleiben?
Das Franz-Kremer-Stadion könnte Hauptspielstätte einiger Nachwuchsteams bleiben. Dafür sind die 3,8 Kilometer Entfernung kein Hindernis. Am Geißbockheim kann der FC in Bezug auf Spiele und repräsentative Trainings sowie andere Veranstaltungen immer noch stattfinden.
Bei all diesen Plänen: Der FC kann nicht noch einmal fast ein Jahrzehnt lang warten. Wie sehr kann der FC den Druck erhöhen, damit jetzt schnell Fakten geschaffen werden?
Wir artikulieren eine entsprechende Erwartung. Das ist auch vollkommen legitim, weil wir hier die Interessen des FC verteidigen müssen. Wir artikulieren auch unsere zeitliche Erwartungshaltung. Wir müssen so schnell wie möglich vorankommen. Das verstehen auch unsere Gesprächspartner in Stadtverwaltung und Politik. Eine Prognose fällt mir dennoch schwer. Ich kann nur mit den Menschen reden, ihnen zuhören und versuchen, sie beim Wort zu nehmen und in den Verhandlungen Schritte zu gehen, die rechtliche Konsequenzen haben. Im Moment spüren wir eine Bereitschaft unserer Gesprächspartner, zügig Lösungen zu finden. Dennoch: Zwei bis drei Jahre ist das absolute Minimum, von dem ich ausgehe, bis sich wirklich signifikant etwas tun wird. Und bis dahin wartet die Bundesliga auch nicht.
Was kann der FC bis dahin tun?
Wir arbeiten daran, wie wir hier die Trainingsplätze noch einmal so instand setzen können, damit wir überhaupt eine Chance haben, diese Überbelastung weiter aufrecht erhalten zu können. Wir haben baulich für den Lizenzbereich schon einiges gemacht. Aber wir müssen für eine Übergangsphase auch für die Frauen und den Nachwuchs noch etwas machen. Hier will kein Gast mehr duschen. Die fahren zum Duschen nach Hause. Das heißt, wir müssen das Provisorium fit machen. Klar ist aber auch: Wir brauchen nachhaltige Lösungen. Wir werden sicher nicht das letzte bisschen Geld, das wir haben, für kurzfristige Maßnahme zusammenkratzen. Wir brauchen eine Lösung, die auch in fünf, in zehn, 15 und in 25 Jahren Spaß macht.
Zunächst einmal: Sie haben die Korrekturmaßnahmen angesprochen – die Kabine für die Profis, die umgebauten Büros der Trainer, die umgebaute Sporthalle. Jetzt sollen andere Umkleiden und Duschen dazukommen. Was kosten diese provisorischen Baumaßnahmen den FC?
Das sind keine riesigen Summen. Das ist Flickschusterei. Es gibt keine Kriegskasse, die das finanziert. Wir haben in diesem Jahr durch die Conference-League-Gruppenphase ein bisschen mehr Geld eingenommen, als es in einem normalen Bundesliga-Jahr möglich gewesen wäre. Vielleicht können wir von diesem verdienten Geld eine kleine Summe abzweigen und dafür sorgen, dass hier noch mal zwei, drei Trainingsplätze in einen anderen Zustand kommen und Umkleiden renoviert werden. Wir haben auch auf der Geschäftsstelle viel zu wenig Platz für unsere Mitarbeiter. Das wird zwar nicht mehr besser, aber vielleicht nehmen wir noch mal eine Wand raus und gestalten alles etwas offener. Aber wenn Sie mich nach einer Summe fragen? Vielleicht kommt da etwas Siebenstelliges bei raus, vielleicht bleibt es aber auch darunter. Umsonst wird es nicht sein. Es wird ein Bekenntnis sein, dass die Leute hier spüren, dass etwas passiert.
Dennoch müssen Sie jeden Euro beisammen halten für den großen Umzug. Denn der dürfte deutlich mehr Geld kosten als die 25 bis 30 Millionen Euro, die der FC hier mal für den Ausbau vorgesehen hatte, oder? Mit welchen Investitionen rechnen Sie für einen Umzug nach Marsdorf, wo Sie ja alles werden aus dem Boden stampfen müssen?
An die 25 bis 30 Millionen Euro müssen wir gar nicht mehr denken. Die Zeit können wir uns sparen. Es ist natürlich noch offen, ob wir größer oder kleiner bleiben oder ob wir uns über die Zeit entwickeln werden, aber wir werden damit eher 100 Millionen bewegen. Das ist die Größenordnung, in der wir denken müssen, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Da steckt dann aber auch alles drin: der Neubau, die Plätze, Grund und Boden, auch die Ertüchtigung hier am Franz-Kremer-Stadion.
Kann das Franz-Kremer-Stadion denn umgebaut werden?
Das ist auch wieder so ein Punkt. Wenn das genauso unantastbar ist wie alles andere hier auch, dann wird auch das Franz-Kremer-Stadion keine Zukunft haben. Deshalb müssen wir auch da neu denken dürfen.
Wie kann sich der FC denn 100 Millionen Euro leisten?
Wir werden das komplette Spektrum der Möglichkeiten anschauen, das zu unserem FC passen könnte. Wir können leider keine Schatztruhe aus dem Keller holen. Es ist natürlich klar, dass es dabei um Steine statt Beine gehen wird, um Grundbesitz, Eigentum an Gebäuden, Aufbauten. Dadurch entsteht Substanz. Und diese Substanz ist auch mit anderen Möglichkeiten finanzierbar. Das Geld dafür wird nicht vom Himmel fallen, aber wir haben eine große Unterstützung hier im Kölner Raum. Insgesamt bin ich überzeugt, dass das eine sehr nachhaltige Geschichte für den FC sein kann. Wenn wir hier Dinge aufgegeben werden, gibt es auch die Möglichkeit, etwas an die Stadt zu veräußern. Daran können wir also auch denken.
Sie sprechen von Grundbesitz und Eigentum. Hier am Geißbockheim ist es eine Erbpacht-Geschichte, bei der die Aufbauten dem FC gehören. Wie wäre es in Marsdorf?
Wir wollen und werden auch kaufen. Das wäre aus Unternehmenssicht auch finanziell eine nachhaltige Entwicklung für den FC. So bekämen wir neben den Spielern auch endlich mal Substanz in die Bilanz. Dennoch wird die Lösung in der Kombination von Möglichkeiten liegen, also in einer Kombination aus Eigentumserwerb und aus Pacht.
Der zweite Teil des großen Türoff-Interviews erscheint am 26. Dezember.
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